Hallo Jose.
Ja, oft werden Bibelworte, die im Kontext der Schrift für Gläubige gelten, an Ungläubige zur Bekehrung gesagt. Das fiel mir auch auf. Mir fällt dazu noch ein:
"heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht" (Hebräer 3,7-8). Auch das spricht Gläubige an und soll sie ermahnen und ist kein Bekehrungsruf an die Welt.
Die Verlorenen dürfen natürlich die Gemeinde besuchen. Aber schau doch nur mal historisch: Als die Gemeinde begründet wurde war sie verfolgt und unterdrückt. Auch in den späteren Jahrhunderten. Oder heute viele Geschwister in Russland. Man kann oft nicht einfach wild alle möglichen Leute einladen und sagen "schau mal vorbei". Es gibt Gegenden, wo es lebensgefährlich sein kann, Christ zu sein und die Gemeinde zu besuchen.
Und Namenschristen und Scheinbekehrten wie der Zauberer Simeon wurden sofort ermahnt um ihrer Sünde. Ananias und Saphira wurden damals noch sofort vom Herrn totgeschlagen wegen ihrer Heuchelei. Jesus Christus will seine Gemeinde rein erhalten und nicht Namenschristen und Scheinbekehrten vermischen lassen oder so, dass sie voller ungläubiger (= gotthassender) Besucher wird, die nur wegen den "netten sozialen Christen kommen". (Wenn ich Gemeindeleiter wäre - was ich nicht bin - würde ich mit diesen Personen immer wieder über ihr Seelenheil sprechen und dann mittelfristig zur Buße und Glauben rufen, und wenn sie nicht zum Glauben kommen ihnen auf Dauer den Gemeindebesuch nicht mehr gestatten. Die Gemeinde besteht nicht aus vielen ungläubigen "Besuchern", sondern aus wiedergeborene Kinder Gottes. Besucher düfen kommen, aber eben als das: Besucher. Kein Besucher bleibt dauerhaft. Er darf sehr gerne ein Familienmitglied werden, oder er soll mittelfristig wieder das Haus Gottes verlassen, weil er sich weigert, sich Christus zu unterwerfen. Dann bestünde die Versammlung Kindern Gottes und Gottlosen. Ich persönlich würde diese Vermischung des Tempel Gottes auf Dauer nicht dulden. Jeder bekäme als Besucher genügend Zeit, das Evangelium zu hören und Christus und die Jünger kennenzulernen, wenn er dann aber in dieser Zeit nicht zum Glauben findet, würde ich ihn vom weiteren Besuch ausschließen. Je mehr solcher ungläubiger regelmäßigen Besucher eine Kirche hat, führte das doch nur dazu, dass die Gemeinde sich immer mehr vermischt und verweltlicht und an Kraft verliert.)
Wo sollen denn die Verlorenen das Evangelium hören? Natürlich dort, wo sie eh schon sind, im Alltag. Die Leute haben doch im Alltag mit uns zu tun. Auch Arbeit, Nachbarschaft, oder eben auf der Straße oder den Märkten durch öffentliche Predigt / Evangelisation/ Traktaten / Büchertischen usw. Mich frustriert sehr oft die Einstellung der Christen: "Ach, ich lade die Person in die Gemeinde ein, dann wird sie dort schon irgendwie das Evangelium in der Predigt hören." Die Einstellung sollte aber sein: "Es ist
meine eigene Verantwortung, der Person selbst vom Evangelium zu sagen, und zwar in den Situationen, wo mich Gott mir ihr hingestellt hat." Man lädt zu oft die Verantwortung auf die Gemeinde ab und meint und lädt Leute ein und meint, das sei "Evangelisation".
Im Übrigen erlebe ich auch in meiner eigenen Gemeindegruppe, dass Besucher selten aktiv evangelisiert werden. Ich kann mich nur an ein einziges mal erinnern, dass ein muslimischer Besucher aktiv von mehreren über sein Seelnheil und Christus gesprochen wurde. Man ist halt sonst einfach "nett" und "sozial", aber es kommt selten vor, dass jemand aktiv die Verlorenen "nötigt, in das Reich Gottes zu gelangen" (aktive und engagierte Überzeugungsarbeit).
Die Gemeinde bräuchte dringend Zurüstung der Heiligen ,wie man das Evangelium an die Verlorenen verkündet. Aber genau das fehlt so oft. Man denkt, das sei nicht nötig. Aber ich erlebe fast keinen anderen Christen, der überhaupt sich bemüht, das Evangelium zu verkünden (ich meine jetzt persönlich im Gespräch). Auch einige Umfragen ergaben ja, dass ganz, ganz wenige Christen überhaupt andere aktiv evangelisieren. Das ist ein schrecklicher Zustand.
Das "in die Gemeinde einladen" führt in Gemeinde auch oft zu guten sozialen und freundschaftlichen Kontakten, so dass sich die Menschen mehr mit der Gemeinde und den Christen verbinden als mit Christus. Man findet alle so nett und will dazugehören, also lässt man sich taufen ("Freundschafts- und Beziehungsevangelisation"). So entstehen viele Scheinbekehrungen.
Ich meine, die Gemeinde ist primär zur Erbauung der Christen da, damit sie dann draußen Zeugnis geben können.
In 1. Korinther 14 scheint es auch so, als wäre die Gegenwart von Unerlösten eher eine Ausnahme in der ekklesia:
"23 Wenn nun die ganze Gemeinde am selben Ort zusammenkäme, und alle würden in Sprachen reden,
und es kämen Unkundige oder Ungläubige herein, würden sie nicht sagen, dass ihr von Sinnen seid?
24 Wenn aber alle weissagten, und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger herein, so würde er von allen überführt, von allen erforscht;
25 und so würde das Verborgene seines Herzens offenbar, und so würde er auf sein Angesicht fallen und Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig in euch ist."
So, noch mal: Ich will nicht sagen, Ungläubige dürfen nicht kommen, nein nein! Sie mögen gerne kommen! Ich bin nur sehr dagegen, dass man diese Gemeindebesuche als "evangelistisches Mittel" sieht, sofern in der Gemeinde dann nicht wirklich ernsthaft versucht wird, den Menschen vom Heil zu überzeugen. Aber oft sind die Christen dann einfach nur "nett" und "sozial", freuen sich über neue Besucher und wollen keinen Anstoß geben. So redet man nicht über Sünde, Gerechtigkeit und Gericht. Dann kommen die Leute immer wieder, werden schon fast ein Teil der sozialen Gruppe, und dass sie immer noch verloren sind verliert dann fast an Gewicht.
Viele moderne Gemeinden bestehen wegen solchen Praktiken schon fast aus mehr halbbekehrten Besuchern und scheinbekehrten Mitgliedern als aus wiedergeborenen Kindern Gottes. Dann ist es auch kein Wunder, wenn Rock and Roll Musik eingeführt werden soll, um das Fleisch zu befriedigen.
PS: Vielleicht mögen mich jetzt einige nicht, weil ich so denke. Aber ich meine schon, das dies biblisch richtiger ist als eine offene "Einladung an jeden und alle". Wie gesagt, in Russland oder China können es sich die Untergrundkirche auch nicht leisten, einfach jeden einzuladen. Ich nehme an, dort wird also auch anders - nämlich draußen - aktiv evangelisiert, im Alltag.