Bekennen oder Heucheln?

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Moderator: eddi

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Der Pilgrim
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Bekennen oder Heucheln?

Beitrag von Der Pilgrim »

Hallo!
Als ich neulich in Marburg war lief mir in der Altstadt ein jugnes Pärchen entgegen, welches die Aufmerksamkeit der gesamten Straße auf sich zu ziehen schien. Die Frau hatte ein knöchellanges, schmuckloses Kleid und ein weißes Kopftuch an (und sah damit etwas aus wie eine Mennonitin), der Mann trug nur weiße Klamotten und einen großen Kreuzumhänger.
Dieser Anblick versetzte mich ins Grübeln. Einerseits respektierte ich dieses Pärchen, da sie zu ihrem Glauben zu stehen schienen und sich trotz der verwunderten/verächtlichen Blicke der Umwelt nicht davon abbringen ließen. Sicher waren sie überzeugte Christen und hielten an ihren Prinzipien fest, auch wenn die Welt sie dafür verlachte.
Doch drängte sich mir dann der Gedanke auf, ob es denn wirklich christlich ist, sich derart offensichtlich von der Gesellschaft abzugrenzen. Einerseits werden wir ja an vielen Stellen dazu aufgefordert, furchtlos zu bekennen, uns an die Gebote zu halten und auch in Situationen der Bedrängnis nicht vom Glauben abzulassen. Wir sollen das Evangelium in die Welt tragen, und dazu gehört sicher ja auch der christliche Lebensstil. Auf der anderen Seite warnt uns Jesus davor, so zu sein wie die Heuchler, die sich auffällig kleiden, laut und öffentlich beten und um Ansehen bei den Menschen ringen. Sie wollen in erster Linie auffallen.

Da frage ich mich, wo die Grenzen zu ziehen sind. Sollten wir eher darauf achten, überall und auffällig unseren Glauben zu bekennen oder dies nur tun, wenn wir wirklich dazu aufgefordert werden und stattdessen eher unauffällig bleiben?

Letztendlich führt dies auch zu weiteren Fragen, zum Beispiel ob das Tragen von Kreuzen oder christlichen T-Shirts etc gut und vllt sogar für die Verbreitung des Evangeliums förderlich ist oder ob es ein falsches Licht auf uns wirft? ??!
Ich finde das eine sehr schwierige Frage. Habe sie bereits im Puritanboard gepostet aber für mich keine befriedigenden antworten gefunden.
Simon W.

Jörg
Moderator
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Wohnort: Essen im Ruhrpott

Beitrag von Jörg »

Hallo Simon, sei herzlich willkommen!

Also, manche Leute können einem auch mit dem christlichen Zeugnis auf den Wecker fallen, weil sie überhaupt kein normales Gespräch (“Schönes Wetter heute”) mehr führen können, sondern gleich ihre Schallplatte auflegen!

Hab letztens ein schönes Lied gehört, dort heißt es: “Unser Leben redet lauter als die Worte, die wir sagen. Kann man an uns erkennen und sehen, dass die Liebe bei uns wohnt?" Hier denke ich auch an 1. Petrus 3, 1-2 (auch wenn es hier im Zusammenhang um das Verhalten der Frauen gegenüber ihren ungläubigen Ehemännern geht) ”Desgleichen sollt ihr Frauen euch euren Männern unterordnen, damit auch die, die nicht an das Wort glauben, durch das Leben ihrer Frauen ohne Worte gewonnen werden, wenn sie sehen, wie ihr in Reinheit und Gottesfurcht lebt.“

Was nützt das frömmste T-Shirt und ein “Fisch” am Auto, wenn von den Früchten des Heiligen Geistes überhaupt nichts zu sehen ist?

Dann gibt es noch liebe Christenleute, die ausschließlich von ihren “Erlebnissen mit Gott” reden. Leider können “Zeugnisse” mancher Sektenanhänger (Z. B. Anhänger der “Christlichen Wissenschaft”) mindestens genauso beeindruckend sein. Bleiben wir doch bei dem biblischen Zeugnis, mit Christus als Mitte und lebensnah verkündet!

Außerdem glaube ich an Führung durch den Dreieinigen Gott; ER kann uns in Situationen führen, wo ein christliches Bekenntnis unumgänglich ist und ich glaube, dass wir hier oftmals schuldig werden, weil wir in solchen Situationen schweigen.

Grüße, Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jose
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Registriert: 29.05.2010 19:23

Re: Bekennen oder Heucheln?

Beitrag von Jose »

Wie die Bezeichnung des Themas "Bekennen oder Heucheln?" zu deinem Beitrag passt verstehe ich noch nicht ganz. Heuchle ich, wenn ich nur dann Jesus bekenne wenn ich danach gefragt werde? Unauffällig kann ein Christ nicht bleiben, zumindest nicht in seinem Umfeld. Jesus sagt: "Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen sein" Mt 5,14.
Der Pilgrim hat geschrieben:Sollten wir eher darauf achten, überall und auffällig unseren Glauben zu bekennen oder dies nur tun, wenn wir wirklich dazu aufgefordert werden und stattdessen eher unauffällig bleiben?
Es kann wirken und auch zu Gesprächen führen, wenn man mit "auffälligen" äußeren Zeichen sichtbar bezeugt zu Jesus zu gehören, aber ein verändertes Leben, in der Kraft Gottes, ist das entscheidende. Wenn unser Wandel, trotz der äußeren Zeichen, nicht dem entspricht was von einem Christen erwartet wird, bringt es umso mehr Unehre über Jesus. Es fahren z.B. viele mit einem Fischaufkleber auf dem Auto. Sind es wirklich alle Christen? Ich will niemand danach beurteilen.

Wir müssen übrigens nicht warten, bis wir aufgefordert werden Jesus zu bezeugen. Wir können jeden Tag mit dem Gebet beginnen: "Herr, führe mich mit Menschen zusammen denen ich Dich bezeugen kann", oder "Herr, schenke mir Gelegenheiten, mit meinen Arbeitskollegen über dir zu reden". Manche haben auch den Ruf in den Zeugendienst auf der Straße oder von Haus zu Haus.

Was mir aber auffällt, gerade im engen Umgang mit Menschen, z.B. im Büro, da bleibt es gar nicht aus, dass wir als Christen auffallen. Sei es, weil wir Gott danken vor dem Essen, oder weil wir uns bei bestimmten Themen zurückhalten oder unsere Meinung dazu sagen. Auch werden wir als Christen beobachtet und es kann schon passieren, dass wir irgendwann gesagt bekommen: "Dass sie als so etwas tun, überrascht mich sehr!". Ja, oft weiß die Welt besser, was zu einem Christen passt als die sogenannten Christen selber. Daher wenden sich auch viele ab.

Im 1. Petrusbrief gibt es eine Bibelstelle die ich sehr treffend finde: "Hierbei befremdet es sie, dass ihr nicht mehr mitlauft in demselben Strom der Heillosigkeit, und sie lästern" 1. Petr. 4,4. Ein Licht kann nicht verborgen bleiben. Dass mein Leben auch dieses Zeugnis hat ist mir persönlich viel wichtiger, als tolle Aufkleber und Sprüche.

Jemand hatte in seinem Auto den Aufkleber: "Du fährst mit mir auf eigenes Risiko: Wenn Jesus kommt bin ich weg!", und jemand anders hatte auf seinem Koffer das Wort "EWIGKEIT" stehen und gar mancher schaute unruhig auf das Wort. Wenn das verbunden ist mit einem lebendigen und freudigen Glauben, mag es i.O. sein, aber die Echtheit unseres Wandels ist ausschlaggebend.

José
Bibelzitate sind, wenn nicht anders angegeben, nach der rev. Elberfelder (PC-Ausgabe)

Der Pilgrim
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Registriert: 05.02.2011 12:40

Beitrag von Der Pilgrim »

José, es tut mir leid, sollte der Threadtitel unglücklich gewählt sein. Mit "Heuchlerisch" versuchte ich das provokante Bekennen zu bezeichnen, welches ausschließlich dazu zu dienen scheint, Ausmerksamkeit oder Anerkennung zu erhaschen.

Auf jeden Fall haben mir eure Beiträge sehr geholfen. Danke vielmals ! $:D

Aber mit
Zeugendienst [...] von Haus zu Haus
asoziiere ich und die meisten anderen wahrscheinlich auch etwas ganz bestimmtes, deswegen würde ich es als nicht förderlich einstufen, da es leicht zu Missverständnissen kommen könnte :wink:
Simon W.

Jose
Beiträge: 978
Registriert: 29.05.2010 19:23

Zeugendienst

Beitrag von Jose »

Lieber Simon.
Ich kenne eine, zwischenzeitlich sehr alte Schwester, der es sehr am Herzen lag, jemand möge kommen und gerade in den Hochhäusern ihrer Stadt den vielen Menschen von Jesus erzählen. Irgendwann vernahm sie aber den Auftrag Gottes: Gehe du!

Und sie ging, mit Gottes Gnade. Sie klopfte an den Türen, gab den Menschen ein Zeugnis, lud sie ein und gab ihnen auch christliche Schriften zu lesen. Ein Prediger in unserer Gemeinde ist eine Frucht ihres Dienstes. Er und seine Frau hatten dadurch die Einladung Gottes vernommen und taten Buße. Sie sind aber nicht die einzige Frucht des treuen Dienstes dieser Schwester.

Ich bin Gott sehr dankbar für solche Menschen, die den inneren Ruf und Auftrag haben, solch einen Zeugendienst zu tun. Andere gehen in Gefängnisse, Krankenhäuser oder Altersheime und sind hier Diener Gottes. Andere gehen in die Fußgängerzonen und verteilen Schriften. Wiederum andere gehen in die Mission in andere Länder, weil es ihnen Gott so aufs Herz gelegt hat und durch deutliche Führungen und Fügungen bestätigt hat.

Es gibt viele Möglichkeiten, von Jesus zu zeugen. Wichtig ist, dass wir dabei nicht eigenmächtig handeln, sondern aus Liebe zu den Menschen und unter Gottesleitung und Seiner Kraft stehen.

Herzliche Grüße,
José

Lydia
Beiträge: 49
Registriert: 14.05.2009 14:46

Re: Bekennen oder Heucheln?

Beitrag von Lydia »

Die Frage ist ja, welche Schriftverse dieses Pärchen zur Untermauerung ihrer Kleidung bemüht.
Als Frau ziehe ich mich weiblich an, um die Schöpfungsordnung Gottes zu betonen und evtl ein kleines Zeichen gegen den Gender Wahn zu setzen.
Jedoch gibt es laut Bibel keine Stelle, dass man sich vernachlässigt kleiden soll.
Also ist es eher ein falsch verstandenes Problem oder aus Tradition.
Ein Kreuz würde ich mir niemals umhängen und finde auch in der Bibel keine Aufforderung zu so etwas.

Ich bin sehr dafür, seinen Glauben mit Gottes Hilfe zu bezeugen, jedoch sollte man immer verstehen, warum man etwas tut und wo es sich in den Lehrbriefen als Anweisung für heutige Christen findet. Ansonsten kann ich das nicht so wirklich ernst nehmen.

Das Tragen von T-Shirts, wahrscheinlich meinst Du evangelistisch würde ich höchstens sehr dezent.
Wir sollen allezeit Rede uch Antwort stehen, wenn man gefragt wird und wenn es sich im Gespräch ergibt, aber zwanghaft die Botschaft jemanden aufs Auge drücken, nicht unbedingt.

Der Geist Gottes macht in erster Linie normal und nicht in irgendeiner Hinsicht sonderbar...

Liebe Grüße
Lydia

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