Reformation heute 95.Thesen zur Situation von Kirche und

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Joschie
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Reformation heute 95.Thesen zur Situation von Kirche und

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Reformation heute. 95 Thesen zur Situation von Kirche und Gesellschaft

Aufruf zur Umkehr
1. Wenn unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: "Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen" (Matthäus 4, 17), will er, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.
2. Diese Buße beginnt mit einer Neubesinnung und Trauer über das bisherige falsche Verhalten sowohl des Einzelnen als auch der Kirchen als Gesamtheit.
3. Wenn die Buße ernsthaft ist, führt sie dazu, daß der Einzelne und die Kirchen das falsche Verhalten, die Sünde hassen und lassen - nicht aus eigener Kraft, sondern durch die Gnade und Kraft Jesu Christi.
4. Gott verheißt dem Bußfertigen Vergebung und Neuanfang: "Siehe, wenn ich den Himmel verschließe, daß es nicht regnet, oder die Heuschrecken das Land fressen oder eine Pest unter mein Volk kommen lasse und dann mein Volk, über das mein Name genannt ist, sich demütigt, daß sie beten und mein Angesicht suchen und sich von ihren bösen Wegen bekehren, so will ich vom Himmel her hören und ihre Sünde vergeben und ihr Land heilen" (2. Chronik 7,13 f.).
Die gegenwärtige gesellschaftliche Situation
5. Der Einzelne gefällt sich heute aber in vielerlei Sünden wie z. B. Gottlosigkeit, Hochmut, Lieblosigkeit, Okkultismus, Ungehorsam, Abtreibung, Unzucht, Ehebruch, homosexuellen Praktiken, Drogenmißbrauch, Lüge, Geiz und Diebstahl (vgl. 2. Mose 20,2-17; Römer 1,18-31; l. Korinther 6,9; Galater 5,19-21).
6. Freilich wurden solche Sünden zu allen Zeiten begangen, aber heute werden viele von ihnen öffentlich geduldet und auf das Podest gestellt. "Sie tun es nicht nur, sondern haben auch Gefallen an denen, die es tun" (Römer 1, 32).
7. In vielen Staaten sind die Gesetze aufgeweicht oder abgeschafft worden, die Gotteslästerung, Pornographie, Abtreibung, Euthanasie, homosexuelle Praktiken, Drogenmißbrauch und ähnliches verboten haben.
8. Eine Gesellschaft, die Handlungen duldet oder sogar öffentlich fördert, welche die Heilige Schrift als "Sünde" und "Greuel" in den Augen Gottes bezeichnet, gräbt sich ihr eigenes Grab. Sie wird gerichtsreif. "Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben" (Sprüche 14,34).
9. Viele Staaten gleichen heute dem Römischen Reich vor seinem Untergang: Die innere Ursache seines Zerfalls war die sittliche Dekadenz.
10. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch heute Staats- und Gesellschaftssysteme, die sich gegen Gottes Gebote stellen, zerfallen.

Das Versagen der Kirchen
11. In dieser Situation müßten die Kirchen (Landes- bzw. Kantonal- und Freikirchen) vor Ort und weltweit ihren Auftrag wahrnehmen, "Licht" und "Salz" zu sein und sich dieser Entwicklung entgegenzustellen (Matthäus 5,13-16; Römer 12,2; Epheser 5,11).
12. Tun sie dies nicht, dann stehen sie unter dem Gericht, das Gott über den untreuen Wächter ausspricht: "Wenn ich dem Gottlosen sage: Du mußt des Todes sterben! und du warnst ihn nicht und sagst es ihm nicht, um den Gottlosen vor seinem gottlosen Wege zu warnen, damit er am Leben bleibe, - so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern" (Hesekiel 3,18).
13. Einzelne Personen und Gruppen innerhalb der Kirchen leisten dem Zeitgeist tapfer Widerstand, aber verschiedene Kirchen als Gesamtheit in vielen Staaten fallen immer mehr von ihrer Bestimmung ab, das Evangelium zu verkünden und Gottes Gebote zu verteidigen.
14. Den Ideologien des Zeitgeistes ausgeliefert, verliert eine Kirche ihre Orientierung.
15. Eine orientierungslose Kirche aber kann dem Einzelnen keine Orientierung mehr geben.

Die Preisgabe der Heiligen Schrift
16. Die Orientierungslosigkeit begann mit der Preisgabe der Grundlage allen Glaubens und Erkennens, der Heiligen Schrift.
17. Die Heilige Schrift ist zwar äußerlich in vielen Kirchen noch in Gebrauch, aber sie wird häufig der Tyrannei der autonomen, selbstherrlichen Vernunft unterworfen, welche sie kritisch in ihre Bestandteile zerlegt und Gottes Offenbarung leugnet.
18. Zu Recht betet Zinzendorf: "Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn? Mir ist's nicht um tausend Welten, aber um dein Wort zu tun."
19. Da die Kirche aus reformatorischer Sicht eine "Schöpfung des Wortes Gottes" ist, hört sie dann auf, Kirche zu sein, wenn sie das Wort Gottes preisgibt.
20. Wenn das Wort Gottes preisgegeben wird, braucht man sich über die Folgen nicht zu wundern: Auf die Preisgabe des Wortes Gottes folgt die Preisgabe der Inhalte des Wortes - und das heißt: die Auflösung biblischer Lehre und biblischen Lebens.

Die Auflösung der biblischen Lehre von Gott
21. Die Auflösung biblischer Lehre beginnt mit der Auflösung des biblischen Verständnisses von Gott. Entgegen den klaren Aussagen der Heiligen Schrift werden von vielen "Theologen" Gottes dreieiniges Wesen und seine Allmacht, seine Heiligkeit und Gerechtigkeit geleugnet oder bis zur Unkenntlichkeit umgedeutet.
22. Wer bestreitet, daß sich die in der Bibel bezeugten Wunder und Prophezeiungen wirklich ereignet haben oder noch ereignen werden, stellt sich Gott als machtloses Prinzip - bildlich gesprochen: "ohne Arme und Beine" - vor. Ein solcher "Gott" aber ist ein selbstgemachter Götze, ein Gott rationalistischer Philosophen, aber nicht der "Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs", der Vater Jesu Christi (Blaise Pascal).

Die Auflösung der biblischen Lehre von Christus
23. Wenn heute von "Theologen" behauptet wird, Jesus Christus sei nur ein Mensch, Sozialrevolutionär, Friedensprediger, Befreier oder ähnliches, aber nicht Gott - und weiter: er sei weder von einer Jungfrau geboren noch leibhaftig von den Toten auferstanden noch gen Himmel gefahren noch werde er leibhaftig sichtbar wiederkommen in Macht und Herrlichkeit - und weiter: sein Tod am Kreuz könne uns nicht von unseren Sünden erlösen, so ist dazu folgendes festzustellen: nämlich daß der im vierten Jahrhundert nach Christus verurteilte bekannte Irrlehrer Arius besser gelehrt hat als manche "modernen Theologen", weil er Jesus immerhin noch als "übernatürlichen Lagos (Wort)" und nicht als bloßen Menschen betrachtete. Doch tragen alle Irrlehren die Tendenz in sich, im weiteren Fortschreiten der Geschichte eine Steigerung zu erfahren.
24. Gegen Arius und viele "moderne Theologen" ist zu sagen: Jesus Christus ist kein bloßer Mensch, kein Geschöpf Gottes, sondern wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich, der ewige Sohn Gottes, das heißt: Gott selber in der zweiten Person seiner Dreieinigkeit. "Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht" (l. Johannes 5,12; vgl. l. Johannes 2,22; 4,2 f.).

Die Auflösung der biblischen Lehre von Sünde und Erlösung
25. Wo die biblische Lehre von Christus entleert wird, wird auch die biblische Lehre von der Sünde und Erlösung entleert. Denn ein "machtloser" Christus hat auch keine Macht, uns von Sünde, Tod und Teufel zu erlösen.
26. Als Folge wird entweder die Sünde verharmlost und die Gültigkeit der Gebote Gottes geleugnet - oder es wird die Erlösung ganz oder teilweise in die Hand des Menschen selber übergeben (Selbsterlösung oder Synergismus).
27. Die Verharmlosung oder Leugnung der Sünde im biblischen Sinne zeigt sich heute in verschiedenen Auffassungen in Gesellschaft und Kirche, z. B. in den Behauptungen, praktizierte Homosexualität sei weder sündhaft noch krankhaft, Pornographie, Abtreibung und Euthanasie seien nicht zu verurteilen und die Freigabe von Drogen würde helfen, die Kriminalität einzudämmen. Aber "wehe denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen" (Jesaja 5, 20).
28. Die Selbsterlösung wird offen oder versteckt in verschiedenen "Modetheologien" propagiert, z. B. in einer feministischen Blut-"Theologie", die das Heil aus den Kräften der Frau und ihrem Menstruationsblut anstatt von Jesus Christus erwartet, in einer Befreiungs- und Revolutions-"Theologie", die ihre Hoffnung auf die Kraft gesellschaftlicher Gruppen und deren revolutionären Kampf richtet, und in einer Psycho-"Theologie", die Heilung aus der Kraft des menschlichen Selbst und entsprechenden Techniken erhofft, welche der Selbstverwirklichung dienen sollen.
29. Aber nach wie vor gilt, daß "in keinem anderen" als Jesus Christus "das Heil ist, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden" (Apostelgeschichte 4, 12).

Das Eindringen fremder Geister in den Raum der Kirchen
30. Je mehr eine Kirche sich dem Zeitgeist anpaßt, desto mehr steht sie in der Gefahr, nicht nur den Geist Gottes aus ihrer Mitte zu vertreiben, sondern auch fremde Geister durch die Hintertür hereinzuholen.
31. Diese fremden Geister herrschen in den Ideologien und Religionen dieser Welt (Epheser 6, 12).
32. Wenn behauptet wird, die fremden Geister seien identisch mit dem Geist Gottes, so zeigt dies die große Verfinsterung unserer Zeit auf. Denn es gilt: "Was die Heiden opfern, das opfern sie den Dämonen und nicht Gott" (l. Kor. 10, 20).
33. Wenn bei interreligiösen "Gebetstreffen" immer wieder der "Geist von Assisi" (d.h. des "Friedensgebets der Religionen" in Assisi im Jahr 1986) beschworen wird, so sollten die Veranstalter dieser Treffen auf die damals der Christenheit gegebene Jahreslosung hören: "Ich bin der HERR, dein Gott ... Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" (2. Mose 20, 2 f.).

Die Verweltlichung der Kirchen
34. Viele Menschen, unter ihnen manche Politiker, warten auf ein klärendes Wort der Kirchen von der Heiligen Schrift her.
35. Je "zeitgemäßer" und "weltoffener" aber eine Kirche sein will, desto mehr steht sie in der Gefahr, ihr eigentliches Wort zu vergessen, das sie einer weithin atheistischen und verunsicherten Bevölkerung schuldet.
36. Eine Kirche, die sich den Geistern der Zeit und den Tagesparolen der Politik von rechts oder links anpaßt, kann nicht mehr verändernd in die Welt hineinwirken, sondern wird vom Sog der Welt fortgerissen. Sie verfällt der Verweltlichung und macht sich selber überflüssig.
37. Der Ausweg kann nur darin liegen, Buße zu tun, ganz neu auf das Wort Gottes zu hören, das uns in Gestalt der Heiligen Schrift gegeben ist, und dieses der Welt zuzurufen in Wort und Tat.

Das Verhalten der Gläubigen angesichts des gegenwärtigen Gerichts
38. Daß vielen Kirchen heute die Kraft und Eindeutigkeit für biblisch verankerte Lehr- und Lebensäußerungen fehlt, ist bereits Gericht Gottes (1. Petr. 4, 17) und Auswirkung des endzeitlichen Abfalls vom rettenden Glauben (Matth. 24, 12; 2. Thess. 2,3).
39. Eine Kirche, die zunehmend zur Hure wird, stellt sich immer mehr der Welt gleich, vermischt heidnische Götzen mit dem Gott der Bibel, strebt nach Geld, Macht und weltlicher Anerkennung, achtet die Gebote Gottes und die Erlösung durch Jesus Christus gering und bringt die wahren Gläubigen zunehmend in Bedrängnis (Offenbarung 17 f.).
40. Dennoch sind die Gläubigen aufgerufen, weiterhin zu glauben, zu lieben und zu hoffen sowie für ihre Verleumder und Verfolger zu beten, damit auch diese zur Buße finden (Matthäus 5, 44).
41. Vor allem aber sind die Gläubigen aufgerufen, dem Herrn und Heiland Jesus Christus treu zu bleiben, jedem Geist der Vermischung und Weltanpassung zu widerstehen und möglichst viele Menschen in die Nachfolge Jesu Christi zu rufen: "Darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker" (Matthäus 28, 19).

Das Festhalten am Missionsauftrag
42. Der Missionsauftrag läuft zur Verführung parallel und wird erst enden, wenn Jesus wiederkommt in Macht und Herrlichkeit (Matthäus 24, 14). Mission (im Sinne der Bekehrung Ungläubiger zu Jesus Christus) ist die positive Antwort der Gläubigen auf die zahlreichen Verführungen.
43. Mission ist der Lebensatem der Kirche. Ohne Mission stirbt die Kirche ab. Es gibt nur die Alternative "Mission oder Tod" (Otto Riecker).
44. Wo eine Kirche als Gesamtheit den Missionsauftrag nicht mehr wahrnehmen will oder kann, sind die einzelnen Gläubigen aufgerufen, durch freie Gründungen oder Unterstützung bibeltreuer Missionswerke diesen Dienst zu tun.
45. Durch den Dienst bibeltreuer Missionswerke können neue Gemeinden und Kirchen entstehen, die gegebenenfalls die vom christlichen Glauben abgefallenen Kirchen ersetzen.

Die Frage des Kirchenaustritts
46. Der einzelne Gläubige ist aufgerufen, anhand der Heiligen Schrift selber zu prüfen, inwieweit seine Gemeinde und Kirche auf der Grundlage des Wortes Gottes steht oder nicht.
47. Wo er Abweichungen und Mißstände erkennt, soll er diese öffentlich in seiner Kirche benennen. Handelt es sich um schwerwiegende Mißstände und werden diese trotz mehrmaligen Protests nicht abgestellt, bleibt ihm nur entweder das Leiden oder der Kirchenaustritt. Solange es geht, sollte er allerdings nicht austreten, sondern "auftreten".
48. Die Mißstände können jedoch so groß werden, daß für einen Gläubigen aus Gewissensgründen und Gehorsam gegenüber dem Herrn Jesus Christus ein Austritt unausweichlich wird - nämlich dann, wenn eine Kirche als Gesamtheit Gesetze beschließt, die Irrlehre und Sünde gutheißen und verbindlich machen.
49. Tritt der Gläubige aus einer Kirche aus, die sich in ihren Grundartikeln und Lebensäußerungen sehr weit von der Heiligen Schrift entfernt hat, dann darf er gewiß sein, daß er nicht aus der Kirche Jesu Christi austritt, sondern nur aus einer Institution, die sich zu Unrecht noch "Kirche" nennt.
50. Die wahre Kirche (die Gemeinde Jesu Christi), die auch nicht vollkommen ist, aber deren Glieder sich doch um ein Leben aus der Kraft Christi und nach den Lehren der Heiligen Schrift bemühen, lebt außerhalb dieser Institution weiter und findet neue Formen ihrer Gemeinschaftsbildung. Nur für diese gilt: "Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen" (Matthäus 16,18).

Grundlagen einer Reformation der Kirche
51. Egal in welcher Kirche sich ein Gläubiger befindet - jede Kirche benötigt eine Reformation im Sinne einer geistlichen Erneuerung,. Diese kann immer nur beim Einzelnen beginnen: durch die Erkenntnis der persönlichen Schuld und Unfähigkeit und das alleinige Vertrauen auf die Gnade und Kraft Jesu Christi.
52. Allein Jesus Christus soll der Herr sein, nicht andere Herren, nicht Religionsstifter oder Ideologen.
53. Allein das Wort Gottes, das in der Bibel niedergelegt ist, soll gelten, nicht andere Worte, Offenbarungsquellen und Ideologien.
54. Allein aus Gnaden und durch den Glauben werden wir gerettet, nicht durch Selbsterlösungs-Techniken, Wiederverkörperungs-Vorstellungen und den frevelhaften Versuch, den umfassenden Heilszustand (Schalom) des zukünftigen Reiches Gottes durch die schwärmerische Erwartung eines aus eigener menschlicher Kraft errichteten Weltfriedensreiches vorwegzunehmen.
55. "Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen" (Artikel l der Barmer Theologischen Erklärung von 1934).

Wahre und falsche Einheit
56. Eine wahre Reformation im Sinne einer geistlichen Erneuerung führt über die Buße und Veränderung vieler Einzelner zu einer neuen Gemeinschaft im Geiste - zunächst unsichtbar, dann aber auch zunehmend sichtbar.
57. Die Zerrissenheit der Gläubigen in vielfach einander bekämpfende Gruppen und Grüppchen ist Ungehorsam gegenüber Gott, eine Schande vor der Welt und eine Lähmung des Missionsauftrags (vgl. Johannes 17,20 f.). Sie muß aber kein unüberwindliches Hindernis sein, wenn sich die Gläubigen auf das Zentrum des Evangeliums, die Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden, besinnen und ihre Einheit im Wesentlichen entdecken: "Im Wesentlichen Einheit, im Unwesentlichen Freiheit, über allem die Liebe."
58. Die durch Gottes Wort und Buße bewirkte Einheit der Gläubigen kann und wird keine Einheit auf Kosten der biblischen Wahrheit sein, sondern die Einheit in der Wahrheit Christi (Johannes 14, 6; 17, 11. 17: Epheser 2, 14).
59. Wahre Einheit umfaßt nur diejenigen, die an Jesus Christus glauben, die sein Wort als "die Wahrheit" behalten, die in der Welt, aber nicht von der Welt sind und die daher von der Welt gehaßt werden (Johannes 17). Falsche Einheit hingegen umfaßt die ganze Menschheit, "hurt" mit allen möglichen Ideologien und Religionen und verfolgt diejenigen mit Zwang, Terror und schließlich Gewalt, die Jesus Christus als einzigem Herrn, Erlöser und Friedensbringer die Treue halten (Offenbarung 13 und 17 f.).
60. Wahre Einheit schenkt Gott durch Missionierung und Evangelisierung aller Völker, durch den klaren Ruf zum rettenden Glauben und zur Lebensübergabe an Jesus Christus (Matthäus 28, 18-20; Johannes 17, 6 ff.). Falsche Einheit umgeht diesen Ruf zur Bekehrung, indem sie politische Probleme und Selbsterlösungsversuche einer sich als autonom verstehenden Menschheit in den Vordergrund stellt - einer Menschheit ohne Gott, welche "die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen hat zu ihrer Rettung" und ihre Zuspitzung im Antichristen findet, der "sich selbst in den Tempel Gottes setzt und vorgibt, er sei Gott" (2. Thessalonicher 2,4. 10).
61. Wahre Einheit duldet keine Irrlehre (Galater 1, 6-10; 2. Johannes 9-11; Judas 3 ff.). Falsche Einheit duldet Irrlehre und fördert sie infolge der Vermischung der Ideologien und Religionen sogar noch.

Die Erneuerung der Theologie
62. Für eine Reformation im Sinne einer geistlichen Erneuerung ist eine Erneuerung der Theologie notwendig.
63. Eine Erneuerung der Theologie kann es nur geben, wenn in der theologischen Ausbildung die Bibel wieder als das Wort Gottes emstgenommen wird und die menschliche Vernunft sich ihm in Respekt und Ehrfurcht unterordnet.
64. Eine bibeltreue Ausbildung - und das heißt: die Gründung und Anerkennung bibeltreuer Ausbildungsstätten (Schulen, Bibelschulen, Seminare, Studienhäuser, Akademien und Hochschulen) - ist daher unverzichtbar.

Die Praktizierung der Gemeindezucht
65. Viele Mißstände in Theologie und Kirche sind dadurch verursacht, daß weithin die Gemeindezucht nicht mehr praktiziert wird.
66. Gemeindezucht schließt die Bestrafung oder den Ausschluß solcher Personen ein, die öffentlich unbiblische Lehren und Lebensgewohnheiten in die Gemeinden hineintragen (1. Korinther 5; 2. Johannes 9-11).
67. Wenn Gemeindezucht wirksam sein soll, muß sie alle Ebenen der kirchlichen Hierarchie (Rangordnung) erreichen und darf auch vor Gemeindeältesten, Synodalen und Kirchenführern nicht Halt machen, wo die Verführung von ihnen ausgeht oder unterstützt wird.
68. Denn "ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig" (1. Korinther 5,6)- und das gilt um so mehr, wenn es sich bei diesem "Sauerteig" um Personen in einflußreicher Stellung handelt.

Der Auftrag des einzelnen Gläubigen
69. Jeder einzelne Gläubige ist aufgerufen, das "allgemeine Priestertum" (vgl. 1. Petrus 2, 9) zu praktizieren, und das heißt: sein Mandat als Christ zur Prüfung von Lehre und Leben anhand der Heiligen Schrift wahrzunehmen.
70. Dazu gehört auch der Auftrag, dem Zeitgeist Widerstand zu leisten und bei unbiblischen Entwicklungen nicht zu schweigen. "Nicht mit Gewalt, sondern mit dem Wort" kämpfen wir (Martin Luther).
71. Jeder einzelne Gläubige ist eingeladen, durch Bibellese und Gebet täglich in der Verbindung mit Gott zu bleiben und sich Stärkung und Korrektur schenken zu lassen.
72. Er ist aufgerufen, die Botschaft von Jesus Christus so, wie die Bibel sie uns vermittelt, ohne Einschränkungen, Abstriche und Hinzufügungen zu verkündigen.
73. Er ist aufgerufen, die Bibel auch in ihren ethischen und dem Zeitgeist widersprechenden Aussagen emstzunehmen und danach zu leben.
74. Er ist aufgerufen, einen erwecklich-missionarischen Gemeindeaufbau zu betreiben bzw. an einem solchen mitzuwirken.
75. Er ist aufgerufen, sich hinter kirchliche Mitarbeiter, z. B. Pastoren, zu stellen, die wegen ihrer bibeltreuen, erwecklichen Verkündigung Probleme mit ihrer Kirchenleitung bekommen und von ihr ausgegrenzt oder entlassen werden.
76. Er ist aufgerufen. Geldsammlungen und Steuererhebungen seine Unterstützung zu entziehen, die für evangeliumswidrige Zwecke eingesetzt werden.
77. Er ist aufgerufen, bei bibeltreuen Werken, Veranstaltungen, Schulen, Akademien, Pressediensten, Rundfunkstationen usw. mitzuarbeiten oder sie zu unterstützen.

Der Auftrag der Kirchen
78. Die Kirchen sind aufgerufen, sich einzig und allein an der Bibel als dem Wort Gottes zu orientieren und jeder unbiblischen Lehre zu wehren, um vielen Einzelnen und der Gesellschaft Orientierung vermitteln zu können.
79. Sie sind aufgerufen, einem missionarischen Gemeindeaufbau mehr Raum zu ermöglichen, als es bisher an vielen Orten geschieht.
80. Sie sind aufgerufen, bibeltreuen Mitarbeitern, z. B. Pastoren, ihr Lebens- und Wirkungsrecht zu belassen oder zu erweitern und sie nicht mit Sanktionen oder Ausschluß zu bedrängen.
81. Sie sind aufgerufen, keine Zwangskollekten für Veranstaltungen zu verlangen, die bibeltreue Christen nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können.
82. Sie sind aufgerufen, klare Worte zu ethischen Fragen, etwa zu Ehe und Familie, Abtreibung, Euthanasie und Homosexualität zu sagen, und zwar im Einklang, nicht im Widerspruch zur Heiligen Schrift.

Der Auftrag von Staat und Gesellschaft
83. Der Staat ist nicht identisch mit der Kirche (vgl. Johannes 18,36). Dennoch kann es ihm nur von Nutzen und zum Segen sein, wenn er grundlegende biblische Maßstäbe beachtet und befolgt, welche ihm durch die Kirchen eigentlich vermittelt werden sollten (was leider in vielen Staaten immer weniger geschieht).
84. Solche grundlegenden biblischen Maßstäbe liegen insbesondere in Form der Zehn Gebote (2. Mose 20,2-17) vor.
85. Werden solche Maßstäbe nicht mehr ernstgenommen, dann treten Chaos und Anarchie ein.
86. Manche gesellschaftlichen Gruppen und Parteien in zahlreichen Staaten fördern Chaos und Anarchie, indem sie die in den Zehn Geboten wiedergegebenen göttlichen Grundordnungen offen oder verdeckt bekämpfen.
87. Die Heilige Schrift kennzeichnet solche Menschen mit folgenden Worten: "Das sollst du aber wissen, daß in den letzten Tagen böse Zeiten kommen werden. Denn die Menschen werden nur sich selbst, ihr Geld und ihre Ehre lieben. Sie werden sich selbst groß machen und Gott lästern. Sie werden ihren Eltern nicht gehorchen, undankbar sein und alles Heilige in den Schmutz ziehen. Sie werden sich anderen gegenüber lieblos und unversöhnlich, verleumderisch und unbeherrscht verhalten. Verräter sind sie. Frevler und eingebildete Narren. Sie lieben die Lüste mehr als Gott, täuschen Gottesfurcht vor und rechnen doch nicht mit seiner Macht ... Sie sind mit Sünden beladen und von mancherlei Begierden getrieben. Immer sind sie auf neue Lehren aus und kommen nie zur Erkenntnis der Wahrheit" (2. Tim. 3,1-7).
88. In vielen Staaten sitzen solche Menschen, die Vorläufer des "Menschen der Gesetzlosigkeit" (2. Thessalonicher 2,3), bereits an den Schalthebeln der Macht oder streben danach. Sie bekommen immer mehr Einfluß in Politik, Rechtsprechung, Massenmedien, Hochschulen, Schulen und Kirchen.
89. Politiker, Juristen, Journalisten, Lehrer und Kirchenleute sowie Menschen in allen Berufen sind aufgerufen, diesem "Marsch durch die Institutionen", dieser Unterwanderung, Widerstand zu leisten durch Gebet und Arbeit im biblisch-christlichen Sinn.
Ausblick
90. Die gegenwärtigen Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft sind in der Heiligen Schrift vorausgesagt.
91. Sie kennzeichnen die Zeit, wenn Satans antichristlicher Weltherrscher auftreten wird.
92. Jesus Christus aber wird wiederkommen in Macht und Herrlichkeit und dem "Menschen der Gesetzlosigkeit" ein Ende machen (2. Thessalonicher 2, 8).
93. Da wir aber nicht wissen, wann Jesus wiederkommt, gilt es zu wirken, solange es Tag ist.
94. Wir wirken für Jesus Christus und den Bau seiner Gemeinde aus Dankbarkeit für sein stellvertretendes Opfer am Kreuz und in Liebe zu Ihm - in der Gewißheit, daß Ihm der Sieg gehört.
95. "Aber der feste Grund Gottes besteht und hat dieses Siegel: Der HERR kennt die Seinen; und: Es lasse ab von Ungerechtigkeit, wer den Namen des HERRN nennt" (2. Timotheus 2,19). Amen.

Anmerkung

Die neuen "95 Thesen" wurden an Martin Luthers 450. Todestag (18.2.1996) von Dr. Lothar Gassmann verfaßt. Im deutschsprachigen Europa haben innerhalb weniger Wochen 33 christliche Organisationen durch ihre Unterschrift ihre Übereinstimmung mit deren Inhalt bekundet. Bei einer internationalen Pastoren-Konferenz Anfang März 1996 bei Durban/Südafrika lagen sie in leicht überarbeiteter Form bereits in englischer Sprache vor. Die rund 1.000 anwesenden Pastoren und Kirchenführer aus 14 Ländern und über 50 Denominationen nahmen sie einmütig als Resolution an und beschlossen, sie in alle wichtigen Sprachen zu übersetzen und weltweit zu verbreiten.
Am 27.10.1996 wurden sie - wie Luthers Thesen im Jahre 1517 - unter großer Beteiligung der Gläubigen an die Schloßkirche in Wittenberg angeschlagen als symbolischer Akt und Ruf zur Umkehr. Danach wurden sie allen Bischöfen und Kirchenpräsidenten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz übersandt, verbunden mit dem Aufruf zur Disputation (öffentliche Diskussion) und zur Beseitigung der kirchlichen missstände. Der Thesenanschlag und die Referate des damit verbundenen Berliner Kongresses "Reformation heute" sind in Wort und Bild dokumentiert in dem Buch "Ruf zur Umkehr. Neue 95 Thesen und die Folgen" sowie in dem Film "Reformation heute" (Film erhältlich bei Dr. Lothar Gassmann). Zur Jahrtausendwende lagen Übersetzungen der Thesen in mindestens 30 Sprachen und Veröffentlichungen in über 100 Staaten der Erde vor. Wie eine Brandfackel sind die neuen 95 Thesen innerhalb kurzer Zeit um die Erde gelaufen und haben das Gewissen vieler Menschen aller Nationalitäten und Hautfarben entzündet. Angesichts der kirchlichen und gesellschaftlichen Situation am Anfang des dritten Jahrtausends ist ihre Botschaft aktueller denn je.

Wer den Thesen zustimmen kann, darf sie gerne unverändert verbreiten.


Auch wenn der Reformationstag noch etwas entfernt ist dazu einige Fragen1.Brauchen wir eine neue Reformation.2.Wer und was ist reformbedürftig.3.Was haltet ihr vom diesen Thesenpapier.
Gruß und Segen von Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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Beitrag von Joschie »

Hallo Ihr
Der Reformationstag ist nicht mehr fern darum setze ich die 95.Thesen mal rein.

Fünfundneunzig Thesen
Martin Luther
95 Thesen des Theologen Dr. Martin Luther


Aus Liebe und rechtem Fleiß, die Wahrheit an den Tag zu bringen, wird unter dem Vorsitz des Ehrwürdigen Vaters Martin Luther, der freien Künste und heiligen Theologie Magister und derselbigen ordentlichen Lehrers, zu Wittenberg über folgende Sätze disputiert werden. Darum bittet er, daß diejenigen, so gegenwärtig sich mit uns davon nicht unterreden können, solches abwesend durch Schrift tun mögen. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi. Amen.
1.
Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: Tut Buße etc., will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine (stete) Buße sei.
2.
Und kann noch mag das Wort Buße nicht vom Sakrament der Buße, das ist, von der Beichte und Genugtuung, so durch der Priester Amt geübet wird, verstanden werden.
3.
Jedoch will er nicht allein verstanden haben die innerliche Buße; ja die innerliche Buße ist nichtig und keine Buße, wo sie nicht äußerlich allerlei Tötung des Fleisches wirket.
4.
Währet derhalben Reue und Leid, das ist wahre Buße, so lange einer Mißfallen an sich selber hat, nämlich bis zum Eintritt aus diesem in das ewige Leben.
5.
Der Papst will noch kann nicht irgend andere Strafe erlassen außer der, welche er nach seinem Gefallen oder laut der Canones, das ist der päpstlichen Satzungen, auferlegt hat.
6.
Der Papst kann keine Schuld vergeben als allein sofern, daß er erkläre und bestätige, was von Gott vergeben sei, oder aber, daß er es tue in den Fällen, die er sich vorbehalten hat, und wenn dies verachtet würde, so bliebe die Schuld ganz und gar unaufgehoben.
7.
Gott vergibt keinem die Schuld, den er nicht zugleich durchaus wohl gedemütigt dem Priester, seinem Statthalter, unterwerfe.
8.
Canones poenitentiales, das ist, die Satzungen, wie man beichten und büßen soll, sind allein den Lebendigen aufgelegt und sollen laut derselben Satzungen den jetzt Sterbenden nicht aufgelegt werden.
9.
Daher tut uns der heilige Geist wohl am Papst, daß der Papst allewege in seinen Dekreten ausnimmt den Artikel des Todes und die äußerste Not.
10.
Die Priester handeln unverständig und übel, die den sterbenden Menschen Poenitentias canonica, das ist auferlegte Buße ins Fegefeuer, daselbst denselben genug zu tun, sparen und behalten.
11.
Dieses Unkraut, daß man die Buße oder Genugtuung, so durch die Canones oder Satzungen auferlegt ist, in des Fegefeuers Buße oder Pein sollte verwandeln, ist gesäet worden, da die Bischöfe geschlafen haben.
12.
Vor Zeiten wurden Canonicae poenae, das ist auferlegte Buße oder Genugtuung für begangene Sünden nicht nach, sondern vor der Absolution auferlegt, dabei zu prüfen, ob Reue und Leid rechtschaffen wäre.
13.
Die Sterbenden tun durch ihren Tod oder Absterben für alles genug und sind dem Rechte der Canones oder Satzungen abgestorben und also billig von Auflegung derselben entbunden.
14.
Unvollkommene Frömmigkeit oder Liebe des Sterbenden bringt notwendig große Furcht mit sich; ja diese ist um so größer, je geringer jene ist.
15.
Diese Furcht und Schrecken, daß ich anderer Dinge schweige, genügt an sich selber, daß sie des Fegefeuers Pein anrichte, dieweil sie der Angst der Verzweiflung ganz nahe ist.
16.
Hölle, Fegefeuer und Himmel scheinen also von einander verschieden zu sein wie die rechte Verzweiflung, unvollkommene Verzweiflung und Sicherheit.
17.
Es scheint, als müsse im Fegefeuer, gleichwie die Angst an den Seelen abnimmt, also auch die Liebe an ihnen zunehmen.
18.
Es scheint unerwiesen zu sein, weder durch Gründe noch durch die Schrift, daß sie außer dem Stande des Verdienstes oder des Zunehmens an der Liebe seien.
19.
Es scheint auch dies unerwiesen zu sein, daß sie ihrer Seligkeit gewiß und unbekümmert seien, ob wir schon des ganz gewiß sind.
20.
Derhalben versteht der Papst unter der vollkommenen Vergebung aller Strafen nicht, daß insgeheim alle Strafe vergeben werden, sondern nur die, so er selbst aufgelegt hat.
21.
Daher irren die Ablaßprediger, die da sagen, daß durch des Papstes Ablaß der Mensch von aller Strafe los und selig werde.
22.
Ja, der Papst erläßt den Seelen im Fegefeuer keine Strafe, die sie hätten in diesem Leben laut der Canones büßen und bezahlen müssen.
23.
Wenn einem irgend eine Vergebung aller Strafe gegeben werden kann, so ist's gewiß, daß sie allein den Vollkommensten, das ist gar wenigen, gegeben werde.
24.
Darum muß der größte Teil unter den Leuten betrogen werden durch die prächtige Verheißung von der bezahlten Strafe, wobei gar kein Unterschied gemacht wird.
25.
Gleiche Gewalt, wie der Papst hat über das Fegefeuer insgemein, haben auch ein jeder Bischof und Seelsorger in seinem Bistum und seiner Pfarrei insbesondere.
26.
Der Papst tut sehr wohl daran, daß er nicht aus Gewalt des Schlüssels (den er nicht hat), sondern durch Hilfe und fürbittweise den Seelen Vergebung schenkt.
27.
Die predigen Menschentand, die da vorgeben, sobald der Groschen im Kasten klinge, führe die Seele von Stund an aus dem Fegefeuer.
28.
Das ist gewiß, sobald der Groschen im Kasten klingt, daß Gewinn und Geiz kommen, zunehmen und größer werden; die Hilfe aber und Fürbitte der Kirche steht allein in Gottes Willen und Wohlgefallen.
29.
Wer weiß auch, ob alle Seelen im Fegefeuer also wollen erlöst sein, wie es mit St. Severin und Paschalis soll zugegangen sein.
30.
Niemand ist des gewiß, daß er wahre Reue genug habe; viel weniger kann er gewiß sein, ob er vollkommene Vergebung der Sünden bekommen habe.
31.
Wie selten einer ist, der wahrhaftige Reue und Leid habe, so selten ist auch der, der wahrhaftig Ablaß löst, das ist, es ist gar selten einer zu finden.
32.
Die werden samt ihren Meistern in die ewige Verdammnis fahren, die da vermeinen, durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein.
33.
Vor denen soll man sich sehr wohl hüten und vorsehen, die da sagen, des Papstes Ablaß sei die höchste und werteste Gottesgnade und Geschenk, dadurch der Mensch mit Gott versöhnt wird.
34.
Denn die Ablaßgnade bezieht sich allein auf die Strafe der Genugtuung, welche von Menschen geordnet worden ist.
35.
Die lehren unchristlich, welche vorgeben, daß die, so da Seelen aus dem Fegefeuer oder Beichtbriefe lösen wollen, keiner Reue noch Leides bedürfen.
36.
Ein jeder Christ, der wahre Reue und Leid hat über seine Sünden, der hat völlige Vergebung von Strafe und Schuld, die ihm auch ohne Ablaßbrief gehört.
37.
Ein jeder wahrhaftige Christ, er sei lebendig oder schon gestorben, ist teilhaftig aller Güter Christi und der Kirche, aus Gottes Geschenk, auch ohne Ablaßbriefe.
38.
Doch ist des Papstes Vergebung und Austeilung mit nichten zu verachten; denn wie ich gesagt habe, ist seine Erklärung eine Erklärung göttlicher Vergebung.
39.
Es ist über die Maßen schwer, auch für die allgelehrtesten Theologen, zugleich den großen Reichtum des Ablasses und dagegen die wahre Reue und Leid vor dem Volke zu rühmen.
40.
Wahre Reue und Zerknirschung sucht und liebt die Strafe, aber die Mildigkeit des Ablasses entbindet der Strafe und macht, daß man sie haßt, wenigstens bei Gelegenheit.
41.
Vorsichtiglich soll man von dem päpstlichen Ablaß predigen, damit der gemeine Mann nicht fälschlich dafür halte, daß er den anderen Werken der Liebe vorgezogen oder besser geachtet werde.
42.
Man soll die Christen lehren, es sei mit nichten des Papstes Meinung, daß Ablaßlösen einem Werke der Barmherzigkeit irgendwie zu vergleichen sei.
43.
Man soll die Christen lehren, daß, wer den Armen gibt oder leiht dem Dürftigen, besser tue, als wenn er Ablaß löst.
44.
Denn durch das Werk der Liebe wächst die Liebe und der Mensch wird besser; durch den Ablaß aber wird er nicht besser, sondern nur sicherer und freier von Strafe.
45.
Man soll die Christen lehren, daß der, so seinen Nächsten darben sieht und dessen ungeachtet Ablaß löst, der löst nicht des Papstes Ablaß, sondern ladet auf sich Gottes Ungnade.
46.
Man soll die Christen lehren, daß sie, wo sie nicht übrig reich sind, schuldig sind, was zur Notdurft gehört, für ihr Haus zu behalten und mit nichten für Ablaß zu verschwenden.
47.
Man soll die Christen lehren, daß das Ablaßlösen ein frei Ding sei und nicht geboten.
48.
Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wie er eines andächtigen Gebetes für sich mehr bedarf, also desselben mehr begehre denn des Geldes, wenn er Ablaß austeilt.
49.
Man soll die Christen lehren, daß des Papstes Ablaß gut sei, sofern man sein Vertrauen nicht darauf setzt, dagegen aber nicht Schädlicheres, als wenn man dadurch Gottesfurcht verliert.
50.
Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wenn er wüßte der Ablaßprediger Schinderei, wollte er lieber, daß St. Peters Münster zu Pulver verbrannt würde, denn daß es mit Haut, Fleisch und Bein seiner Schafe erbaut werde.
51.
Man soll die Christen lehren, daß der Papst, wie er schuld ist, also auch willig wäre, von seinem eigenen Gold - und sollte gleich St. Peters Münster dazu verkauft werden - den Leuten auszuteilen, denen zumeist etliche Ablaßprediger das Geld abdringen.
52.
Durch Ablaßbriefe vertrauen selig zu werden ist ein nichtig und erlogen Ding, wenn gleich der Commissarius oder der Ablaßvogt, ja der Papst selbst seine Seele wollte zu Pfande setzen.
53.
Das sind Feinde Christi und des Papstes, die von wegen der Ablaßpredigt das Wort Gottes in andern Kirchen zu predigen ganz und gar Schweigen verbieten.
54.
Es geschieht dem Worte Gottes unrecht, wenn man in Predigt eben so viel oder mehr Zeit aufwendet, den Ablaß zu verkündigen, als auf das Wort des Evangeliums.
55.
Des Papstes Meinung kann nicht anders sein, als, wenn man den Ablaß (was das Geringste ist) mit Einer Glocke, Einer Prozession und Ceremonien begeht so müsse man dagegen das Evangelium (was das Höchste ist) mit hundert Glocken, hundert Prozessionen und hundert Ceremonien feiern.
56.
Die Schätze der Kirche, davon der Papst den Ablaß austeilt, sind weder genugsam genannt noch bekannt bei der Gemeinde Christi.
57.
Denn daß es nicht leibliche, zeitliche Güter sind, ist daher offenbar, weil viele Prediger diese nicht so leichtlich hingeben, sondern vielmehr aufsammeln.
58.
Es sind auch nicht die Verdienste Christi und der Heiligen; denn diese wirken allezeit, ohne des Papstes Zutun, Gnade des innerlichen Menschen und Kreuz, Tod und Hölle des äußerlichen Menschen.
59.
St. Laurenzius hat die Armen der Gemeinde genannt die Schätze der Gemeinde oder Kirche, aber er hat das Wörtlein genommen, wie es zu seiner Zeit gebräuchlich war.
60.
Wir sagen aus gutem Grunde, ohne Vorwitz, daß dieser Schatz seien die Schlüssel der Kirche, durch das Verdienst Christi der Kirche geschenkt.
61.
Denn es ist klar, daß zur Vergebung der Strafe und vorbehaltener Fälle allein des Papstes Gewalt genug sei.
62.
Der rechte wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.
63.
Dieser Schatz ist aber billig der allerverhaßteste; denn er macht, daß die Ersten die Letzten werden.
64.
Aber der Ablaßschatz ist billig der allerangenehmste, denn er macht aus den Letzten die Ersten.
65.
Derhalben sind die Schätze des Evangelii Netze, mit denen man vor Zeiten die Leute des Mammons fischte.
66.
Die Schätze des Ablasses aber sind Netze, womit man in jetziger Zeit den Mammon der Leute fischet.
67.
Der Ablaß, den die Prediger für die größte Gnade ausrufen, ist freilich für große Gnade zu halten, insofern er großen Gewinn trägt.
68.
Und doch ist solcher Ablaß wahrhaftig die allergeringste Gnade, wenn man ihn mit der Gnade Gottes und des Kreuzes Gottseligkeit vergleicht.
69.
Es sind die Bischöfe und Seelsorger schuldig, die Commissarien des apostolischen Ablasses mit aller Ehrerbietung zuzulassen.
70.
Aber vielmehr sind die schuldig, mit Augen und Ohren aufzumerken, daß diese Commissarien nicht statt päpstlichen Befehls ihre eigenen Träume predigen.
71.
Wer wider die Wahrheit des apostolischen Ablasses redet, der sei Anathema und vermaledeit.
72.
Wer aber wider des Ablaßpredigers mutwillige und freche Worte Sorge trägt und sich bekümmert, der sei gebenedeit.
73.
Wie der Papst diejenigen billig mit Ungnade und Bann schlägt, die zu Nachteil des Ablaßgeschäfts irgendwie betrüglich handeln;
74.
So viel mehr trachtet er, diejenigen mit Ungnade und Bann zu schlagen, die unter dem Vorwand des Ablasses zum Nachteil der heiligen Liebe und Wahrheit handeln.
75.
Des Papstes Ablaß so hoch halten, daß er einen Menschen absolvieren oder von Sünden los machen könnte, wenn er gleich (unmöglicher Weise zu reden) die Mutter Gottes geschwächt hätte, ist rasend und unsinnig sein.
76.
Dagegen sagen wir, daß des Papstes Ablaß nicht die allergeringste tägliche Sünde hinwegnehmen könnte, so viel die Schuld derselben belangt.
77.
Daß man sagt, St. Peter, wenn er jetzt Papst wäre, vermöchte nicht größeren Ablaß zu geben, ist eine Lästerung wider St. Petrum und den Papst.
78.
Dawider sagen wir, daß auch dieser und ein jeder Papst größeren Ablaß hat, nämlich das Evangelium, Kräfte, Gaben, gesund zu machen u.s.w. 1. Korinther 12,6,9.
79.
Sagen, das Kreuz, mit des Papstes Wappen herrlich aufgerichtet, vermöge so viel als das Kreuz Christi, ist eine Gotteslästerung.
80.
Die Bischöfe, Seelsorger und Theologen, die da leiden, daß man solche Reden vors Volk bringen darf, werden dafür einst Rechenschaft geben müssen.
81.
Solche freche und unverschämte Predigt und Ruhm vom Ablaß macht, daß es selbst den Gelehrten schwer wird, des Papstes Ehre und Würde gegen die Verleumdung oder doch vor den scharfen listigen Fragen des gemeinen Mannes zu verteidigen.
82.
Als zum Beispiel: Warum entledigt der Papst nicht alle Seelen zugleich aus dem Fegefeuer um der allerheiligsten Liebe willen und von wegen der höchsten Not der Seelen, welches doch die allerwichtigste Ursache ist, während er unzählig viel Seelen erlöst um des elenden Geldes willen für St. Petrus Münster, welches doch die geringfügigste Ursache ist?
83.
Item: Warum bleiben die Begängnis- und Jahrzeit der Verstorbenen stehn, und warum gibt er nicht wieder oder vergönnt zurückzunehmen die Pfründen, die den Toten zu gut gestiftet sind, da es nunmehr doch unrecht ist, für die schon Erlösten zu beten?
84.
Item: Was ist das für eine neue Heiligkeit Gottes und des Papstes, daß sie den Gottlosen und dem Feind um des Geldes willen vergönnen, eine fromme und gottgetreue Seele zu erlösen, und wollen doch nicht vielmehr um der großen Not derselben gottesfürchtigen und geliebten Seele willen sie aus Liebe umsonst erlösen?
85.
Item: Warum werden die Satzungen von der Buße, die nun längst in ihnen selbst mit der Tat und durch ihren Nicht-Gebrauch abgetan und tot sind, noch mit Geld gelöst durch Vergönnung des Ablasses, als wären sie noch in Kraft und lebendig?
86.
Item: Warum baut jetzt der Papst nicht lieber St. Peters Münster von seinem eigenen Gelde als vor der armen Christen Gelde, weil doch sein Vermögen sich höher erstreckt, als des reichsten Crassus Güter?
87.
Item: Was erläßt oder teilt der Papst durch seinen Ablaß diesem mit, welche durch vollkommene Reue schon zu einer vollständigen Vergebung und Ablaß berechtigt sind?
88.
Item: Was könnte der Kirche Besseres widerfahren, als wenn der Papst, wie er's jetzt nur einmal tut, also hundertmal im Tage jedem Gläubigen diese Vergebung und Ablaß schenkte?
89.
Wenn der Papst der Seelen Seligkeit mehr durch Ablaß denn durchs Geld sucht, warum hebt er denn vormals gegebene Ablaßbriefe auf und erklärt sie außer Kraft, so sie doch gleich kräftig sind?
90.
Diese sehr spitzigen Fragen der Laien bloß mit Gewalt dämpfen und nicht durch angezeigten Grund und Ursach auflösen wollen, heißt die Kirche und den Papst den Feinden zum Spott und die Christen unselig machen.
91.
Darum, wenn der Ablaß nach des Papstes Sinn und Meinung gepredigt würde, wären diese Einreden leichtlich zu verantworten, ja sie wären nie vorgefallen.
92.
Mögen daher alle Propheten hinfahren, die da sagen zu der Gemeinde Christi: Friede, Friede! und ist doch kein Friede (Hes. 13,10,16.)
93.
Aber wohl alle den Propheten, die da sagen zu der Gemeinde Christi: Kreuz, Kreuz! und ist doch kein Kreuz.
94.
Man soll die Christen ermahnen, daß sie Christo, ihrem Haupte, durch Kreuz, Tor und Hölle nachzufolgen sich befleißigen.
95.
Und also mehr durch viel Trübsal als durch falschen Frieden ins Himmelreich einzugehen sich getrösten.
Allerheiligen Abend 1517



Kann man heute zu den 95.Thesen in allen Punkten ja sagen oder ist es einfach ein geschichtliches Dokument das sich überlebt hat.Ich bin auf eure Antworten gespannt.
Gruß und Segen von Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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