Tägliche Lesung aus der Dogmatik von Eduard Böhl

Nur für Gläubige, die die fünf Punkte des Arminianismus ablehnen

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Joschie
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§ 59. Vom doppelten Stand Jesu Christi Teil.6

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§ 59. Vom doppelten Stand Jesu Christi Teil.6

Zu dieser Stelle bemerkt Ritschl (Studien und Kritiken 1879, S. 324) unter anderem Folgendes. Passus indigna: „Die Erduldung von Gegenwirkungen die seiner unwürdig sind, kann Christus unter dem Gesichtspunkt beigelegt werden, daß dieselbe das Mittel ist, durch welches er die Weltordnung auf das Heil der Menschen hinweist und und gütig leitet. Die Allmacht steht, nach Bernhard, nicht dem Leiden oder der Geduld Christi entgegen.“ Es ist dies eine wahre und fruchtbare Durchführung der communicatio idiomatum, fügen wir hinzu. Wir werden nun sagen, daß auch die Fleischwerdung des Logos unter dem Gesichtspunkte des Erduldens von etwas seiner Unwürdigem aufgefaßt werden darf, ein Erdulden, dem sich der Logos aus großer Liebe zu dem gefallenen Menschen unterzogen hat und wobei er der Allmacht nicht, wie die Vertreter der Kenosis wollen, entraten konnte, sondern ihrer erst recht bedurfte. Und wir sind gewiß nicht genugsam in dem göttlichen Wesen zu Hause, um in Abrede zu stellen, daß dieses Zusammenwohnen des Starken mit dem Schwachen möglich gewesen sei. Insofern aber die Liebe den Logos zur Fleischwerdung bewog, so kann er selbst seinen Kreuzestod unter den Gesichtspunkt der Erhöhung und Verherrlichung stellen (Joh 17, 1; vgl. 12,23). Der Akt der höchsten Demut und Selbstverleugnung war zugleich der Akt der Verherrlichung des Sohnes Gottes. Bernhards Aussagen greifen also in die Tiefen des Geheimnisses der Gottseligkeit, und die Reformatoren, bes. Luther, haben Ähnliches gesagt (Ritschl III.S. 365f.) Ebenso tiefsinnig sind schon die merkwürdigen Stellen über dieses Geheimnis bei Hilarius, z.B. in De trinitate IX,14.: Deo proprium fuit, esse aliud, quam manebat, nec tamen non esse quod manserat: nasci in hominem Deum nec tamen Deum esse desinere, contrahere seusque ad conceptum et cunas et infantiam, nec tamen Dei potestate decedere. Hoc non sibi sed nobis est sacramentum, neque assumtio nostra Deo profectus est, sed contumeliae suae voluntas nostra perfectio est, dum nec amittit ille, quod Deus estt et homini acquirit, ut Deus sit. Mit diesen Worten will Hilarius das wunderbare Geheimnis, von dem wir im § reden, nach Möglichkeit uns nahe bringen. Menschliche Natur geht vom Niederen zum Höheren, nicht so die göttliche. „Gott (so übersetzen wir Obiges) war es eigentümlich, ein anderes zu sein, als was er verblieb, und doch nicht nicht zu sein, was er verblieben war (ἐν μορφῇ θεοῦ): als Mensch geboren zu werden, und doch nicht aufzuhören, Gott zu sein; sich zusammenzuziehen bis zu Empfängnis und Wiege und Kindesweise, und doch der Gottesmacht nicht zu entsagen.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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Joschie
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§ 59. Vom doppelten Stand Jesu Christi Teil.7

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§ 59. Vom doppelten Stand Jesu Christi Teil.7

Das ist ein Geheimnis nicht für ihn, sondern uns zu gut. Auch ist das Annehmen unserer Natur für Gott kein Fortschritt: aber daß er sich solche Schmach antun wollte, geschieht zu unserer Vollendung, da er nicht verliert, was er als Gott ist, und dem Menschen erwirbt, daß er Gott werde. Man vgl. über Hilarius G. Thomasius, Christi Person und Werk II, S. 172-326 Wegen seines Gehorsams bis zum Tode hat nun Gott auch Jesus erhöht, und zwar, um so höher erhoben, je tiefer seine Erniedrigung zuvor gewesen. Phil 2,9.198 Die Erhöhung oder der status exaltationis beginnt mit der Auferstehung. Durch diese Auferstehung wird der Erlöser nach Röm 1,4 öffentlich erwiesen als der Sohn Gottes, der er war. Er hat sich den Sohnesnamen verdient durch seine Werke, verdient hat er ihn sich für uns, Hebr 1,4, und bestätigt wird ihm dieses sein Verdienst durch die Auferstehung. Dasselbe empfängt durch die Auferstehung eine für alle ersichtliche Anerkennung. Weiter offenbart Jesus bei der Auferstehung seine siegende Macht über den Tod, Apg 2,24; Röm 6,9; 1.Kor 15,55.57; er zeigt dadurch öffentlich, daß sein Werk vollbracht und unsere Frei- und Gerechtsprechung vor Gottes Gericht vollzogen sei, indem das Haupt freigesprochen ist. Röm 4,25; 1.Kor 15,17. Endlich begründet Christus durch seine Auferstehung die Hoffnung der Seinen auf eine gleichfalls herrliche Auferweckung ihres Leibes: 1.Kor 15,20-22.45-49. Und zwar ist diese Auferstehung eine leibliche gewesen, die sich den zweifelnden Jüngern unwiderstehlich aufdrängte. Der Evangelist Markus (16,11-14) hebt die Zweifel der Jünger ganz besonders hervor. Desgleichen stehen Petrus und Paulus mit ihrer ganzen Autorität für die leibliche Auferstehung des Herrn ein; dieselbe ist ein Grundbestandteil der apostolischen Verkündigung. Apg 2,31; 1.Kor 15,4-8. Und wahrlich, nachdem die Auferstehung Christi lange zuvor verheißen worden durch David und die Propheten, z.B. Ps 16,10.11; Jes 53,8.10.12; 55,3 vgl. Apg 2,31; 13,34.35 – so ist es nur billig, daß sie endlich auch eintrete. Auf der Tatsache der leiblichen Auferstehung Christi ruht unser ganzes Heil (vgl. 1.Petr 1,3) und besonders unseres Leibes Auferstehung nach 1.Kor 15,19.22.23. Die mit der Auferstehung beginnende Erhöhung vollendet sich in der Himmelfahrt und dem Sitzen zur rechten Hand Gottes. Röm 8,34; 1.Petr3,22. Mt 26,64. Lk 24,51. Apg 1,9.11; 3,21. Was da zu unserem ewigen Heil auf Erden begonnen – das vollendet sich in den Regionen des Himmels. Die sichtbare und tastbare Gegenwart des Herrn ward zunächst 40 Tage hindurch den Jüngern wiederholt gewährt. Da sahen sie, daß er lebte und gesiegt hatte, und somit keine Verdammnis mehr vorhanden sei für sie. Röm 8,34. Und als er nun sichtbar vor ihren Augen gen Himmel fuhr – da befestigte sich die Überzeugung: daß der mit der Auferstehung gefeierte Triumph ein ewiger sei. Sie lernten dadurch (Heid. Kat. 49): daß ihr Fleisch und Blut im Himmel sei als ein sicheres Pfand, daß er, als das Haupt, uns seine Glieder auch zu sich werde nehmen, Joh 14,3. Sie lernten, daß ihr Bruder und Herr als Fürsprecher bei dem Vater die einmal erworbene Erlösung fort und fort geltend machen werde. Es stand seitdem bei ihnen fest: daß, wie Joh 14,18 verheißen, Christus auch von dort aus seine Kirche regieren, ihr seinen Geist senden, und endlich von dort her zum Gericht wiederkommen und seine Kirche einsammeln werde in das Reich der ewigen Herrlichkeit. Joh 14,16-18; 16,13.14; Apg 1,11; Röm 4,25; Hebr 7,25.26; 9,24; Kol 3,4; 1.Thess 4,14-17.
zu.198. Die lutherische Dogmatik muß stattdessen sagen: „der Logos hat sich selbst erhöht.“
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§ 59. Vom doppelten Stand Jesu Christi Teil.8

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§ 59. Vom doppelten Stand Jesu Christi Teil.8

Beides, die Auferstehung und die Himmelfahrt, wird gern im Neuen Testament als ein Stück der Erhöhung zusammengefaßt: Phil 2,9; Eph 4,8 10; Kol 2,15; 1.Tim 3,16; Hebr 1,3. Beides wird auch als ein Lohn für die Arbeit der Seele Christi angeschaut: Phil 2,9; Hebr 2,9; vgl. Jes 53,10. Es erteilt ihm der Vater, als dem Mittler Gottes und der Menschen, einen Lohn, der bereits in dem ewigen Ratschluß festgesetzt worden: Jes 53,10. Christus trägt die Erhöhung als einen Kampfpreis davon, und zwar als der Mittler und unser Stellvertreter. An allen Orten der heiligen Schrift, wo von Christus ein Erben und eine Besitznahme ausgesagt wird, oder wo es heißt, daß ihm etwas geschenkt worden, ja daß er gekrönt und als etwas deklariert worden ist, daß ihm alles unter die Füße gelegt worden, gilt solches von dem Mittler Gottes und der Menschen, dem Menschen Christus Jesus und zugleich wahrhaftigem Gott. Mt 28,18 (potestas offcii nach Olevian) Röm 1,4; Hebr 1,2-4; 2,8.9; 5,5.6 ; 1.Kor 15,25.27 – vgl. Ps 8,7; Phil 2,9; Eph 1,20-23. Auf unsere Seite wollte der Sohn Gottes ganz und gar hinübertreten, und als des Menschen Sohn sich alles erwerben und mitteilen lassen, was uns fehlte, auf daß er es fortan als die reife Frucht seines prophetischen, hohenpriesterlichen und königlichen Amtes durch Vermittlung des heiligen Geistes seiner Gemeinde zufließen lasse. In solchem Willen Christi hat das selige Geheimnis seiner Erniedrigung und Erhöhung seinen Grund. Die Weise also, in der die menschliche Natur Christi an der Erhöhung und Verherrlichung des Erlösers, teilnimmt, ist durchaus nicht durch eine der Konsequenz des Systems entstammende Formel zu bestimmen, wie in der Lutherischen Kirche bei Aufstellung des tertium genus der Communicatio idiomatum geschah (des g. maiestaticum). Mit Recht wiesen die reformierten Theologen (z.B. Zanchius, Opp. tom. VIII,170ff. und Maresius, Systema loc. IX,35-37) es ab, daß solche Mitteilung der göttlichen Eigenschaften an die menschliche Natur Christi, sei es von dem Moment der Fleischwerdung an, sei es von der Erhöhung an stattgehabt habe (beides wird vertreten unter den Lutheranern). Eine derartige Mitteilung göttlicher Eigenschaften zerstört den festen Grund unsres Glaubens, indem sie die wahre menschliche Natur verflüchtigt und auf Eutychianismus hinauszulaufen droht. Bei dem genus majestaticum der Lutherischen Kirche verliert der Glaube sein Objekt, die natura humana geht auf in die divina und die Früchte des hohenpriesterlichen Amtes Christi werden verflüchtigt. Die natura humana wird die natura divina. In der Vergangenheit läge, was Christus getan, sein allgegenwärtig gewordener Leib zeigte keine Wundenmale mehr – und was an dem Herrn das teuerste ist für die Gemeinde, seine Niedrigkeit auch in der Erhöhung, wonach er bittet für uns, Hebr 7,25, und abwartet, bis Gott ihm alle seine Feinde zu Füßen legt, wäre nur noch in der Erinnerung konserviert. Vor unseren Augen stände die zufolge der Transfusion der essentiell göttlichen Eigenschaften in die menschliche Natur nun erst vollständig gewordene persona qeanqrw,pou: ein ganz erschreckliches Wesen, vor dem wir zittern müßten, wenn wir seiner gedenken. Non enim finitum ab infinito potest adaequate inhabitari, quidquid kontra pertendant Ubiquitarii, sagt sehr richtig Maresius (Systema, loc. IX,30). Und wir fügen, im Hinblick auf Olevians Ausführungen betreffs dieses Problems, hinzu: Wer uns den nexus, welchen die göttliche und menschliche Natur des Erlösers hier auf Erden gehabt, auflösen wollte, löst für uns das Erlösungswerk auf, das ewig an der wahren menschlichen Natur haftet, und leugnet, daß wir ihn so wiederkehren sehen werden, wie ihn die Apostel von hinnen haben gehen sehen (Apg 1,11; vgl. Hebr 9,28). Dies war ja gerade die Sünde Adams, daß er Gott gleich sein wollte; Christus kam, diesen Schaden zu heilen (contrario remedio wie Olevian, De substantia foederis gratuiti I,6,31 sagt). Wie sollte der Erlöser nun die geschaffene menschliche Natur gleichwohl vergotten lassen und die Grenzen zwischen beiden Seinsweisen überschreiten? Wir sagen vielmehr mit Olevian (l c. § 31): Ut dixi: summa gloria est humilitas palam manifestata: quod nimirum in coelesti luce humiliatio in terra exhibita aeternam vim exserit coram Patre, et in animo Sacerdotis, qui utcunque patiendo non amplius se humiliet, humiliationis tamen in terra exhibitae dignitate palam manifestata fulget; eiusque fons, quod mitis sit Pontifex et humilis corde haudquaquam exaruit. Quin potius e luce et throno coelesti in coelum et terram scaturit intercedendo pro nobis, non seorsim a Λόγῳ; (neque enim est individuum per se subsistens humana natura) sed Λόγῳ in aeternum unita.
Zuletzt geändert von Joschie am 10.10.2014 18:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Titel: § 59. Vom doppelten Stand Jesu Christi Teil.9

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Titel: § 59. Vom doppelten Stand Jesu Christi Teil.9

Diese Worte Olevians, die entnommen sind aus dem gewichtigen 6.Abschnitt seines Werkes vom Wesen des Gnadenbundes, lauten: „Wie ich gesagt habe: die höchste Herrlichkeit (des erhöhten Mittlers) ist die vor der Welt geoffenbarte Demut, wonach also die auf Erden bewährte Demut droben im himmlischen Lichte ihre ewige Kraft vor dem Vater beweist und (zugleich) im Gemüte des Hohenpriesters (Christi), der, obschon selbst nicht mehr durch Leiden sich erniedrigend, gleichwohl durch die Würdigkeit seiner hier auf Erden bewiesenen Demut, die nunmehr vor aller Augen offengelegt wird, sich in seinem wahren Glanze zeigt. Und das geschieht so, daß die Quelle, wonach er ein sanfter und von Herzen demütiger Hoherpriester ist, keineswegs versiegt ist, sondern vielmehr reichlich fließt aus dem himmlischen Lichte und vom Thron herab, sich über Himmel und Erde verbreitend, dadurch daß er für uns bittet. Und dies tut die menschliche Natur nicht abgesondert von dem Logos (denn sie ist nichts für sich bestehendes) sondern als mit dem Logos ewiglich vereint.“ Die Einheit der Person des Logos wird überhaupt nicht durch menschliche Mittel der theologischen Spekulation gefördert; – wenn wir sie nicht im Glauben besitzen und antizipieren, so werden wir sie durch kein Netz der theologischen Spekulation zusammenhalten können. – Wenn also Christus Joh 17,5 bittet: Und nun, Vater, verherrliche mich mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, vor dem daß die Welt war – so fordert er nicht für seine menschliche Natur eine Fülle der Herrlichkeit, welche er in der Ewigkeit besessen (diese hatte er ja nie abgelegt), sondern diese Herrlichkeit ist die im ewigen Friedensrate nun auch für die Seinen bestimmte. Und diese kam dem Erlöser wirklich zu in den großen Akten der Auferstehung, Himmelfahrt und dem Sitzen zur Rechten Gottes, kurz in der ganzen vom Erlöser wiederholt (auch beim letzten Passamahl, Lk 22,16) in Aussicht genommenen Zukunft, die auf sein Dulderleben folgen sollte. (Vgl. das Erben des Sohnesnamens, den er bereits besaß, Hebr 1,4.) Was nun besonders die Art des Leibes Christi seit der Erhöhung betrifft, so ist dieselbe von dem festen Grunde der Auferstehung aus zu bestimmen. Christus behielt seinen beschränkten menschlichen Körper; aber so, daß derselbe frei sich bewegt als ganz gefügiges Organ des in ihm wohnenden Geistes. Bald erscheint Christus hier, bald dort den Jüngern, selbst bei verschlossenen Türen tritt er ein Joh 20,26. Was aber vom Leibe der Auferstehung gilt, gilt auch von dem Leibe, den der Erlöser bei der Himmelfahrt mit sich nahm. Wie ihn die Jünger auf Erden gesehen, so wird er wiederkommen, Apg 1,11; so sahen ihn später Stephanus Apg 7,55 und Paulus Apg 22,14; 1.Kor 15, 8. Auch der Leib Christi nimmt also nur in dem Maße teil an der Erhöhung und dem Mitbesitz göttlicher Majestät, als es ihm durch die ihm eigene lokale Beschränktheit und Begrenztheit möglich ist. Endlich darf dieser Leib Christi nie seine Ähnlichkeit mit dem unsrigen verlieren, weil er das Urbild unsres verklärten Leibes sein soll (Phil 3,21; 1.Kor 15,49). Es muß daher dem Christenherzen billig weh tun, daß über diese Ubiquitätslehre so viel Streit stattgefunden, und dadurch Bande gelöst wurden, die unzerreißbar hätten sein sollen. Diesen doppelten Stand der Erniedrigung und Erhöhung charakterisiert ebenfalls die verschiedene Stellung, die der Geist Gottes einmal zum Fleisch gewordenen, sodann aber zum erhöhten Erlöser einnimmt. Der Logos wurde ja, was er nicht war; er wurde Fleisch. Und da war er nun als Fleischgewordener in dem Falle, mit dem heiligen Geist noch erst erfüllt zu werden, damit er in allem uns gleich wäre: Jes 11,2; 42,1; 61,1; Lk4,18.199 Der Geist Gottes kam bereits bei der Empfängnis im mütterlichen Schoß über den Erlöser und ist seitdem bei ihm geblieben. Die Stellung unseres Herrn, als des Mittlers und Bürgen der Seinen, als des unter die Engel Erniedrigten, Hebr 2,9, als des zweiten Adam: – diese Stellung brachte es mit sich, daß er in Abhängigkeit vom Geiste Gottes dastand, daß er an der Hand des Geistes und von ihm gehalten wandelte, Mt 4,1; Lk 4,1. Seine Stellung als der zweite Adam brachte es mit sich, daß er vom heiligen Geiste sich die Gaben mitteilen lassen wollte, die er zu seinem Werke jeweilig nötig hatte. Welche die Gaben waren, mit denen der heilige Geist Christus ausgerüstet, das ist klar – es sind Amtsgaben, und nicht etwa göttliche Eigenschaften, die die göttliche Natur der menschlichen in Christus mitgeteilt hätte. Wir lernen sie kennen aus Jes 11,1-5; 42,1.2; 61,1.2. Es sind Gaben, deren der Messias als Prophet, Hoherpriester und König bedarf. Unter diesen Gaben ragt die humilitas, die Demut,200 hervor, von der Jes 52,13.14 als des einen Lineaments Christi prophezeit. Zugleich ersehen wir hieraus, daß der Tätigkeit des heiligen Geistes Spielraum genug geboten war; denn bei der Leitung des Messias durch den heiligen Geist war es nicht etwa genügend, daß die göttliche Natur in die menschliche ihre Gaben übergoß, sondern der fleischgewordene Logos erhielt besondere Amtsgaben, die von den wesenhaften Eigenschaften Gottes (dona essentialia) wohl zu unterscheiden sind. Unser Herr im Stande seiner Erniedrigung tat nichts ohne den heiligen Geist; alles vielmehr tat er, durch denselben getrieben; er wandelte nicht im Schauen, sondern im Glauben. Der Geist macht sich Jesus zum gefügigen Organ seines Wirkens. Mt 4,1; 12,18.28; Lk 4,14.18; Joh 3,34; Apg1,2; Jes 11,2ff.; 42,1; 61,1.2. Auch seine Aufopferung ist in der Kraft dieses Geistes geschehen Hebr 9,14, und die Auferstehung ist nach Maßgabe des Geistes der Heiligung vor sich gegangen, d.h. unter der Gutheißung desselben: Röm 1,4; 1.Petr 3,18. Der Geist Gottes ist es, der den Fleisch gewordenen Logos überschattet, ihn mit Kraft ausrüstet (Apg 10,38) – Gott war mit ihm – ihn aufrecht erhält, ja wieder aufrichtet, indem er einmal selbst sichtbar in Gestalt einer Taube auf Jesus herabkommt Lk 3,22. Von der Erhöhung an dagegen verfügt unser Herr über diesen Geist Gottes als seinen, des Fleisch gewordenen Geist; er verfügt über den Geist Gottes, dessen Einwohnen in unseren sterblichen Leibesorganen er erworben, der daher auch der Geist des Sohnes heißt. Gal 4,6; Röm 8,10.11; Phil 1,19. Ja, der erhöhte Christus selber wird ihn senden Joh 15,26; er gießt ihn aus Apg 2,33. Mit dem Hingang Christi zum Vater hängt namentlich die außerordentliche Geistesausgießung am Pfingstfeste in Apg 2 zusammen nach Joh 14,12.16-18; Apg 2,33: denn er hat den Geist erworben; ferner hat er, das gehorsame Kind Gottes, den Geist der Kindschaft uns erworben, kraft dessen wir nunmehr Gott mit dem Vaternamen nennen laut Röm 8,15; Gal 4,4.5. Was wir fortan sind, wissen, wollen und können durch Wirkung des heiligen Geistes – das ist alles sein Erwerb, eine Frucht der Arbeit seiner Seele; das hat er alles dargestellt, s. 1.Petr 1,2ff.; 2.Thess 2,13f. Wir kommen nunmehr auf den Wert der Erniedrigung und Erhöhung unseres Herrn für uns zu reden. Diesen Wert aber können wir nicht anders als nach dem in den zwei Ständen vollführten Werke beurteilen und somit kommen wir zu dem Lehrstück von dem Werke Christi.
zu.199. Unsere alten reformierten Dogmatiker fassen diese Mitteilung von Gaben (gratiae habituales) als eine Konsequenz der unio naturarum auf, aber nach den oben angeführten Schriftstellen kommen diese Gaben durch die Mitteilung des heiligen Geistes auf Christus herab, eine Mitteilung, die auch den Propheten zuteil wurde. Der Unterschied liegt lediglich in dem οὐ γὰρ ἐκ μέτρου (Joh. 3,34)d.h: ei non – ut ceteris – admetitur (=zumessen) Deus Spiritum; Christus empfängt gemäß der Wichtigkeit seines Berufs Gaben in Fülle. Unsre Alten widersetzen sich gerade zu dieser Stelle tapfer der Lutherischen Annahme einer Mitteilung der metaphysischen göttlichen Gaben ohne Maß (Maresius IX,32).
zu.200. Vgl, Olevian, De subst, foed. gr. I,6 § 30.
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Vom Werke des Erlösers (De officio mediatoris)

Beitrag von Joschie »

II. LEHRSTÜCK
Vom Werke des Erlösers (De officio mediatoris)
§ 60. Einleitung



Die Person des Erlösers war schon zur Zeit der alten Ökonomie in die Welt eingeführt und dem Volke Gottes bekannt gegeben worden. Das Alte Testament enthüllt uns den seine Erscheinung im voraus ankündigenden, das Neue Testament den erschienenen Erlöser. So ist nun auch in bezug auf das Werk Christi das Neue Testament nur die Erfüllung des Alten Testaments. Das Werk Christi läßt sich nach den verschiedenen Funktionen, die zur Erfüllung des menschlichen Lebenszweckes erforderlich sind, in drei Teile zerlegen. Diese drei Funktionen sind: Reden, Handeln, Herrschen. Im alten Volke Gottes gab es schon Repräsentanten dieser drei Lebenstätigkeiten oder Funktionen: Propheten, Hohepriester und Könige. Die prophetische Funktion besteht im Reden aus der Fülle des Geistes, im Lobe Gottes und in dem Gott schuldigen Danke, endlich auch im Lehren und Vermahnen der Mitmenschen. – Die priesterliche Funktion besteht im Handeln vor Gott nach seinem Willen und in seiner nächsten Nähe. – Die königliche Funktion besteht im Herrschen über alles, jedoch unter Gott, der den Menschen zum Herrscher auf Erden bestellt hat. Reden – handeln – herrschen: das ist die dreifache Erweisung, in der des Menschen Leben völlig aufgehen sollte. Sofern nun seit Adams Fall niemand aus sich selbst weder recht redete, noch auch recht handelte, noch endlich auch herrschte, wie er sollte: so hatte Gott dafür stellvertretende Organe in seinem Volke bestellt. Was des Menschen anfängliche Bestimmung war, das soll nicht verloren gehen, und davon dispensiert Gott den Menschen auch nicht, und zwar zu seinem eigenen Besten. Er sorgt vielmehr, daß solcherlei Funktionen stetig unterhalten bleiben und in die dazu allein befugten Hände von Anfang der Welt an bis zu Ende gelegt werden. So gab es denn stets Propheten, Priester und Könige im Volke Gottes, teils in freier Weise, so lange als kein Gesetz vom Sinai herab gegeben war, – Adam, Noah, Abraham usw. waren alles in einer Person – teils waren sie seit Mose von Gott selbst dem auserwählten Volke zugeteilt. Christus nun als derjenige, in dem alle Verheißungen Gottes ihre Erfüllung fanden, vereinigt alle drei Funktionen, welche der Mensch und dann speziell Israel auszuüben berufen waren, in sich. Er redet recht von Gott, er handelt recht vor Gott, und er herrscht unter Gott; mit anderen Worten: er ist der wahre Prophet, der rechte Hohepriester und der rechte König. Das Subjekt dieser dreifachen Funktion ist nun der Fleisch gewordene Logos nach seinen beiden Naturen, und zwar vom Anfang seines Lebens bis zur Vollendung seiner hohen Aufgabe im Jenseits nach 1.Kor 15,24. Den Anlaß zu dieser dreifachen Tätigkeit gab die Sünde und der tiefe Fall des Menschen. Der Zweck war Ausführung des ewigen Ratschlusses Gottes, der dahin zielte, den sündigen Menschen nach allen Beziehungen hin wieder gerecht vor Gott hinzustellen, die kontrahierte Schuld des Menschen auf einen Bürgen zu laden und so eine Abtragung derselben zu bewirken: d.h. also Gott mit dem Menschen, und den Menschen mit Gott zu versöhnen.
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Leo_Sibbing
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Vom Werke des Erlösers (De officio mediatoris) Teil 2

Beitrag von Leo_Sibbing »

II. LEHRSTÜCK
Vom Werke des Erlösers (De officio mediatoris)
§ 60. Einleitung Teil 2


Der Erlöser unterzog sich der genannten dreifachen Tätigkeit, näher betrachtet,
1. Als des Menschen Sohn, durch welchen Namen er sich als den zu erkennen gibt, der menschliche Natur und Wesen durch seine Abstammung von einem Menschen an sich genommen und an der Brüder Stelle alles in Richtigkeit bringen wollte.
2. Als der Mittler Gottes und der Menschen: 1.Tim 2,5. Es will dies sagen: daß Gott sich seiner bedient, sowie andrerseits daß der Mensch sich an ihn hält: und so kommt es in seiner Person zu einer Wiederherstellung des durch Adams Ungehorsam abgebrochenen Verhältnisses zwischen Gott und uns. In Christus wird Gott dasjenige zuteil, was ihm von unseretwegen gebührt – und uns dagegen wird in Christus Gott, wie wir ihn haben müssen, als versöhnter Vater nämlich, offenbart. Gott war, wie 2.Kor 5,19 so klar sagt, in Christo, d.h. er bediente sich seiner als des gehorsamen Knechtes und versöhnte eine Welt mit sich durch Jesum Christus.(201)
Desgleichen haben wir
3. Christus in dieser dreifältigen Tätigkeit anzusehen als den Bundesbürgen und als den Ausführer des Gnadenbundes. Er ist das einzige lebenskräftige Glied und Haupt des Samens Abrahams, mit dem Gott auch den Gnadenbund eingegangen ist nach Gal 3,16.19. Mit den Menschen insgemein war kein Bund zu schließen; da trat der Sohn Gottes auf unsere Seite, er warf sich selbst in die Wagschale, und so hatte der Bund Festigkeit; es war einer vorhanden, der für seine Bundesgenossen einstehen sollte und konnte (Hebr 7,22).
Weiter
4. haben wir den Erlöser in dieser dreifachen Funktion als den zweiten Adam ins Auge zu fassen. 1.Kor 15,45.
5. Als den Vorläufer Hebr 6,20, der allen andern vorausgeht. Kol 1,18.
6. Als das Haupt. Eph 1,22; 4,15; 5,23; Kol 2,10.19.
7. Als den Erstgeborenen unter vielen Brüdern. Röm 8,29; Kol 1,15.18; Hebr 1,6.
Wir haben ihn anzusehen
8. als den, in welchem nach Gottes Ratschluß alles in eins zusammengefaßt wird: so daß nichts, was außer ihm sich befindet, ein Gott wohlgefälliges Dasein hat: Eph 1,10, womit zu vergleichen Kol 1,16.20, wonach alles von vornherein gegründet ist in Christus und nur in ihm seinen Bestand haben soll, oder dann, laut V.20, wonach alles seine rechte Richtung zu Gott hin durch Christus empfangen solle. Auch Hebr 1,2 sind die Worte ὃν ἔθηκε κληρονόμον πάντων wohl hierherzuziehen – nachdem alle anderen enterbt worden waren (durch die Sünde), ist er zum Erben über alles gesetzt (vgl. Eph 1,11). Kurz wir haben bei diesem Werke des Erlösers festzuhalten das Wort: alles und in allen ist Christus, Kol 3,11, und außer ihm ist keine Errettung Apg 4,12. Wir haben alles in ihm, was zu unserer Seligkeit nötig ist. (Heidelb. Katech. Fr. 20.) Als der zu dieser dreifachen Tätigkeit von Gott gesalbte, d.h. mit dem heiligen Geist ausgerüstete, führt der Erlöser den Namen Christus oder Messias : Apg 4,26; 10,38, sofern bekanntlich in den Tagen des Gesetzes Propheten, Priester und Könige mit heiligem Öl gesalbt wurden. So wurde Aaron durch Mose, David von Samuel gesalbt, und so sollte Elisa von Elia gesalbt werden; das Gleiche sagt Ps 45,8 vom Messias als dem König von Israel aus. Dan 9,24 redet von der Salbung eines Allerheiligsten – womit der priesterliche Charakter des Messias angedeutet wird; und Jes 61,1.2 wird eine Salbung des Messias als des Propheten geweissagt. Das Öl symbolisierte den heiligen Geist. Christus also ist der Amtsname unseres Herrn. Daneben steht der Name Jesus, sein Wesensname; sofern er Erlöser und Wiederhersteller ist laut Mt 1,21, vgl. 4.Mose 13,16.
zu.201. 197 In 2. Makk. 1,5; 7,33; 8,29 wird das Passiv auch von Gott gebraucht, wie 2. Kor. 5,18 (vergl. 1. Kor. 7,11) von Menschen. Das N. T. kennt jedoch solches nicht. Das Verrücken oder Vertauschen des Standpunktes ist im N. T. lediglich vom Menschen prädiziert, und Gott bleibt als derjenige, welcher den Ratschluss der Versöhnung fasst, außerhalb des fälschlich behaupteten Widerstreits der Liebe und der Gerechtigkeit (s. § 14 und 15). Der Begriff des Opfers und der Sühne, wie solche der mosaische Kultus darbietet, weist zwar deutlich auf ein durch das Opferblut verändertes Verhältnis Gottes zum Sünder hin, s. Gen. 8,21; Lev. 1,9, wo von einer Gott zufriedenstellenden Wirkung des Opfers die Rede ist. Aber diese Änderung der göttlichen Gesinnung ist keine absolute, sondern nur die Kundgebung davon, dass Gott praestitis praestandis (ἐν Χριστῷ) die Sünder nach seiner Gerechtigkeit gnädig ansieht. Die Opfer kamen vor Gott, damit sie sein Wohlgefallen gegen den Sünder erweckten (Lev. 1,4; vergl. Jes. 56,7) aber sie kamen auch von Gott zur Belehrung, wie ernst Gott es mit der Sünde nimmt, und wiesen den Sünder auf Christus. Vergl. Delitzsch zu Hebr. 2,17.
Ich freue mich sehr in dem HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir Kleider des Heils angezogen, mit dem Mantel der Gerechtigkeit mich bekleidet, ... Jesaja 61,10

Leo_Sibbing
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61. Das prophetische Amt Christi (Munus propheticum)

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§ 61. Das prophetische Amt Christi (Munus propheticum)

Christus selber bezeichnet sich als Propheten. Mt 13,57; Lk 13,33; Joh 4,44; und das Gleiche geschieht auch seitens des Volkes und der Jünger: Lk 7,16; 24,19; Joh 4,19. Es war das eine ausgemachte Sache, daß der von Gott gesandte Erlöser der Prophet κατ᾽ ἐξοχήν sein würde. Schon als der Logos, der im Anfang bei Gott war, hatte er der prophetischen Funktion in den Patriarchen und Propheten Genüge geleistet. Er prophezeite durch den Engel Gabriel und tat der Elisabeth, der Maria und dem Zacharias den Mund auf. In 5.Mose 18,15ff. war ausdrücklich vom prophetischen Amt des Erlösers geweissagt; desgleichen Ps 22,23; 40,11; Jes 42,1-4; 49,1ff.; 50,4. Ja, Gott hat ihn gesalbt zu diesem Amt mit dem heiligen Geist Jes11,1.2; 61,1ff. Aus Lk 4,18; Apg 3,22; 7,37 lernen wir, wie jene Stellen von Christus wirklich zu gelten haben. Die Eigentümlichkeit des Propheten besteht darin, daß er aus der Fülle des Geistes, der ihn innerlich drängt, redete. 2.Petr 1,20.21. Es liegt dies im hebr. Wort „Nabi“. Bei den Propheten wohnt die rechte Weisheit, die in Erkenntnis des Willens Gottes zu unserer Seligkeit besteht. Das gilt nun vor allen von Christus. Als Prophet hat uns Christus aus der Fülle des heiligen Geistes den heimlichen Rat und den ganzen Willen Gottes in bezug auf unsere Seligkeit vollkommen offenbart (Heid. Kat. 31). Zunächst tat er dies durch seine neue Handhabung und Einschärfung des Gesetzes Gottes, wie dasselbe nach Geist und in Wahrheit zu verstehen ist. Dies geschah besonders in der Bergrede Mt 5-7; vgl. Lk 6,20ff. Hier tritt nun Christus nicht als der Urheber eines neuen Gesetzes auf, sondern er will das Gesetz erfüllen oder aufrichten, und das in keinem andern Sinne, als in welchem er auch die Propheten zu erfüllen kam, d.h. durch seinTun und Leiden; vgl. Mt 5,17. Der pharisäischen, traditionell gewordenen Auslegung der Wortes Gottes bei Mose stellt er die rechte, vom heiligen Geist erfüllte Auslegung gegenüber. Wie wenig er in der Bergrede gegen das recht verstandene Gesetz Moses polemisieren will, zeigt schon dieWeise, wie er die zu bekämpfenden Sätze zitiert: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist“. Das war eine durchaus andere Formel als jene: „Es steht geschrieben“. Es war das eine neutrale Formel, wobei außer Betracht gelassen wird, ob alles wirklich so im Gesetze stehe. Jedenfalls steht nicht alles dort, was von Jesus in Mt 5 angeführt wird; vgl. z.B. V.31.43.

Von den letzten zwei Sätzen war der erste von der damaligen Gesetzesverdrehung aus dem Gesetz mittels falscher Exegese herausgerissen (aus 5.Mose 24,1); der zweite enthielt eine Konzession an die laxe Praxis. So ist denn mit Recht von Calvin (Inst. II,8, § 7) und anderen Reformatoren geltend gemacht worden, daß Christus keineswegs als Urheber eines neuen Gesetzes zu gelten habe, wie das die römische Kirche, die Socinianer und neuerdings die Rationalisten, u.a. auch Baur und seine Schule behaupten. Jesu Gesetzesauslegung hat nur eine antipharisäische Tendenz, nicht aber eine antimosaische. Der Sohn Gottes stellt sich nicht in Widerspruch mit dem Worte seines Vaters nach 5.Mose 4,2. Ausdrücklich sagt er in der Bergrede: es werde kein Buchstabe vom Gesetze Moses vergehen, und wer das geringste Gebot aufhebe, der werde auch der Geringste im Himmelreich heißen, Mt 5,18.19. An eine Fortentwicklung und Vollendung des Gesetzes durch Jesus, welche die meisten Neueren, u.a. auch Ritschl (Lehre von der Rechtfertigung, II, 274) annehmen, ist nach dem Gesagten ebensowenig zu denken. Das Gesetz hebt Jesus auch dort nicht auf, wo er das Ährenraufen seiner Jünger am Sabbath in Schutz nimmt. Mt 12,1-8. Bei diesem Vorfall ist zu beachten, daß Ähren auszuraufen im Gesetz erlaubt war. 5.Mose 23,25. Daß die Pharisäer die Jünger darüber hart anfuhren, dafür liegt der Grund nicht im Gesetze Moses, sondern das taten sie aus einer falschen, gesetzlichen Ängstlichkeit und Befangenheit, oder auch, um Jesus etwas anzuhaben. Jesus aber tadelt sie deshalb und weist auf David als auf eine anerkannte Autorität. Dieser habe sogar in der Not die Schaubrote, die nur die Priester essen dürfen, genossen. Die Barmherzigkeit bewog den Priester, dem David davon zu geben. Und so hatte auch Jesus das Ährenraufen gestattet. Schließlich erklärt er ihnen, daß des Menschen Sohn, nämlich der Messias, Herr des Sabbaths sei. Jesus ist sich selber genug und kein Minderer als David, trotz seiner menschlich niedrigen Erscheinung. Was jenem frei stand, steht auch den Jüngern frei. Er geht treu seinem Berufe nach und tut des Vaters Willen. So läßt er sich nicht knechten von pharisäischen Satzungen. Er weiß, was am Sabbath recht sei und was nicht, und ist Herr über denselben: nicht aber stellt er sich als Buchstabenknecht zum Sabbath in der Weise, wie es die Pharisäer taten. Von einer Geringschätzung des Gesetzes, oder von der Aufrichtung eines neuen Gesetzes, entgegen dem Gesetze Moses, ist bei Jesus nicht die Rede. – Wohl aber hat Jesus, als er nach dem vornehmsten Gebot gefragt ward, die Liebe Gottes und des Nächsten als solches genannt und als das alle übrigen Gebote in nuce enthaltende, Mt 22,36-40. Aller anderen Gebote Erfüllung hängt davon ab, daß man Gott liebt und den Nächsten. Das ist das Gleiche, wie wenn Paulus sagt: die Gebote der zweiten Tafel würden durch das „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“ gleich als in einer Summa zusammengefaßt; und abermals: „die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung“. Röm 13,9-10.
Ich freue mich sehr in dem HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir Kleider des Heils angezogen, mit dem Mantel der Gerechtigkeit mich bekleidet, ... Jesaja 61,10

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§61. Das prophetische Amt Christi (Munus propheticum) Teil 2

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§ 61. Das prophetische Amt Christi (Munus propheticum) Teil 2

Denn, wo Liebe ist, da ist man in allen Stücken auf dasjenige bedacht, was Gott zu Ehren und dem Nächsten zum Besten gereicht; da kann man weder gegen Gott sündigen, noch auch dem Nächsten Böses zufügen. Röm 13,10. Daß die Liebe zu Gott auf dem Glauben an Gott beruht, versteht sich von selbst; denn nur der Glaube vermittelt die Erkenntnis des Gegenstandes unserer Liebe. Dieses Gebot der Liebe war aber sehr von der herrschenden pharisäischen Theologie in den Hintergrund gedrängt, obgleich das A.T. ihm in gebührender Weise Rechnung(202) trug 5.Mose 6,4.5; 22,1-4 ; 3.Mose 19,18; Mi 6,8; Hos 6,6 ; Sach 7,9ff., wie denn die ganze heilige Geschichte auch des A.T. davon Zeugnis ablegt. – Wegen dieser Zurückstellung des Gebotes der Liebe des Nächsten schärfte Jesus dasselbe den Jüngern auch wohl als ein neues Gebot ein; neu nämlich für sie und die Lehrer jenes Zeitalters: Joh 13,34. Vor seinem Scheiden gibt er den Jüngern das Gebot einander zu lieben, und nennt dasselbe neu, wie er auch sonst einmal seine Lehre als neuen Wein bezeichnet, im Gegensatz zu dem alten Wein der pharisäischen Observanz. Diese Neuheit des Gebots der Liebe ist unmöglich im strengen Sinne des Wortes zu nehmen. Vielmehr alt und neu zugleich nennt es auch Johannes im 1. Brief 2,7-10, und er erklärt dies Gebot der Liebe im 1. Brief 3,11 ausdrücklich für ein solches, das sie schon von Anfang gehört haben. Und dabei greift er in Vers 12 zurück auf das Beispiel von Kain, welcher den Bruder nicht liebte, sondern mordete. Neu ist ferner die besondere Form, in welcher das Gebot den Jüngern durch Jesus anempfohlen wird, nämlich daß die Jüngerliebe sich an der Jesusliebe ein Vorbild nehmen solle. Die Sache selber ist, wie aus dem Johannesbrief deutlich wird, uralt. Diese Liebe, welche der Herr seinen Jüngern einschärft, ist aber keine bloße Sache des Gefühls, sondern sie bewährt sich in der Haltung der Gebote Jesu und Gottes (Joh 14,15, vgl. 2.Mose 20,6; 5.Mose 5,10; 7,9; Neh 1,5; Dan 3,4), weiter dem Nächsten gegenüber in nützlichen Werken, welche uns speziell die Samariterliebe unseres Herrn vor Augen geführt hat. Petrus hat den Herrn ganz recht verstanden, denn gleich, nachdem er von jenem neuen Gebot gehört, will er sein Leben für Jesus dahin geben, Joh 13,37, freilich ohne die nötige Selbsterkenntnis. Die Belehrung, welche Jesus als Prophet erteilte, erstreckt sich ferner auch auf die Zukunft seines Reiches, und so gehören seine Parabeln und Weissagungen hierher. Er hat in Mt 13 in allerlei Parabeln die Erscheinung seines Reiches auf Erden illustriert und zwar besonders nach der Seite der Extensität und Modalität. In Mt 24 faßt Jesus dagegen mit prophetischemBlick seine Wiederkehr zum Gericht ins Auge, und zwar geschieht dies so, daß er die Bilder für seine Schilderung aus dem nächstliegenden Zeitraum entnimmt. Die Epoche, welche seiner Wiederkehr zur Zerstörung Jerusalems vorausgeht – denn diese ist in Mt 24, sowie schon Mt 10,23, zunächst gemeint – erweitert sich seinem prophetischen Blick zur Schlußepoche der Weltgeschichte überhaupt.

Nach der Propheten Art schildert Jesus den Anfang des Gerichts über das abtrünnige Volk Israel gleich als schließliches Gericht über die abtrünnige Welt. Er absolviert das eine gleich mit dem andern; denn die Entwicklung des Volkes Israel ist vorbildlich für die Entwicklung der zur Teilnahme an seinem Reiche berufenen Heidenwelt überhaupt. Aber nicht nur in Beziehung auf das Gesetz und die Zukunft seines Reiches, sondern auch im Hinblick auf seine eigene Person ist Christus Prophet. Er redet aus der Fülle des Geistes von sich als dem Gegenstand des Ratschlusses Gottes, Mt 9,13; 18,11; Mk 10,45; Joh 4,34; 6,38-40; er redet von der in seiner Person erschienenen Wahrheit; auf sich selber weist er als die Wahrheit, als den Weg zu Gott, als die Auferstehung und das Leben, Joh 14,6; 11,25, insofern als er das alles uns durch sein Verdienst vermittelt und vom Vater erwirkt. Er ist der Weinstock Joh 15,1; der gute Hirte Joh 10,11.12; die Tür für die Schafe 10,7.9; sein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und sein Blut wahrhaft ein Trank zum ewigen Leben Joh 6,55.56. Es ist der Wille des Vaters, daß ein jeder, der ihn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe V.40.47. Mit diesem Propheten ist die Gnade und Wahrheit unter Menschen persönlich erschienen, welcher Mose nur Zeugnis gab, Joh 1,17. Wir brauchen uns nur an die Erklärungen dieses Propheten zu halten, die er über sich selbst gibt, besonders im Johannesevangelium, so haben wir die Wahrheit in unss;(203) eine Worte sind geisterfüllt und erfüllen die Glaubenden mit Leben, Joh 6,63. Wer an diesen Propheten glaubt, der wird nach Joh 7,38 selbst für andere eine Quelle des Lebens (vgl. 4,14). Seine Gebote sind nicht schwer, Mt 11,30; 1.Joh 5,3; denn er selbst hat uns durch sein prophetisches Amt den Geist erworben, und teilt ihn mit, so daß die Seinigen sie halten aus herzlicher Liebe zu ihm, Joh 14,15. Und das führt uns auf Jesu prophetisches Amt im Stande der Erhöhung. Durch seinen Geist setzt Christus dieses Amt auch nach seiner Himmelfahrt fort. Nach Joh 14,18 läßt er die Seinen nicht verwaist zurück, sondern sie sind nach V.20 in ihm und er in ihnen, und die Mitteilung aller durch Christus erworbenen Güter findet fort und fort statt. In einer für alle offenbaren Weise geschah solche Mitteilung prophetischer Gaben am Pfingsttage Apg 2, wo sich Joel 3,1ff. erfüllte. In der ersten Christengemeinde war die Gabe der Prophetie und das Amt der Propheten etwas ständiges (1.Kor 14,1; Eph 4,11). Alle wahre Erkenntnis, alles Licht wird uns noch immerdar zuteil kraft einer Wirkung des prophetischen Amtes Christi, durch welches Christus das rechte Reden für die Seinen dargestellt und erworben hat. Und zwar wird die Frucht dieses Amtes uns vermittelt durch den heiligen Geist, welcher bei uns bleibt, Joh 14,16.17; Röm 8,11, und die erworbene Erkenntnis Christi, das durch ihn für uns erworbene Licht uns zueignet und Christus ganz eigentlich uns vor Augen malt: Gal 3,1; vgl. Jes 30 20.21. Erkenntnis, Licht, rechtes, wahres Reden von Gott wäre nicht in der Gemeinde zu finden, falls nicht Jesus Christus aus der Fülle des Geistes recht geredet und uns auch nach dieser Richtung hin in seiner Person dem Vater ohne Flecken und Runzel dargestellt hätte: Eph 5,27. Christus Jesus ist auch darin der andere Adam und unser Haupt, (204) daß er allein unser Meister und Lehrer ist und bleiben will, Mt 23,8; wir dagegen sind alle Brüder, die immerdar, und zwar alle ohne Ausnahme, von ihm lernen müssen, ja Licht um Licht zu schöpfen haben aus seinem prophetischen Amt und der dadurch erworbenen und uns zugeeigneten Erkenntnis von den göttlichen Dingen, 1.Kor 1,24.30. Von dem fröhlichen Gedeihen der Gemeinde Christi kraft der Wirkung dieses prophetischen Amtes Christi und unter den Auspizien(205) dieses allerhöchsten Propheten weissagt Jesaja 35,1-8 (besonders V.5.6.8.) und 54,1-13; Jer 31,34; Joh 6,45; Offb 21,10ff. K. 22. Von einer fort und fort durch das Wort der Predigt auch den später Lebenden zugute kommenden Sendung Jesu redet Petrus in Apg 3,20. Diese Sendung vollzieht sich bis heute durch die apostolische Predigt und macht die einmalige Sendung im Fleisch tatkräftig auch für uns. Die Propheten waren in der ersten christlichen Gemeinde ständig (vgl. die neuaufgefundene „Lehre der Zwölf Apostel“ ed. Bryennios, S. 47). In Zürich richtete Bullinger das Amt der Prophetie wiederum ein.
zu.202 Dies gilt auch von der Feindesliebe, welche man in höchst verkehrter Weise dem A.T. hat absprechen wollen; s. dagegen 2.Mose 23,4,5; 3.Mose 19,18a; Spr 24,17; Hiob 31,29 u.a.m.
zu.203. Vgl. meine Schrift: Von der Incarnation des göttlichen Wortes, S. 98
zu.204. Chef, wie Calvin in der französischen Institutio sagt.
zu.205. Schirmherrschaft.
Ich freue mich sehr in dem HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir Kleider des Heils angezogen, mit dem Mantel der Gerechtigkeit mich bekleidet, ... Jesaja 61,10

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§ 62. Das hohepriesterliche Amt Christi (Munus sacerdotale)

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§ 62. Das hohepriesterliche Amt Christi (Munus sacerdotale)

Die Berufsgeleise unseres Herrn waren schon vorgezeichnet und anfäng-lich betreten worden durch die im Volke Gottes bestellten Propheten, Prie ster und Könige. In diesen Geleisen hatte der Erlöser auch als der Hohepriester seines Volkes abermals einherzugehen. Wir sahen, in welcher Weise der Herr dies als unser oberster Prophet getan. Zum rechten Reden fügt Christus auch das rechte Handeln hinzu. Wir aus uns selber, in statuquo, können weder das eine, noch das andere auf Gott wohlgefällige Weise verrichten. Christus tat solches als der von Gott bestellte Hohepriester. Vergegenwärtigen wir uns kurz die Funktion eines Priesters. Die Priester waren solche, die in voller Tätigkeit vor Gott und später vor dessen Sitz im Allerheiligsten dastanden und gemäß göttlicher Vorschrift handelten. Sie brachten die Opfer dar, und vor Alters waren die Väter und Erstgeborenen solches zu tun berufen, – eine Funktion aber, mit der seit Mose der Stamm Levi betraut wurde: 4.Mose 3,41; 8,16-18. Als Hauptvertreter dieses Stammes wurden die Priester (Aarons Geschlecht) angesehen – und unter ihnen ragte wieder der Hohepriester hervor, in welchem der Levi eigentümliche Beruf sich in seiner Vollendung zeigte. Zunächst war ja nämlich ganz Israel selber ein Königreich von Priestern, von solchen also, die recht vor Gottes Antlitz handeln: 2.Mose 19,6. Aber das an sich unreine Israel soll solches Vorrecht nicht als etwas Selbstverständliches besitzen, sondern als eine Gnadengabe. Und so sollen denn nicht alle ohne Unterschied die priesterlichen Funktionen ausüben, sondern ein Ausschuß des Volkes ist mit diesen Funktionen betraut. Dieser aus dem Stamme Levi genommene Ausschuß tritt in der Stiftshütte vor Gottes Angesicht handelnd auf und bewirkt dadurch, daß die in der Stiftshütte gegebenen Wohltaten auf die Dauer und unbehindert durch die Sünde und Schuld der Einzelnen dem Volke zu gut kommen. Die Gesamtheit dieser priesterlichen Funktionen diente nach 1.Chr 6,34 (49), um Israel im Ganzen, wie den einzelnen Israeliten zu bedecken oder zu versöhnen vor Gott. Dies geschah an jener Stätte, die nach 2.Mose 25,40 ein Abbild und Schattenriß der himmlischen Dinge war – wo also jeder Schritt und Tritt, den die Priester taten, bedeutungsvoll und ein praesagium rerum coelestium war, Hebr 8,5. Täglich floß hier das Blut der Versöhnung, und stieg empor das Rauchopfer der Dankgebete für die empfangene Versöhnung. Und so waren auch alle anderen heiligen Handlungen höchst bedeutungsvoll. Diese Bestimmung der Priester, das Volk vor Gott angenehm zu machen, gipfelte nun aber im Hohenpriester. Dieser war es auch, der allein Gott im Allerheiligsten nahen durfte und zwar mit dem Blute des Opfers, einmal im Jahre, 3.Mose 16; 2.Mose 30,10.


In ihm, dem levitischen Hohenpriester, nahte sich dann aber Israel seinem Gott. Hebr 7, 25. Er vertrat das Volk vor Gott Hebr 5,1 und hat Anteil an des Volkes Schwachheit, ibid. V.2, weshalb er auch zuerst für sich selbst ein Opfer bringen muss. V.3, vgl. 3.Mose 9,7.8 (vgl. Hebr 7,27) Kap 16,3ff. Derselbe ließ die Kinder Israels in seiner Person zu Gott nahen; er trug, um solches auch äußerlich zu bezeugen, die Namen der 12 Stämme, die auf einem von der Brust herabhängenden Schilde eingeschnitten waren, an sich. 2.Mose 28,15.29. Er war für Israel, und ihm zu gut, mit den Urim und Thummim bekleidet; d.h. er hatte Licht und sprach Recht in der Gemeinde (2.Mose 28,30). Auch lag es diesem Hohenpriester ob, den Segen Gottes auf sein Volk zu legen, 4.Mose 6,24-27, einen Segen wider den Fluch, den die Sünde mit sich bringt, und endlich er versöhnte am großen Versöhntage das ganze Volk. Einmal im Jahre, zum Vorzeichen dafür, daß die Sünde werde weggenommen werden an einem Tage auf Golgatha. Zu diesen und ähnlichen Funktionen der Priester und des Hohenpriesters bietet nun die hohepriesterliche Funktion Christi das Gegenbild; sie ist schon hier in ihren großen Grundzügen von Gott vorbildlich sanktioniert worden. Der Hebräerbrief verfährt einerseits so, daß er von dem gesetzlichen Priestertum ausgeht und das Opfer Christi, sowie seinen Dienst in Gottes Heiligtume durch die Analogien aus dem Pentateuch den Lesern ans Herz legt. Hebr 5,1-10; 7,26-9, 22; 10,11-19. Aber freilich ist andererseits nach der ganzen Darstellung des Hebräerbriefes Christus ein um so Trefflicherer und Höherer, als er ja das Urbild ist, das Gesetz aber nur den Schatten der zukünftigen Güter hat. Hebr 10,1.4-10. Das Gesetz hat nur den Buchstaben der Dinge; wer Christus persönlich zu eigen hat, nicht etwa bloß im äußeren Bekenntnis, der besitzt den diese Buchstaben lebendig machenden Geist. Was Moses Satzungen in allerlei Bildern präliminierten, das prästiert Christus. Das Gesetz war ja schwach; es konnte nicht vollkommen machen; vgl. Hebr 7,19 und Röm 8,3 : es war gleichsam krank – nämlich durch das Fleisch, das ihm überall hindernd in den Weg trat. Ein anderer, ein zweiter Adam mußte daher kommen nach der uralten und stets erneuerten Verheißung. Und so ist es geschehen. Ps 110,4 ist deutlich von einem andern Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks die Rede, das nach dem des Aaron noch nötig sei. Nun dieser Verheißung entspricht Christus. Er ist der Andere, von Aaron Verschiedene, Höhere. Er ist zwar aus Abrahams Samen, aber nicht aus Levi, so hat er denn bei aller Zugehörigkeit zu Israel doch etwas außerordentliches an sich und gleicht darin eben Melchisedek. Und wenn nun Christus als Hoherpriester auftritt, so ist er dazu nicht verpflichtet, sondern er tut es an der Brüder Stelle. Ihn hat Gott vor allen dazu bestellt: Ps 2,7; und zwar durch einen Eidschwur: Ps 110,4. Aaron war nur ein Schattenriß dessen, der zukünftig war. Christus bringt das Wesen mit sich: er hat nicht amtlich im Tempel geopfert. Nach Hebr 5,7, wo von den Tagen seines Fleisches geredet wird, hat Christus Gebet und Flehen zu dem geopfert, der ihn vom Tode zu retten vermag mit starkem Geschrei und Tränen – von einem Tode also, in dem er sich befand. In Gethsemane sehen wir ihn seines priesterlichen Amtes walten – er ist Priester und Opfer zugleich. Er ist demnach zwar von Schwachheit umringt gewesen, aber dabei ein in seinem Beruf sich als heilig und unbe-fleckt erweisender Hoherpriester. Hebr 4,15; 7,26. Um den Satzungen und Zeremonien des aaronitischen, gesetzlichen Hohenpriestertums zur Leben setzenden Wahrheit (zur Aktualität) zu verhelfen, mußte ein zwar uns Gleicher, aber dennoch über Aaron erhabener, außerordentlicher Priester auftreten, von dem wir ein Vorbild haben an Melchisedek, vor dem sich selbst Abraham demütig beugt (1.Mose 14,18ff. vgl. Hebr 7,1ff.) Und die-ser Priester, Jesus Christus, ist es nun, der sein Volk vertritt vom Morgen bis zum Abend und reell leistet, was Aaron und seine Söhne nur in schwa-chen Vorbildern voraus andeuten. Er tritt ein für sein Volk mit seinem Ge-horsam vor Gott, dessen Willen zu tun er kam (Hebr 10,5-10); er versöhnt es mit dem Opfer seines Leibes einmal (7,27), und schafft die Sünde ein für allemal fort (9,26), und hat eine ewige Versöhnung gefunden (9,12). So erfüllt sein priesterliches Handeln und sein Opfer denn in Wahrheit, was das zeitliche oftmals wiederholte Tun Aarons nicht vermochte. Wovon Aarons Handeln und Opfer bloß predigte, das stellt Christus, der über Aaron steht, wahrhaftig dar. Hebr 9,11-28. Er ist es, der die heiligen Symbole in der Stiftshütte ins Leben übersetzt und zusammenfaßt in seiner Person. Er ist es, der alle Opfer und Reinigungen in sich als erfüllt aufweist; Er ist die Sonne, welche der mosaischen Stiftshütte allen Glanz nimmt, den sie von alters her besessen; Er ist es, der fortan allein vor Gott priesterlich eintreten und für uns handeln will. Röm 3,25; 1.Joh 2,2; 4,10; 1.Petr 2,24; Hebr 7,27; 9,12; 10,4-10. Dieses Handeln Christi zerfällt nun in zwei Teile: der eine Teil ist die Genugtuung oder satisfactio; der zweite Teil ist das beständige Eintreten für uns vor Gottes Thron, die intercessio. Jener Teil fällt in den Stand der Erniedrigung, dieser in den der Erhöhung. Wir wollen diesen zwei Teilen eigene Paragraphen widmen. Von vornherein aber verwahren wir uns ernstlichst gegen Al. Schweizers frivole Ablehnung der alttestamentlichen Darstellungsmittel des vorliegenden Geheimnisses, welche uns die Apostel doch selbst an die Hand gegeben, besonders Paulus im Galaterbrief und der Hebräerbrief (s. Die christliche Glaubenslehre II, S. 132). Wer so redet, stellt sich damit zu einem Male völlig außerhalb der Gemeinde Jesu Christi. – Daß uns aber auch Ritschls hierher gehöriges Werk von der Rechtfertigung und Versöhnung nicht freuen kann, obschon dasselbe sich auf dem Alten Testament auferbaut, erklären wir gleichfalls von vornherein. DiesesWerk ist statt grundlegend vielmehr grundstürzend und ein Rückfall in den Socinianis- mus (s. das Nähere zu § 64 a. E.) Zu empfehlen ist F. Turretins Werk De satisfactione Christi und Kohlbrügge, Das gnadenvolle Geheimnis des großen Versöhntages.
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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters

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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters

Gott, der Dreieinige, hat in seinem Ratschluß eine Satisfaktion beschlos- sen und für den Executor derselben hat er selbst gesorgt. Bei der Beurtei- lung der Notwendigkeit der Satisfaktion und des Wertes des Erlösers überhaupt geht man in der Theologie von alters her in zwei Richtungen auseinander. Es gibt eine Reihe von Lehrern, welche die Satisfaktion aus der Liebe Gottes ableiten und sie nur als ein etwa auch zu umgehendes Mittel der Wiederherstellung des Menschen zu Gott hin auffassen. Als Folge der Erlösung wird dann aufgestellt Mitteilung der Unvergänglichkeit, Wiederherstellung des Ebenbildes Gottes im menschlichen Wesen, die Ermöglichung einer richtigen Erkenntnis Gottes, kurz lauter Folgen, die auf die göttliche Willkür gestellt sind, ohne daß sich letztere mit der Gerechtigkeit auseinander gesetzt hätte.(206)Bei dieser Auffassung gerät man auf die pantheistische Ergießung eines neuen göttlichen Lebens in die Menschheit und wird also die ganze Erlösung zu einem Erneuerungsprozeß und einer Vergottung der abgefallenen Menschheit; die Rechtfertigung und Heiligung werden einander gleichgesetzt oder konfundiert. Auf der entgegengesetzten Seite stehen Männer, wie Anselm und einseitige Nachfolger desselben unter den späteren Theologen. Anselm stellt Gott (vgl. „Cur Deus homo“) als durch die Schuld der Menschen in seiner Ehre, also persönlich beeinträchtigt dar. Gott ist persönlich beteiligt bei der zu seiner Würde passenden Satisfaktion. Gott wird in seiner Stellung zu den Menschen abhängig von dem Wechsel der Dinge hiernieden, immer freilich von dem Höchsten, was geschehen konnte, von der Genugtuung Christi. Aber Gott wird abhängig! Gott wird durch die Genugtuung Christi befriedigt, um nach empfangenem Ersatz die Vergebung der Sünden dem darauf eingehenden Menschen zuzuwenden. Man sieht, daß diese Darstellung, die von der durch die Genugtuung erst aus ihrem Banne befreiten Liebe ausgeht, auf den Dualismus hinausläuft, hüben und drüben also eine philosophische Verirrung, einseitiges Festhalten an einer Seite der Wahrheit und keine Unterwerfung unter die heilige Schrift (vgl. o. S. 63ff. 66ff.) Die erste Klasse der Theologen überspannt die Liebe Gottes; dieselbe wird zur Willkür. Die zweite Klasse überspannt dagegen die Stellung der Kreatur, als welche nie im Stande ist, den unveränderlichen Gott durch ihren Abfall zu nötigen, daß er seinen Sohn in die Welt sende, damit derselbe nach streng juristischem Regelmaß eine Satisfaktion dem beleidigten Gott darbringe. Die Liebe Gottes, sagen wir dagegen, erscheint nicht erst deshalb dem Menschen zugewandt, weil sie durch Christi Genugtuung hervorgerufen wäre. Vielmehr sagt der Apostel (Röm 5,8), daß die Aufopferung Christi diese Liebe zu ihrem Motiv habe und uns dieselbe vergegenwärtige. Umgekehrt aber ist die Liebe keineswegs mit dem natürlichen Liebesdrange (στοργή), welchen besonders die Mystiker in Gott annehmen, zu verwechseln (s. S. 68). Sie kennt ihre Zeiten und Stunden, sie weiß von Maß und Billigkeit. Und so hat denn Gott in seinem Worte in der Tat die Genugtuung Christi wiederholt als die Bedingung bezeichnet, unter der es seiner Ehre und Gerechtigkeit allein möglich sei, den Sündern zu vergeben und denTod aufzuheben, ja Leben und Gerechtigkeit an das Licht zu bringen. Diese Lehre von der Genugtuung Christi ist nun das tiefste Geheimnis des Christentums; an ihr hängt Himmel und Erde, dieses und das zukünftige Leben. Nehmen wir den rechten Bürgen fort, so stehen wir vor dem doppelten Abgrund, einmal des Pantheismus, das andere Mal des Dualismus.(207)
zu.206. Ritschl, Die chr. Lehre v.d. Rechtfertigung etc. I,42 bemerkt, daß die griechischen Väter auf dieser Seite stehen, was damit zusammenhängt, daß sie auch die Sünde vielmehr als Schwäche und Elend, denn als Schuld fassen. Immerhin ist Athanasius von dieser Anklage auszunehmen, der den Strafwert des Todes Christi richtig zu schätzen weiß (s. Thomasius Dogmengesch. I, 389; vgl. Dorner lI,2,533ff.). Ebenso Eusebius, Demonstr. evang. X, Kap 1.Auf Seiten des Pantheismus behauptet man eine Unveränderlichkeit Gottes, wobei derselbe weder von der Sünde noch von der Satisfaktion Christi persönlich berührt wird. An der Sünde kommt nicht die Schuld, sondern das Elend und die Schwäche in Betracht, und an dem Werke Christi der Erguß eines neuen göttlichen Lebens. Die Kreatur verschwindet, oder wird zum Appendix der Gottheit, oder nur durch große Inkonsequenz wieder als freies Wesen auf die Füße gestellt.
zu.207. Wir erkennen Ritschls Ausführungen a.a.O, I, Kap 1-3 als sehr anregend an dieser Stelle an.


Auf Seiten des Dualismus wird dagegen die Gottheit beschränkt und, ganz deistisch, zu einer relativ höchststehenden Person, welche in den Wechsel der menschlichen Verhältnisse und Rechtsbegriffe hineingezogen wird und sich erst zufolge des Ersatzes ihres Rechtes durch Christus zur Vergebung der Sünden den Menschen gegenüber bereit finden läßt. Das weitere höchst bedenkliche Moment ist dabei, daß der Mensch erst Christi Satisfaktion annehmen muß und aufgrund derselben von Gott als eine Rechtsperson behandelt wird, welcher Gott die Seligkeit, wenn wie eben will, um diesen Kaufpreis (Christus) zuerkennt. Nach Aufhebung der Schuld der Sünde fängt die Sache eigentlich von vorn wieder an und mit den Behelfen, die Christus geliefert, arbeitet man sich in den Himmel. Der Begriff der Gnade und die Anschauung von der Erlösung als einer neuen Schöpfung gehen hierbei völlig verloren. Allein die Satisfaktion Christi ist geeignet, einerseits das göttliche Wesen von dem Vorwurf der Willkür zu befreien und andererseits die Gefahr zu beseitigen, daß die Kreatur Gott gegenüber auf freien Fuß gestellt wird. Es ist Liebe, aber amor iustitiâ tem-peratus et ordinatus, was uns das Evangelium predigt. Andererseits ist aber auch die Kreatur durch diese satisfactio Christi auf ihrem Platze gehalten. Der höchste Gott ist nun wirklich befriedigt durch diese den Charakter der Notwendigkeit an sich tragende und weise geordnete Genugtuung. Das absolute Äquivalent ist gefunden, und der höchste Richter läßt sich nicht noch ein zweites Mal, durch die Kreatur nämlich, befriedigen – sondern er rettet uns, um mit Paulus Worten zu reden, Röm 5,8-11, nun um so vielmehr, nachdem er erstmals schon uns hat retten wollen (in seiner Liebe). Schon als Feinde waren wir Gegenstand seiner liebenden Fürsorge und es wurde Christus für uns in den Tod gegeben; wievielmehr werden wir, als nun Versöhnte, bewahrt werden – in seinem Leben. Also der Tod des Sohnes Gottes, die Satisfaktion Christi, wirft das entscheidende Gewicht in die Schale, die sich von Anfang an schon – gemäß Gottes Liebe – zu unseren Gunsten neigte. Also bewahrt Gott seine Souveränität bei aller Gebundenheit an die Satisfaktion Christi. Fragen wir also nach dem treibenden Prinzip der Satisfaktion, so ist die Antwort: Das treibende Prinzip bei der Satisfaktion Christi war obenan die Liebe.(208) Es geschah aus freiwilliger Liebe, daß Gott seinen Sohn in die Welt sandte. Joh 3,16; 1.Joh 4,9.10; Röm 5,8. Aus dieser freiwilligen Liebe ging die Versöhnung hervor (s. § 14). An diesem Liebesrat beteiligt sich auch die Gerechtigkeit (s. § 15) und Heiligkeit (s. § 16). Gott, der heilige, muß nämlich zu seinem Recht kommen, dem heiligen Gesetz Gottes muß Genüge geschehen. Alsdann erst kann die Liebe frei sich ergießen. Wäre Gott nicht zu seinem Rechte gekommen, wäre das geschändete Gesetz, auf dessen Übertretung der uneingeschränkte Tod stand (1.Mose 2,17), nicht ferner berücksichtigt worden, so würde ein dauerhaftes Glück und eine ewige Seligkeit durch jenen Liebesrat nicht begründet worden sein. Das Reich Gottes wäre dann ein Reich der Seligkeit ohne Gerechtigkeit und Heiligkeit. Daher bezeichnet auch die Schrift die Erlösung durch Christ us a.a.O. als Ausfluß der Gerechtigkeit Gottes. Christus in seinem Blute dient zum Erweis der Gerechtigkeit Gottes: Röm 3,25.26. Im Evangelium wird „Gerechtigkeit Gottes“ geoffenbart; es wird offen dargelegt: wie es dahin kam, daß Gott gerecht sei und bleibe, auch wenn er Sünden vergebe, ja wenn er den Gottlosen gerecht spreche. Röm 1,16.17; 4,5.
zu.208. So sagt Calvin, Inst. II,16. § 3: Weil der Herr was in uns sein ist, nicht verderben will, so findet er an uns noch etwas, was er nach seiner Güte lieben kann: denn wie sehr wir auch durch unsre Schuld Sünder sind, so bleiben wir doch seine Geschöpfe; haben wir uns auch den Tod zugezogen, so hatte er uns doch zum Leben geschaffen. – Gleiches sagt auch Beda zu Röm 5.
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Leo_Sibbing
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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 2

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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 2

Diese durch Gesetz und Propheten bezeugte Gerechtigkeit Gottes wird zuwege gebracht durch Jesus Christus oder durch die von ihm erwirkte Loskaufung, Röm 3,21.22.24. Es geht mit rechten Dingen zu, es ist Gerechtigkeit Gottes darin anzuerkennen, wenn der Gottlose vor dem Richterstuhl Gottes frei ausgeht, und zwar deshalb, weil das Blut Jesu Christi das ratschlußmäßige Lösegeld und der Loskaufspreis, λύτρον ἀντὶ πολλῶν, (Mt 20,28; Mk 10,45) ist. Von der allgemein gefühlten Notwendigkeit einer Satisfaktion zeugen bereits die Sagen und Religionsgebräuche der Völker. Als höchstes Opfer galt in den Religionen des Orients das Menschenopfer (vgl. Eusebius, Präp. eV. l. IV, C. 16), wo einer für alle sich in den Tod gab, um den Frevel zu sühnen und dadurch sein Volk von einer Plage zu erlösen. So geschah es z.B. bei den Moabitern, 2.Kön 3,27; dann bei den Phöniziern, wo Königssöhne geopfert wurden, um der Gottheit Zorn zu besänftigen, oder von ihr etwas zu erlangen. Dahin gehören auch die Beispiele des Römers Curtius und des Athener Königs Kodrus. Es gebe etwas Stellvertretendes, das bezeugt dieses Opfer laut! Als die von Gott verliehene, legitime Befriedigung dieses Bedürfnisses steht nun auf dem Boden des A.T. der ganze Opfer- dienst da, und zwar von Anfang der Welt an: 1.Mose 4,4; 8,20. Laut predigt besonders das mosaische Opfergesetz die Gott zu leistende Satisfaktion. Das gilt zunächst von dem Gesetz des Brandopfers (die An-weisung dazu s. 3.Mose 1,1ff.). Wer vor Gott erscheinen und in die selige Gemeinschaft mit ihm gelangen will, der muß dies durch ein Opfer tun; es bedarf eines Mittels der Annäherung nach Gottes gnädigem Befehl. Auf dieses Opfer hat der Mensch die Hand zu legen; womit nach naheliegender Deutung die Sünden auf das Haupt dieses Tieres übertragen wurden. Diese Symbolik wird in 3.Mose 16,21 in eigentlichen Worten erklärt. Demnach bekannte Aaron alle Sünden des ganzen Volkes und übertrug sie auf das Haupt des Sündenbockes, während er die Hand auf das Haupt des Tieres legte. In anschaulicher Weise soll dieser Vorgang den Glauben des Menschen anzeigen, womit er sich das von Gott gegebene Opfer aneignet und seine Schuld auf das schuldlose Tier überträgt. Und nun folgen zwei weitere wichtige Momente: Erstlich: die Vernichtung des Opfers durch Schlachtung und Verbrennung: beides dient zur Kennzeichnung dessen, was der Sünder verdient hat von Seiten Gottes; und zweitens: die gnädige Annahme des Opfers durch Gott. Der Tod und die Vernichtung ist das erste, was das Opfer in stellvertretender Weise zu erdulden hat. Aber mit der emporlodernden Flamme steigt zugleich empor der Geruch des Opfers, und dieser ist für Jahwe ein zufriedenstellender oder ein beruhigender, 3.Mose1,9; vgl. 1.Mose 8,21. Gott ist durch die Vermittlung des Opfers zufrieden mit dem Sünder, und der Sünder erlangt Frieden mit seinem Gott; eine Ausgleichung fand statt mittelst des Opfers; Friede ist vorhanden und ein Zugang zum Throne der Gnade in dem Opfer, das Gott selber befohlen. 3.Mose 1,4. Neben der gänzlichen Verbrennung fand auch bloß Sprengung des Blutes oder Benet-zung der Altarhörner zur Sundenbedeckung statt. 3.Mose 4,5-20.30.31 etc. Das Blut, als das aus dem Körper entströmende Leben des stellvertre-tenden Tieres, bedeckt schützend und sühnend das Menschenleben; 3.Mose 17,11; Hebr 9,22.

Der stellvertretende Charakter des Sündopfers liegt gleichfalls zutage und hat seit alter Zeit und so auch wieder bei den neuesten Exegeten (209)die vollste Anerkennung gefunden. Auch die Speis- und Dankopfer haben den gleichen Charakter, daß sie nämlich an Stelle dessen, was der Sünder Gott nicht leisten kann, eintreten und Gotte ein volles Genügen verschaffen sollen (Hes 45,15.17) Es ruht der Satz, daß Gott einer Satisfaktion bedarf, auf einem viel tausendjährigen usus. Besonders sticht dies in den mosaischen Opfern hervor. Zwei Klassen von Opfern unterscheiden wir: die Sühnopfer und Dankopfer. Während die Brand- und Sündopfer die Sühnung des Menschen zum Zweck hatten, so haben die Speis- und Dankopfer die Heiligung zum Zweck. Christus nun, dem nach Gottes Ratschluß oblag, alle Verheißungen, die in den Vorbildern des Gesetzes niedergelegt waren, zusammenzufassen und allseitig zu erfüllen (210)Mt 5,17; Röm 10,4; Kol 2,17 – Christus hat die Satisfaktion Gott gebracht. Als Hohempriester lag ihm ob, in jedem Moment seines Lebens einzustehen für die Verwaltung der Güter und Gnaden, auf welche die Schattenbilder des Heiligtums in ihrer Weise schon die Hoffnung des alten Volkes rege erhielten. Er erfüllt mutatis mutandis alles, was die mosaischen Satzungen gleichsam präliminierten. Bot also das Gesetz Moses dem Sünder die Aussicht auf Versöhnung und Rechtfertigung bei Gott: so tat dies Christus in noch weit höherem Maße. Röm 3,25; Hebr 9,24-28. Bot das Gesetz dem Sünder die Aussicht, daß er in einem neuen Leben wandeln werde, so noch weit mehr Christus. Hebr 10,19-22. Gab das Gesetz Mittel und Wege an, um sich von der Sünde und ihren den Menschen verunreinigenden Folgen zu reinigen, so Christus viel mehr. Hebr 9,13.14. Er ist es, der, sozusagen, die im Gesetze Moses vorliegenden göttlichen Schuldverschreibungen einlöst durch sein verdienstliches Handeln. Beim Gesetz an und für sich, abgesehen von Christo, ist also nicht stehen zu bleiben; dasselbe bringt nichts zustande; Hebr 7,11.19; Röm8,3. Christus tut dies Hebr 9,11ff.; 10,1ff. Kurz alle Güter, die das Gesetz dem Volke Gottes in Aussicht stellte, zu erwirken und zu verwalten, ist unser Hoherpriester gekommen. Hebr 9,11.12; Apg 13,38.39. Indem Christus als der rechte Hohepriester vor Gott an seines Volkes Statt handelt: so hat er ein Doppeltes zu prästieren. Wir bemerkten schon oben in § 47, daß eine doppelte Verpflichtung für alle Menschen bestehe: 1. die Verpflichtung, allen vom Gesetz erforderten Gehorsam Gotte zu leisten; 2. die Verpflichtung, die Strafe für die Sünde auf sich zu nehmen. Dieser doppelten Verpflichtung genügte Jesus Christus als unser Hoherpriester und Stellvertreter. So hat denn Jesus zunächst die ganze Zeit seines Lebens auf Erden den gesamten vom Gesetz geforderten Gehorsam Gotte dargebracht und zugleich dabei den Zorn Gottes wider die Sünde und alle aus derselben hervorgehenden Strafen getragen. Jenes erstere Moment der Satisfaktion befaßt man unter dem Namen der obedientia activa, das letztere unter dem Namen der obedientia passiva.(211)
zu.209. S. Knobel Dillmann, Handbuch zu 3.Mose 4,5.20: „Das Tier vertritt den Menschen und sein Leben fällt für das des Menschen. – Das Blut des Tieres ist Sühne für das Leben des Sünders (3.Mose 17,11)“; Wellhausen, Geschichte Israels, S 67 Note; 83; ebenso unter den Älteren; s. Turretin, De satisfactione Christi, VI,6ff.
zu.210. Calvin, Institutio II,17, § 4 sagt: Aus den Vorbildern des Gesetzes lernen wir am besten die Kraft und Wirksamkeit des Todes Christi kennen.
zu.211. Den Zusammenhang zwischen aktivem und passivem Gehorsam Christi richtig gefaßt und auf die einzelnen Fälle des Lebens Christi angewendet zu haben, ist Calvins Verdienst (Inst. II,16,5). Den aktiven Gehorsam neben dem passiven. erkennen an der Heid. Kat, 36, die lI. Helv. Conf. 11 und die Form. Cons., Helv.Art. 15.
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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 3

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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 3

Indem Christus diese doppelte Obliegenheit übernahm, hat er uns gerecht hingestellt vor Gott, d.h. er hat er uns mit seiner Unschuld, Gerechtigkeit und Heiligkeit bekleidet, und uns von der ewigen Verdammnis, als der gerechtenStrafe, erlöst. Röm 5,16.18.19; 2.Kor 5,19; 1.Kor 1,30. Wie haben wir aber Christus bei der Erfüllung dieser doppelten Aufgabe uns vorzustellen? Hat er etwa, – wie man es sich etwa denken könnte – einen Teil seines Lebens damit zugebracht, daß er das Gesetz vollkommen erfüllte, und ist er sodann in einer zweiten Lebensperiode dazu übergegan-gen, rein passiv den Zorn Gottes wider die Sünde zu erdulden? Sollen wir die obedientia activa und passiva trennen? Das wäre eine zu äußerliche Trennung. Vielmehr befaßt Paulus das Gesamtverhalten Christi auf Erden unter den Ausdruck Gehorsam. Röm 5,19 ; Phil 2,6-8; Hebr 5,8. Das Tun des einen, ungeteilten Willens Gottes an die Menschen war Christi Le-bensaufgabe nach Hebr 10,5.10. Dieser Wille Gottes stellte an den Erlöser die doppelte Forderung der stellvertretenden Gesetzeserfüllung und der stellvertretenden Straferduldung. Diese doppelte Forderung erfüllt er, je nach den Umständen und nach den Aufgaben, die ihm gestellt wurden, bald aktiv – das Gesetz erfüllend – bald passiv – die Strafe erleidend, die auf allen Menschen lag. Unter den Begriff des gehorsamen Tuns fällt aber zunächst schon die Inkarnation des Logos selbst (Hebr 10,5-7); darunter fallen ferner auch seine Leiden und endlich sein Tod; auch im letzteren Falle legte er durch einen selbständigen Akt des Gehorsams das Leben von sich. Joh 10,17.18; 15,13; Hebr 10,9.10; Phil 2,8. Auch in dem vorausgegangenen Leiden bewies er den Gehorsam (Hebr 5,8) und lernte im Leiden den Gehorsam, in dem er die immer stärkeren Proben des Gehorsams, die ihm das Leiden auferlegte, bestand. Es sind also Christi Tun und Leiden zwei sich wechselseitig durchdringende und zu dem einen Gehorsam zusammenschließende Momente. „Toto obedientiæ suo cursu“ habe Christus uns Gott versöhnt, sagt Calv. II.16,5. Von dem Augenblick an, da er im Mutterleibe empfangen ward, begann (nach Calvin) das Werk der Erlösung, der Loskaufung, kurz das hohepriesterliche Wirken Christi. Und zwar tritt uns der Erlöser in allen solchen hohenpriesterlichen Handlungen als der entgegen, der die Person des Sünders vertritt. Er nimmt die Strafe auf sich und erfüllt zugleich das Gesetz; er erfüllt es, auch wo er leidet. So hat unser Hoherpriester Christus von Anfang an uns vertreten. Im Fleisch erschienen und von Schwachheit umfangen, hat er festgehalten an Gott und in der Schwachheit die Kraft Gottes verherrlicht. In der Ausrichtung der Versöhnung hat er seine hohenpriesterlichen Kleider rein bewahrt.
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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 4

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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 4

In unserem Gott ungehorsamen Fleische hat er gleichwohl den Willen Gottes getan. Den Vater im Himmel hat er verherrlicht, obgleich alles um ihn her dem Sichtbaren nachtrachtete und ihn in dasselbe hineinzuverflechten suchte, Joh 12,27.28. In den Wundertaten kämpfte Jesus mitfühlend mit den steinernen Herzen der zu Heilenden. Sein ganzer, segensreicher Wandel in Galiläa und Judäa war beständig mit Leiden verbunden. Es galt, sich im Gehorsam Gott zur Verfügung zu stellen, den Glauben zu bewahren, wo er das Gegenteil sah, und zu zeigen, wie er „Sünd, Tod, Teufel“ in seinen Händen habe und sie zu besiegen gekommen sei, statt besiegt zu werden. Und so fällt denn Christi gesamtes Werk unter den Begriff des Tuns des Willens Gottes, ein Tun, das bald mehr die Seite der Aktivität, bald vorwiegend die Seite der Passivität uns zeigt. Der Erfüllung des Willens Gottes ist dies Werk gewidmet; Stellvertretung ist der Zweck dieses Handelns Christi. Christus ist ja nämlich der Mensch, der unsere Stelle einnimmt.(212)Es tritt das Gesetz Gottes, d.h. sein heiliger Wille, mit der Forderung auf, daß wir Gott geweiht und ihm angenehm seien von der Empfängnis und Geburt an – und siehe da, unser Hoherpriester hat es geleistet. Er ist ja heilig von seiner Geburt an: Lk 1,35. Jesus war kein Kind, das an sich der Verdammnis unterworfen gewesen wäre nach Maßgabe von Ps 51,7. Dennoch will der Erlöser, obgleich er Gott – obgleich er der Logos ist – an unserer Statt angesehen und behandelt werden als ein Verdammter wie wir. Er will als unser Stellvertreter Gott Recht geben und das Verdammungsurteil über alles Fleisch auch über sich ergehen lassen und dadurch die Seinigen davon befreien. Er tritt ein in die Sphäre des Fleisches, welche das Wort Gottes mit dem Urteil des Todes und der Verdammnis belegt seit 1.Mose 2,17, vgl. Röm 5,14.17.18. Jesus erhält seinen vollen Anteil daran schon seit seiner Empfängnis und Geburt. Obschon kein Makel seiner Empfängnis im Schoß der Maria anhaftete, so sehen wir doch, daß Maria sich für ihre eigene Person und für das Kind Jesus dem gesetzlich vorgeschriebenen Reinigungsopfer unterzieht, Lk 2,22-24. Warum das? Das heilige Kind büßte hier für die fremde, nicht aber die eigene Schuld. Wenn bei der Beschneidung der Heilige Gottes das Messer, das den Israeliten für einen Todeswürdigen erklärt, und ihn in effigie gleichsam tötet, wenn er dieses Messer an seinen geheiligten Leib kommen; wenn er sich also als ein gewöhnliches Kind Abrahams behandeln läßt: so läßt er sich diese Schmach antun um unseretwillen. Zu unserem Besten wird er ferner zum Genossen des Bundes Gottes mit Abraham eben durch die Beschneidung gemacht: obgleich er ja eigentlich dieses Bundes Urheber ist. Lk 2,21; Kol 2,11.
zu.212. Wir stellen für das nun Folgende als leitenden Gedanken die Worte Leos, Sermo III De passione Domini auf:Totum illud sacramentum(Geheimnis), quod simul et humanitas consummavit et deitas, dispensatio fuit misericordiae et actio pietatis.
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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 5

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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 5

In diesen Akten läßt sich also der an sich schuldlose Erlöser hinabdrükken und eintauchen in unser Verderben, also gleichsam auf ein und dasselbe Niveau mit uns setzen, um für uns durch ein Urteil Gottes aus solcher Lage entnommen zu werden. Wir sagen „für uns“, denn sein ganzes Han-deln, welches von einem ausging, der an und für sich nicht verpflichtet war, solches zu prästieren, kommt denjenigen zu gut, die ihm durch den Glauben einverleibt sind, als hätten sie es selbst getan. Ganz in der gleichen Weise ist die Taufe Jesu zu betrachten, die nicht etwa ein Schaustück war, oder in Akkommodation an den Bußruf des Täufers geschah: dies wäre ja pure Verstellung gewesen. Der Erlöser erkennt vielmehr, indem er sich taufen läßt, Gottes Gerechtigkeit an, die in der Forderung der Taufe sich kundgab (Mt 3,15). Indem er freiwillig dem für die Heiden bestimmten Wasserbade sich unterzieht, läßt er sich wie einen Sünder aus den Heiden behandeln; er geht in den durch das Untertauchen symbolisierten Tod, um danach aufzuerstehen zum neuen Leben.(213) Er zeigt auch hier klar und deutlich, was alles Fleisch verdient; und indem also Gottes Zorn als gerecht anerkannt ward; indem er nicht von dieser Jordantaufe eximiert werden will und auch nicht werden soll, und Gott nun dadurch gerechtfertigt wird vom Sohne des Menschen: so öffnet der Himmel sich, und der Sohn des Menschen wird feierlich als Gottes lieber Sohn proklamiert. Was Jesus hier tat, nennt er ausdrücklich ein Erfüllen aller Gerechtigkeit, Mt 3,15. Das Tun des Gesetzes, die Erfüllung der göttlichen Forderungen an alles Fleisch, sowie die Strafe, welche wegen der auf uns liegenden Schuld erduldet sein wollte – hat Jesus in diesen drei bedeutsamen Vorgängen auf sich genommen. Er, der Unschuldige, hat Ersatz geleistet für die Schuldigen, indem die gerechte göttliche Strafe sowie des Gesetzes Forderungen, die uns angingen, auf ihn übertragen worden sind.
zu.213 Über Christi Taufe durch Johannes spricht sich Bucer sehr tief aus. Zwar betont auch er in erster Linie, daß der Herr, um alle Gerechtigkeit zu erfüllen und uns gleich zu werden, die Taufe des neuen Testamentes empfangen habe, aber er bleibt dann nicht bei dieser äußeren Gleichheit stehen, sondern fährt fort: „Mit diesem Tauf des Johannes hat er bezeugt sein Leiden, dadurch die Sünd der Welt, welche er auf sich genommen, wiewohl er für sich selbst ohne Sünd war, mußten abgewaschen werden, damit er dann nicht allein den äußerlichen Tauf bestätigt, sondern vielmehr anzeigt, wozu er dienen soll, und was folgen, so wir ihn mit Glauben und Erfüllung aller Gerechtigkeit würden annehmen. Denn der heilige Geist kommt gewißlich über uns, der Vater erkennt uns als seine geliebten Kinder, aber gleich müssen wir in die Prob ans Anfechten und Leiden, bis der sündlich Leib gar hingenommen wird.“ „In den Enarrationes zu Mt S. 27 D wird mehr die dem Eingehen in die Ähnlichkeit des sündlichen Fleisches entsprechende Übernahme der Bußtaufe, dieser typisch-sakramentlichen Darstellung des Mortifikationsprozesses, als die darauf basierende Genugtuung und Erlösung hervorgehoben: Das Haupt wollte auf keinem anderen Wege als die Glieder zum ewigen Leben gelangen. –Cum Dominus cetera voluit hominem agere et figura in omnibus ut homo reperiri, tum viam ad immortalitatem per mortem parare suis et munire, omnino consentaneum erat, ut et vulgari ceremonia, quae symbolum est vitam tum adiri cum pro voluntate Dei caro haec morti addicitur, hominem Dei se qooque profiteretur ac ita testaretur se autorem et ducem esse omnium qui perdendo animas suas crederent se illas inventuras.“ (Auszug aus Usteri, Die Stellung der Straßburger Reformatoren Bucer und Capito zur Tauffrage; s. Studien und Kritiken 1884, 1. Heft, S. 460).
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§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 6

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Er ist gestellt unter Gesetz, auf daß er uns aus der vom Gesetz verhängten Schuldhaft und vom Fluch desselben freigekauft habe, Gal 3,13; 4,5. Und das setzt sich nun das ganze Leben des Erlösers hindurch fort. Auch die Versuchung, Mt 4, hat die Bedeutung einer an unserer Statt geschehenen Abweisung Satans. Dem Satan sind wir verfallen seit dem Falle Adams! Da kommt nun unser Hoherpriester, vom heiligen Geist geleitet und zugerüstet, und läßt sich von Satan versuchen. Damit erkennt er Satans Recht auf alles Fleisch an, aber er zerreißt zugleich diesen Rechtstitel, indem er Satan abweist und so die Macht, den Satan abzuweisen, für alle Kinder Gottes erwirbt. Bedenken wir wohl: Gott hätte nach seiner Allmacht den Satan ganz ohne Weiteres beseitigen können. Ihm sind ja alle Dinge möglich. So aber soll vielmehr alles nach Gerechtigkeit, nach einer inneren ratio, vor sich gehen. Gegen Gott hat Satan gekämpft; nun kämpft der Sohn Gottes wider ihn, und zwar auf dem Gebiet, wo Satan sonst keinen Widerstand findet, sondern unbestrittener Sieger ist. Gott will dem Satan es zulassen, daß er sich an dem Erlöser der Menschen, der im Fleische einhergeht, versuche. Satan tut es – und verliert dabei seinen Stachel. Die Macht Satans über alles Fleisch wird im gerechten Kampfe gebrochen, eine Macht, die er, laut 1.Mose 3, gewonnen durch List und Betrug. Gott, dem Herrn der Welt, hatte Satan Abbruch an seiner Ehre getan und den Menschen gemordet, Joh 8,44: da mag er zusehen, wie er mit dem Menschen Christus Jesu fertig wird. Kann Satan diesen nicht verführen und ihn durch die Aussicht auf Leiden und Tod binden – dann ist ja seine Kraft gebrochen, ihm ist ein Riegel vorgeschoben, und die Reihe des Unterliegens (1.Mose 3,15 kommt nun an ihn; er ist gebunden und muß diejenigen freilassen, die Jesus freigelassen haben will. Mitten im Todesgebiet, dem der Teufel vorsteht, Hebr 2,14, ist nun ein Reich des Lebens dargestellt, dem Jesus Christus vorsteht: ein zweiter Adam ist vorhanden und eine neue Schöpfung ist inauguriert. Alles wird neu in Christus Jesu. Daß Christus allen Gehorsam im Leben dem Gesetze Gottes geleistet hat, tritt in Folgendem zu Tage. Was speziell die zehn Gebote betrifft, so erfüllte Christus sie treulich während seines Wandels auf Erden: Ps 40,9ff. Hebr 10,7. Ausdrücklich sagt es Jesus in Mt 5,17, daß er gekommen, das Gesetz zu erfüllen – d.h. durch Tat und Lehre dem Gesetz nachzuleben, sich ihm konform zu verhalten. Was nun zunächst Jesu Verhalten gegen Gott, also die Erfüllung der Gebote der ersten Tafel betrifft, so ehrte er Gott als seinen Vater und glaubte ihm. Das eben taten wir nicht, und lassen es täglich daran fehlen. Er nennt Gott seinen „Vater“ Joh 14,31; 15,10; 17,1; er ehrt ihn Joh 8,49; er vertraut ihm Mt 27,43; Hebr 2,13; er betet zu ihm Mt 14,23; 26,39; Mk 1,35; 6,46; Lk 3,21; 5,16; 23,46; Joh 17; Hebr 5,7; er lobt und dankt dem Vater Mt 11, 25.26; 14,19; 15,36; 26,26; Lk 24,30; Joh 11,41. Endlich er, das ewige Wort, hält sich wiederholt an dem Worte seines Vaters in der heiligen Schrift, z.B. Mt 4,4.7.10 bei der Versuchung und dann besonders in der Passion und am Kreuze. Er fragt: Wie sollen die Schriften erfüllt werden? Mt 26,54, vgl. Mt 27,46; Joh 19,28.)
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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