Tägliche Lesung aus der Dogmatik von Eduard Böhl

Nur für Gläubige, die die fünf Punkte des Arminianismus ablehnen

Moderatoren: Der Pilgrim, Leo_Sibbing

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 7

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 7

Er verherrlicht seinen Vater, dessen Gnade, Liebe und Barmherzigkeitt ohne zu schauen, im nackten Glauben, obschon Golgatha ihm vor Augen stand. Joh 17,4.6.26. Alles das geschah von ihm als dem Menschen an unserer Statt, dem anderen Adam, dem Mittler. Er steht fest zu seinem Vater und durchbricht als unser Stellvertreter alle Hindernisse, die Fleisch, Tod und Teufel ihm entgegenstellen. Sein Rufen zum Vater ist unser Ruf; wenn er im Gebete sich hindurchringt zu Gottes Herzen, so tut er es für uns. Jesus trägt als das Haupt alle Auserwählten an sich, wie der Hoheprie-ster die zwölf Stämme, und an ihrer Stelle bezeigt er dem Vater die ihm gebührende Ehre, und an ihrer Statt bewährt sich sein Glaube. Gleichwie der gesetzliche Hohepriester die zwölf Stämme Israels auf dem Brustschilde trug, so trug Jesus in Wahrheit die Seinigen auf dem Herzen. – Aber so sehr er auch an der Menschen Statt des Vaters Willen vollführte, so dauerten die über ihn verhängten Leiden dennoch fort. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste Jes 53,3 es lag zugleich die Strafe auf ihm, damit wir Frieden hätten, Jes 53,5, vgl. V.12. Als Gesetzesübertreter, als Lästerer Gottes und seines Tempels ward er behandelt und endlich als solcher gekreuzigt. Jesus Christus wird als derjenige, der die Person des gesetzwidrigen Sünders an sich genommen hat, behandelt. Wir dagegen sind seitdem losgesprochen von den Verschuldungen wider die Gebote der ersten Tafel, als hätten wir solches alles geleistet, und keine Strafe, keine Verdammung (Röm 8,1) bedroht uns, da Christus die Übertretungen versöhnt hat. Die Liebe zu dem Nächsten, also die Erfüllung der Gebote der zweiten Tafel, offenbarte Jesus zumeist in seinen Wundern, speziell in den Heilungen. Matthäus sagt 8,16.17; daß Jesus so viele geheilt habe, auf daß Jesajas Wort in Kap 53,4 von ihm erfüllt werde: „er trug unsere Krankheiten und lud auf sich unsere Schmerzen.“ In den Heilungen bewährt sich also Jesus als den verheißenen Knecht Gottes, der nach Jes 53 alle Leiden und Krankheiten für das Volk wegtrug (214). Er sah aus als der vor allen Betroffene und Leidende, vgl. Jes 53,4b. Das Heilen kostete ihn viel, den größten Auf-wand von Kräften erforderte das Gebets-Ringen um der Kranken Gene-sung. Er fühlte sich für ihr Leiden verantwortlich als das Haupt seine Gemeinde. Ohne inneres Ringen ging die Heilung nie vonstatten; es war keine erlernte Kunst, sondern aus der Tiefe holte er die Kranken mit der Allgewalt seines Gebets hervor. Dazu kam innerliche Beteiligung an dem Elend der Menschen, ihr Elend bestürmte ihn, er trug es als sein eigenes; es erdrückte ihn das Gefühl von der Größe des Fluches, den alle verwirkt hatten, von der Ungehörigkeit des status quo des Menschen. Er fühlte die Größe der Gefahr weit mehr, als der kranke Bruder selbst. Ja, den Stachel aller Krankheiten und alles Elends – den Zorn Gottes nämlich – Ps 90,7- 9, wollte er für den Erkrankten als davon mitbetroffenes Haupt seines Volkes an seiner Seele empfinden, aber zugleich überwinden.
zu.214. Er war der rechte Asasel (3.Mose 16, 10.20ff.), der die Sünden trug.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 8

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 8

Das Ungehörigeund Unwürdige der Not empfand er aufs härteste; denn er war den Brüdern in allem gleich geworden. Und grade hier nun, an diesen Kranken, verherrlichte Jesus seine Macht wohlzutun und zu heilen, das Leben aus dem Tode hervorzurufen, mit seiner Fülle die Leeren und Bedürftigen zu erfüllen. Welches Leiden und welchen Kraftaufwand dieses Heilen und besonders auch die Totenerweckungen unserem Herrn kosteten, welche Notes ihm verursachte, das Leben zu schaffen, wo es nicht war, tritt speziell aus dem mühselig hervorgestoßenen „Hephata“ uns entgegen: Mk 7,34; vgl.Mk 5,40f.; Joh 11,33.38. Trauer und Entrüstung weckte in ihm das Benehmen der bei Lazarus Erweckung Beteiligten, Joh 11,38. Mühsam ging es auch zu in Mk 8,22-25. Seine Nächstenliebe sticht ferner darin hervor, daß er während seines Wandels hiernieden mit den Hirtenlosen, den Unmündigen, ja mit den Zöllnern und selbst notorischen Sündern Umgang gepflogen hat. Mt 9,36; 11,28; Lk 15,1-7. Zu diesen Ärmsten der Armen hat er sich herunterhalten wollen und ihnen hat er den Vater offenbart, freilich nicht ohne die Sünde zu strafen. Er war sanftmütig und von Herzen demütig, so sehr auch der Unverstand der Menschentiefe Schnitte in sein zartes Herz machen und ihn zum Zorne reizen mußte. Mt 11,29. Dennoch verlor er bei seinen Schafen nicht die Geduld, sondern brachte ihnen Ruhe für ihre Seelen. Als Beispiel vgl. Joh 11 Martha und Maria. Ferner hielt er in allen Momenten des Konflikts mit seinen Gegnern, die ihm das schwerste Leiden bereiteten, an sich, schalt nicht wieder, drohte nicht, sondern stellte alles Gott anheim, der da recht richtet, 1.Petr 2,22.23. Er, der die Erde mit allem Fug und Recht, als ἐν μορφῇ θεοῦ ὑπάρχων von sich hätte stoßen können, statt daß sie ihn von sich stieß – Er war der Allerdemütigste, ein Wurm und kein Mensch, Ps 22,7, ohne Gestalt, noch Schönheit, d.h. wenig annehmbar für die, welche auf ihren eigenen Weg sahen; er sah aus wie ein besonders von Gott Geplagter und Verachtungswürdiger: Jes 53,2.3. Alles dies aber ertrug er, wie ein Lamm, Jes 53,7. Also erfüllte Jesus das Gesetz, und in eben diesem Wege erfüllte er die Propheten; vgl. Jes 42,3.4.7.19; 49,7; 50,4-6; 53,1-3. So erwies er sich als den barmherzigen Hohenpriester, und indem er also an unserer Statt handelte, leistete er Gott den erforderlichen Ersatz und deckte unsere Schuld. Zugleich stellte er aber uns ein Vorbild auf, dem kraft seines uns erworbenen Geistes nachzufolgen, einem jeden Christen aufgelegt ist. 1.Petr 2,21. Durch Christi hohenpriesterliches Handeln nach Maßgabe der zwei Tafeln des Gesetzes kommt es nun dahin, daß die Gemeinde Christi wandelt in Werken, die Gott zuvor bereitet hat für uns durch ihn: Eph 2,10. Christus hat durch sein Handeln die Früchte gezeitigt, die wir nunmehr zu pflücken und Gott darzubringen haben.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 9

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 9

Er ist uns von Gottes wegen geworden zur Quelle der Weisheit: 1.Kor 1,30. In ihm sind wir Gerechtigkeit Gottes geworden, d.h. gerecht vor Gott, 2.Kor 5,21; sein Gehorsam ist unsere Gerechtigkeit, Röm 5,19. Er hat – um es zusammenzufassen – aus Tod Leben hervorgerufen; in der Sphäre des Todes hat er ewiges Leben, Heil und Gerechtigkeit dargestellt, dem Tod samt der Sünde ihre Kraft und Herrschaft genommen und eine neue Schöpfung hingestellt. Solchen vollkommenen Gehorsam leistete Jesus auch in den vom Vater über ihn verhängten Leiden bis zum Tode. Besonders geschah dies von Gethsemane bis Golgatha. Hier erreichte der Gehorsam Christi den Gipfelpunkt. Auch hier gab er dem Vater sein Recht, auch hier ertrug er willig den Zorn Gottes wider das Fleisch und die Sünde. Losgelassen, getrennt von Gott, der sich mit Fleisch nicht befassen kann, drang er dennoch durch zu Gottes Herzen. Mt 26,39; 27,46.(215)Durch die Fluten des Gerichtszornes, durch den Bann, welchen der Fluch Gottes auf alles Fleisch und also auch auf ihn als den Bürgen und das Haupt seines Volkes legte, brach er hindurch, zu Gott hin, und besänftigte die höchste Majestät, die sonst kein Fleisch vor ihrem Antlitz dulden kann. Ein Sich-Halten an Gott mit aller ihm gebührenden Scheu und Ehrerbietung – (αὐλάβεια216) – schreibt der Hebräerbrief unserem Hohenpriester in diesem Falle zu, Hebr 5,7. Das deutet an: daß Christus, trotz allen Widerstands, den er von innen und außen erfuhr, sich gehorsam an Gott hielt, und zwar an Gott, als den, der ihn retten konnte aus dem Tode und den Qualen der Hölle, die er in der Entfernung von Gott, dem ihm zeitweilig Fernen (Ps 22,1.2; Mt 27,46) empfand. Dieses Festhalten unseres Hohenpriesters an Gott ist durch das Festhal-ten an dem geschriebenen Wort vermittelt (z.B. Mt 27,46) und solches bot Gott abermals den von seiner Gerechtigkeit erforderten Ersatz; und zu-gleich hat Jesus dadurch uns den Weg gebahnt zum gleichen Festhalten an Gott. Er ist auch hierin der Vorläufer und das uns zum gleichen Festhalten erweckende Vorbild geworden (Hebr 12,2), dem nachzufolgen der heilige Geist uns treibt. Aber trotz dieses Beharrens ist Christus doch nicht der bitterste Leidenskelch und der schimpfliche Kreuzestod erspart worden. Er soll eben den ganzen vollkommenen Gehorsam leisten und dabei doch zugleich als Sünder an unserer Statt haften und behandelt werden.
zu.215. Vgl. über Gethsemane besonders Calvin Inst. II,16,12 und Beza zu Hebr 5,7 und zu Mt 26,39: Irae paternae in nostra peccata et magnitudinis poenac apprehensio, qua nulla terribilior esse potest, humanam mentem (Christi) ad tempus hactenus ita totam retinuit, ut in eam unam esset defixa etc. (Vgl. auch Calvin zu Hebr 5,7: sensu carnis sustinuit Dei iudicium ).
zu.216. Der bekannte Hebräische Ausdruck רי } ה„ לא א } d. h. sich so an jemand halten, dass man ihn nicht los oder außer Augen lässt, würde das griechische αὐλάβεια, εὐλαβηθήσεσθαι gut wiedergeben.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 10

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 10

Dieses Festhalten unseres Hohenpriesters an Gott ist durch das Festhalten an dem geschriebenen Wort vermittelt (z.B. Mt 27,46) und solches bot Gott abermals den von seiner Gerechtigkeit erforderten Ersatz; und zu gleich hat Jesus dadurch uns den Weg gebahnt zum gleichen Festhalten an Gott. Er ist auch hierin der Vorläufer und das uns zum gleichen Festhalten erweckende Vorbild geworden (Hebr 12,2), dem nachzufolgen der heilige Geist uns treibt. Aber trotz dieses Beharrens ist Christus doch nicht der bitterste Leidenskelch und der schimpfliche Kreuzestod erspart worden. Er soll eben den ganzen vollkommenen Gehorsam leisten und dabei doch zugleich als Sünder an unserer Statt haften und behandelt werden. Denn Gott will nach seinem Ratschluß mit der Sendung Christi den doppelten Zweck erreichen:
1. daß unsere wohlverdiente Strafe (1.Mose 2,17) von einem Stellvertre-ter, der aus unserer Mitte ist, abgebüßt werde, weshalb es heißt, daß die Strafe auf ihm lag: Jes 53,5, und
2. will Gott außerdem noch die Wiederherstellung der Gefallenen mittels dieses Stellvertreters bewirken. Mit anderen Worten: das beleidigte Gesetz oder die Gerechtigkeit Gottes ist nicht mit dem Tode des Sünders zufriedengestellt, das hieße tabula rasa machen. Die Gerechtigkeit Gottes will auch das vorige Leben nach Gottes Willen wiedergebracht wissen – be-vor sie den Menschen aus der Schuldhaft entläßt. Es will das Gesetz völlig erfüllt sein, auf daß Gottes Gebote nicht zu Boden fallen und für immer unerfüllt bleiben. Auf daß nun diese Wiederherstellung des Gesamten möglich sei, dazu muß Christus nicht bloß die auf ihm liegende Strafe er-dulden, sondern zugleich auch das Gesetz vollständig erfüllt haben. Und nun erst macht sich, nach vollzogener Strafe und nach der Erfüllung aller vom Gesetz erforderten Gerechtigkeit, der vollkommene Gehorsam des Stellvertreters geltend und fordert Anerkennung, ja Lohn von Gott. Den- selben verweigert Gott seinem Christus nicht; er übergibt ihm alle Dinge, Mt 28,18; ja schon in Gottes Ratschluß sind ihm alle Dinge von Anfang an übergeben: Mt 11,27; desgleichen nach der Verheißung des Propheten Jes 53,10; vgl. Ps 2,8. Nicht also, daß die Aktiva Christi die Passiva Adams bloß decken – es bleibt noch ein unendlicher Überschuß auf Seiten Christi kraft der Mitbeteiligung der göttlichen Natur an den Leistungen der menschlichen. Darauf zielt das πολλῷ μᾶλλον des Apostels in Röm 5,15.17. – Wir stehen hier vor einem der schwierigsten Probleme, die es auf dem Boden der heiligen Schrift für den Verstand gibt. Es liegt eine göttliche Handlungsweise hier vor, die wir nur aus der Schrift konstatieren, im Glauben uns aneignen, aber nicht rationell erklären können. Und dies wollten eben die Socinianer, und weil es nicht gelang, erdachten sie eine Lehre zu ihrem eignen Verderben. In den Fußstapfen der Socinianer geht der Rationalismus und neuerdings die Ritschelsche Schule. Wir haben es hier zu tun mit der Wiederherstellung des sündigen und dem Gerichte Gottes bereits verfallenen Menschen. Der Fall soll rückgängig gemacht werden durch einen absoluten Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz, und zugleich soll die volle Strafe für die stattgefundene Übertretung aller Gebote Gottes erduldet werden. Dieses beides auf einmal zu prästieren, ist für einen bloßen Adamssohn und überhaupt nach menschlicher Berechnung ein für allemal unmöglich. Der Verstand fordert Erfüllung von 1.Mose 2,17. Der Mensch – also zunächst Adam – kann nach der auf ihm liegenden Forderung des Gesetzes nur noch ewig leiden in des Todes Banden; den Fall ungeschehen machen, das kann er nicht. Während dem aber der Mensch dergestalt für seinen Frevel leidet, ist er nicht in der Verfassung, Gott durch gute Taten zu befriedigen: er ist dazu eben völlig impotent. Und gesetzt: Gott gäbe dem Menschen auch aus purer Willkür in einem gewissen Moment seines Lebens Kraft, fortan nicht mehr zu sündigen, so fragt sich erstens: wird solch ein Willkürakt auf die Dauer befriedigen können? Und zweitens fragt es sich: wie macht man sodann die bereits begangenen Sünden gut? Sünden aber vergessen – ohne Genugtuung, das kann der gerechte und heilige Gott nicht. 2.Mose 34,7 sagt: „Gott läßt (den Sünder) gewiß nicht ungestraft“.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 11

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 11


Die ewige Schuld, die Adam durch sein Vergehen wider das ewige Gebot Gottes kontrahierte, löst nach Gerechtigkeit kein nachmaliges gutes Verhalten ein. Nur menschlich schwache Nachsicht läßt solches etwa zu; Gott aber ist unbeugsam in seinen Forderungen: 5.Mose 32,4; Ps 7,12-14. Da hat denn Gott einen ganz neuen Weg eingeschlagen und seinen Sohn gesandt, der ihm allein noch übrig war, gesandt in Gleichheit des Fleisches der Sünde (Röm 8,3). Diese hat durch seinen Gehorsam den Menschen von der schiefen Ebene, auf der er sich befand, zurückgebracht auf die Höhe, die er verlassen, um dem Abgrund anheimzufallen. Und während unser Mittler solches mit aller Anstrengung tat, hat er sich zugleich behandeln lassen als den Fleischgewordenen, als den Vornehmsten der Sünder (217) und hat, statt hier auf Erden Dank einzuernten und Freude zu haben, vielmehr alle bitteren, inneren und äusseren Strafen an Seele und Leib über sich ergehen lassen, bis zum Tode am Kreuze. Nicht vergebens fürwahr ist es, daß einmal der Apostel hierzu einschaltet: den Juden ein Ärgerniss – den Griechen eine Torheit (1.Kor 1,23). Betrachten wir nunmehr noch die Bedeutung des Todes Christi für sein Volk anhand der Heiligen Schrift. Daß er sterben mußte, dafür lag der Grund darin – daß in der Forderung des Todes sich das Verdammungsurteil Gottes zuspitzte und aufs schärfste erwies; der Tod also muß aus dem Wege, damit das Leben uns zuteil werde: 2.Tim 1,10; Röm 5,18. Um ihn aus dem Wege zu schaffen, dazu starb der Erlöser und tat so Gottes Forderung Genüge. Der Tod war die Sphinx, die alle Menschen in den Abgrund stürzte – bis daß Christus kam und durch seinen Opfertod dem Tode die Macht nahm. Das levitische Vorbild ist hier abermals der Hohepriester, und zwar besonders da, wo er einmal im Jahre das Sündopfer für Israel darbrachte im Allerheiligsten und daselbst eine Versöhnung fand für alle seine und des Volkes Sünden durch das Blut des Opfers, 3.Mose 16,30.33. Hier nun, zur Zeit der Erfüllung, haben wir Christus, welcher Hoherpriester und Opfer in einer Person ist: Hebr 9,26.28. Gott hat weiter das tägliche Morgen- und Abendopfer, er hat das Blut der Stiere und Böcke als Sühne, als λύτρον für die Vielen, nur zeitweilig verliehen: er hat aber selber ein anderes, besseres Blut dabei im Auge gehabt, Hebr 9,13.14. Welches dieses gewesen, das zeigt uns der Tod seines Sohnes am Kreuze, Hebr 10,4-10. Die Opfer der alten Ökonomie sind zeitlich und transitorisch; was Christus tat, das ist geschehen durch einen ewigen Geist – nicht nach dem Gesetz des fleischlichen Gebots, es hat vielmehr einen nach rückwärts und nach vorwärts wirkenden dauerhaften Charakter. Sein Opfer wie sein gesamtes Tun hat das ewig Genugsame aller Gottestaten an sich, und es kann daneben von der Gültigkeit levitischer Opfer nicht mehr die Rede sein; Hebr 9,12.14 (vgl. die Ausdrücke „ewige Erlösung“ und „ewiger Geist“). Deutliche Hinweise auf Christi Opfertod sind schon im Alten Testament wahrzunehmen. Besonders weist Ps 40,7ff. vgl. Hebr 10,4-10 darauf hin, daß Christus an die Stelle der Opfer treten will. Das stellvertretende Leiden und der Tod Jesu Christi findet sich am deutlichsten ausgesagt in Jes 53, diesem Hauptevangelium der alten Ökonomie, das da redet vom Leiden Christi und der Frucht dieses Leidens. Der Messias tritt auch hier an die Stelle der Opfer und leistet dasjenige recht, was die Opfer bloß symbolisch versprachen. Der Name des Messias ist hier Knecht Gottes.
zu.217. Erst durch die Reformatoren ist der Begriff der Stellvertretung rein umschrieben; am kühnsten von Luther, wenn er von Christus sagt: „er sei der größte aller Sünder geworden; er habe die alle Sünder vertreten wollen, und sei also, obwohl heilig und unschuldig, schuldig geworden aller Sünden der ganzen Welt . Quaecunque peccata ego, tu et nos fecimus, tam propria sunt Christo, quasi ipse fecisset. Ebenso Melanchthon, ep. ad Romanos 8,3. Ebeuso Olevian, De substantia foed. gratuiti, p. 50: Filius Dei peccata et reatum nostrum in se transtulit tanquam maiestatis reum et summum peccatorem Vgl. mein Werk v.d.. Inkarnation des göttlicben Wortes, S. 121.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 12

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 12


Dieser Knecht Gottes ist nach V.5 durchbohrt um unserer Frevel willen und ganz zermalmt um unserer Sünde willen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten.(218) Gott nämlich ließ laut V.6 und 11 die Missetat von uns allen auf ihn (den Knecht) fallen; Ps 22,16; 69,27; geduldig wie ein Lamm benahm der Knecht Gottes sich dabei, und endlich: sein Leben gab er als Schuldopfer dahin V.10. Und da seine Seele also gearbeitet hat, so wird er sich fortan recht satt sehen, d.h. des Lebens genießen, V.11, und anderen zur Gerechtigkeit verhelfen. Es wird in V.5 und 10 nach aller Sachkenner Urteil die stellvertretende Genugtuung des Messias auf klarste gelehrt. Selbst ein Gesenius kann sich dieser Wahrnehmung nicht entziehen; s. den Kommentar zum Jesaja, Teil II. S. 187ff. Der Tod des Knechtes Messias ist ein Schuldopfer für die Welt. Jes 53,10. Vgl. unter den Älteren besonders Calvin II.16.6. Diesen Grund- und Hauptgedanken wiederholen die Evangelien. Johannes redet schon aus Anlaß der ihm bei der Taufe zuteil gewordenen Offenbarung von Jesu als dem Lamme Gottes, das der Welt Sünde büßend davonträgt, Joh 1,29. Die Sünde tragen ist Sache eines solchen, dem einerseits zwar als wahrhaftigem Menschen dieselbe zugerechnet werden kann; der andererseits aber doch mehr sein muß als ein bloßer Mensch, denn Sünde davontragen und damit wegschaffen, das kann kein bloßer Mensch; sondern hierdurch offenbart der Träger sich als Gottes Sohn. Der bloße Mensch würde durch solches Tragen vernichtet worden und der Verdammnis preisgegeben gewesen sein ohne Vorbehalt. Ward doch auch Christus schon über dem Tragen der Sünde aufs Tiefste gebeugt, ja geknickt (Jes 53,5.6), weshalb der Prophet V.10 von der Arbeit
seiner Seele redet.(219) So hat es denn einen gegeben, der die Sünde der Welt trug, damit er uns derselben entledige, ohne selber unter der Last zu erliegen – sondern um sie von uns abzunehmen und hinaufzutragen in seinem Leibe als rechtes Sündopfer auf das Holz, auf das Holz seines Kreuzes. 1.Petr 2,24. Damit sind nun wir – wie Petrus sagt – der Sünden entledigt und leben der Gerechtigkeit (vgl. Röm 6,2-4). Das Nämliche besagt Hebr 9,26.28. Hier erscheint Christus als der das Opfer an sich selbst vollziehende Hohepriester, mit demselben geht er ins himmlische Heiligtum vor Gott und wird als unser Hoherpriester, der Sünden entledigt, von dort wieder erscheinen. Hebr 9,28. Daß nun Christus als Lamm Gottes unsere Sünden wirklich getragen und ihre Gottwidrigkeit damit anerkannt, daß ihm als dem Fleisch gewordenen die Sünde der Menschheit ähnlich zugerechnet wurde von Gott, wie jedem einzelnen unter uns die Sünde Adams,daß er die Sünde nicht als etwas Fremdes, sondern als etwas, das er kraft des Zusammenhanges mit der sündigen Menschheit überkommen und aus großer Barmherzigkeit sich zu eigen gemacht – das beweisen bereits gewichtige Psalmstellen.(220 ) In Ps 40,13 klagt der Messias über seine Sünden, vgl. Ps 41,5.(221)
zu.218. Wörtlich: Die Züchtigung unseres Friedens lag auf ihm.
zu.219. Vgl. Heid. Kat. 17. Melanchthon in ev.Mt (s. Corp. Ref. XIV, 938) sagt u.a.: Ideo voluit (Deuß) filium assumere naturam humanam, quia, cum genus humanum esset reum, oportuit aliquem in genere humano poenam sustinere, et hunc oportuit esse innocentem. Ut autem talis sustinens poenam esset pretium sufficiens et aequivalens, et ut posset iram Dei sustinere, oportuit hunc sustinentem tantum onus esse Deum, quia natura humana sola nec fuisset aequivalens pretium nec potuisset sustinere poenam. Luther (Walch V, 1138) sagt: „Darum ist fürwahr die Sünde also groß, wie groß der ist, der durch die Sünde beleidigt wird (Gott). Denselben mögen aber Himmel und Erde nicht fassen. Denn gleichwie Gottes Zorn, gleichwie der Tod, so ist auch die Sünde ein unbegreiflich Infinitum“.
zu.220. Vgl. darüber mein Werk: Von der Incarnation des göttlichen Wortes, Abschnitt llI.
zu.221. Vgl. Luther, Enarrationes in Genesin zu 1.Mose 49,11, woselbst er das Bild eines sponsus und sponsa allwendet, die alles gemein haben (s. m. Werk, S. 62).
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 13

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 13


Und ganz ohne Rückhalt sagt Paulus: Gott habe Christus zur Sünde gemacht, so daß er ganz erfüllt war von Sünde, oder: er habe die Sünde in seinem Fleische hingerichtet und vernichtet, Röm 8,3, so daß sie nunmehr weggenommen ist aus dem Verhältnisse zwischen Gott und sei-nem Volke. 2.Kor 5,21; Röm 8,3. Ja, so weit erstreckt sich nach der feinen Bemerkung des Hebräerbriefes die Behandlung Christi als des Gott dargebrachten Sündopfers, daß er gleich dem Sündopfer außerhalb der heiligen Stadt der Vernichtung preisgegeben ward: Hebr 13,11.12. Christus wurde völlig wie ein mit der Sünde des Volks beladenes Opfertier behandelt; ähnlich wie das Sündopfer des Leviticus, mit dem Unterschied freilich, daß er wußte, was mit ihm vorgenommen ward und freiwillig solches leistete. Alle diese Stellen sind von ungemeinem Gewicht. Wenn es je dahin kommen soll, daß der Sünder im Blick auf Christus sagen darf: siehe da, meine Gerechtigkeit, so muß zuvor Christus – und zwar zunächst im ewigen Ratschluß, dann in Wirklichkeit – im Blick auf die Menschenkinder gesagt haben: siehe da, meine Sünde. Soll die Zurechnung der Sünde an Christus sich unterscheiden von der Zurechnung der Sünde an das Opfertier – so muß der Erlöser in einem realen Verhältnis zu ihr gestanden haben. Er muß sich die Sünde haben zueignen lassen – und zwar schon damals, als er in die Welt kam (Hebr 10,4-10) und ist seitdem von dem Vater als Sünder behandelt und nicht eher wieder entlassen, bis es heißen konnte: Es ist vollbracht! – Vgl. auch Thomasius, Christi Person und Werk, III,1, S. 92, bes. die Note. Auf das Gleiche werden wir geführt durch die andere Stelle, wonach Christus für uns ein Fluch geworden, damit der Segen Abrahams an die Heiden gelangen könne; denn es stehe im Gesetz geschrieben: verflucht ist ein jeder, der an einem Kreuzholz hängt. Gal 3,13.14; 5.Mose 21,23. Das will sagen: das Gesetz Gottes belegt die Übertreter (des Gesetzes) nach 5.Mose 27, 26 und Gal 3,10 mit dem Fluche. Der Fluch Gottes ist aber nichts anderes, als die tatsächliche Erklärung, daß der Betreffende von Gottes Antlitz und aus seiner Gemeinschaft ausgeschieden sei. Gott würde seinem Wesen widersprechen, falls er eine andere Erklärung abgäbe. Christus nun versenkte sich in dieses äußerste Fernsein von Gott z.B. Mt 27,40(222) und hat zum Zeichen dafür an dem Holz des Fluches, am Kreuze hängen wollen, was von alters her ein Symbol der äußersten Entfernung und Entfremdung des Menschen von Gott, sowie der tiefsten Gesunkenheit des Menschen unter den ihm von Gott angewiesenen Stand war. Denn hier schwebt der Mensch zwischen Himmel und Erde in vollster Machtlosigkeit. Er ist dabei weder im Himmel, noch auch hat er Fuß gefaßt auf derErde. Nach 4.Mose 25,4 wurden die Obersten Israels zur Strafe für den Götzendienst des Volkes also bestraft. Indem nun auch Christus solchen Fluch an unserer Statt ertrug, indem er Gott Recht gab, daß alles Fleisch wirklich so verdammlich sei und den Schandpfahl des Kreuzes verdiene, indem er sich davon nicht ausschließen wollte: so war Gott mit solcher gehorsamen Anerkennung seiner Gerechtigkeit und mit dieser drastischen Übernahme des Fluches zufriedengestellt, und die nach Gal 3,10 unter des Gesetzes Fluch Befindlichen, so viele an ihn glauben würden, waren erlöst. Die wider sie lautende Schuldforderung war getilgt. Kol 2,14. Diese Übernahme des Kreuzestodes durch Christus ist nun dem Apostel so wichtig, daß er die christliche Lehre kurzweg und a potiori das Wort vom Kreuze nennt. 1.Kor 1,17.18. Paulus will von Christus nur wissen als einem Gekreuzigten. 1.Kor 2,2. Denn in dieser Anschauung kulminiert das Äquivalent, das Christus dem beleidigten Gesetz und der fordernden Gerechtigkeit Gottes gebracht hat. Indem aber Christus am Kreuze ein Fluch ward für uns und die Schrecken der weitesten Entfernung, ja vielmehr des Verlassenwerdens von Gott an sich erfuhr: so schmeckte er zugleich die Höllenqualen; er erfuhr bis zum äußersten den Zorn Gottes, und der Verdammten schreckliches Los ward seines: natürlich litt er auch dieses ohne Sünde, d.h. ohne sich der Verzweifelung der Verdammten hinzugeben.(223)In diesen Abschnitt des Leidens, das er von Gethsemane bis zum Kreuze erduldete, sind besonders die Höllenqualen, die von Christus an unserer Statt erlitten wurden, zu verlegen. Um nämlich solche Qualen zu erdulden, – dazu braucht Christi Seele nicht in die Hölle hinabzufahren. Auf den Ort kommt es nicht an; Qualen der Hölle kann man schon hier erdulden. Und zwar hatte Adam auf der Erde gesündigt, so war Christus auch nur auf die Erde angewiesen. Das Wesentliche der Höllenqualen, d.h. das äußerste Verlassensein von Gott, ist am Kreuze, und zuvor schon in Gethsemane, erduldet worden. Vgl. Heidelb. Katech. Fr. 44. Calv. II. 16,10-12(224)
(zu.222). Vgl. dazu: Olevian, De substantia foederis gratuiti I, Art. 4, § 4. Er sagt u.a.: Vere enim, non imaginarie Christum maledictionem nostram sensisse, ut vere sentiendo vere satisfaceret. Ibid. Art. 6,31: er sei infra omnium damnatorum sortem heruntergesetzt worden.
(zu.223). Vgl. Turretin, De satisfactione, Disputatio VI und VII
(zu.224). Maresias Systema X, 36 sagt: Praestari oportuit sufficientissime id omne, quod debebamus; ac propterea Christus id omne sustinuit tum damni gravissimi, quam sensus acutissimi respectu, quod nomine mortis Deus peccato fuerit comminatus.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 14

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 14

Die beim Leiden mitbeteiligte göttliche Natur verlieh dann auch diesem nur zeitweiligen Erdulden der Höllenqualen einen unendlichen Wert. Sein letztes Wort am Kreuze τετλέσται Joh 19,30 zeigt, daß der Erlöser den ihm vom Vater gereichten Kelch bereits auf Erden bis auf den letzten Tropfen geleert habe, und das Wort: Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist, beweist, daß er fürs Zukünftige alles vertrauensvoll in die Hand des Vaters übergibt(225). Wie nun der Tod Christi in Beziehung auf Gott genugtuend ist, so ist er in Beziehung auf die Menschen stellvertretend. Daß dies der Fall ist, folgt aus ganz unbestreitbaren Aussagen der heiligen Schrift. So sagt der Herr selber: daß er gekommen, sein Leben zu geben als Lösegeld an Vieler Statt, Mt 20,28; vgl. 1.Tim 2,6. Sein Tod war der Kaufpreis, um welchen die Vielen aus dem Todesbanne freigegeben wurden; er war das Äquivalent, welches dafür gegeben ward, daß die Vielen aus der Haft des Todes frei aus-gingen. Die in Mt 20,28 gebrauchte Präposition ἀντί kann nur von einem Austausch verstanden werden. Vgl. z. B. Mt. 17,27; Hebr. 12,16: ἀντί entspricht dem hebr.ת„ תח . Jesus gibt sein Leben, um für dasselbe unser Leben einzutauschen, dass wir also in unserem Tode mit dem Leben aus Gott, das Adam verloren hat, begnadigt würden. Nach diesem stärksten Ausdruck ἀντί (anstatt) bemisst sich auch das schwächere ὑπέρ, was nicht etwa bloß ein unbestimmtes „für“ oder „zum Besten jemandes“ (bono oder commodo nostro) bedeutet, sondern bei den Klassikern und in der heiligen Schrift auch „anstatt“(226) Röm 5,7; 9,3; 2.Kor 5,20. Besonders klar tritt an letzterer Stelle der Begriff der Stellvertretung hervor: „wir sind Gesandte an Christi Statt.“ Ferner ist auch in der Distributionsformel beim Abendmahl das Stellvertretende und Opfermäßige des Todes Christi nicht zu verkennen, Lk 22,19.20. Die Satisfaktion Christi, die er Gott dargebracht, wird auch lediglich auf sein Blut gegründet. Statt des Todes wird schlechtweg das Blut Jesu Christi genannt; Lk 22,20; Apg 20,28; Röm 5,9; Eph 1,7; 2,13; 1.Petr 1,18. 19; 1.Joh 1,7; Offb 1,5; 5,9; 7,14.
zu.225. Die Forderung der Socinianer (denen Ritschl I, 334 Recht gibt), daß Christus als unser Stellvertreter den ewigen Tod hätte erleiden müssen, ist verkehrt. Denn wir haben es eben nicht mit einer kalten ju-ristischen Handhabung der Forderungen göttlicher Gerechtigkeit zu tun(was man dem orthodoxen System gern vorwirft), sondern es ruht hier alles in der Hand eines liebenden Vaters, und derselbe ist nicht unbarmherzig gegen sein eigenes Kind Jesus – sondern er löst die Bande des Todes (Apg 2,24) zu seiner Zeit.
zu.226. Vgl. Turretin, De satisfactione, Disputatio IV, S. 94 ff.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil. 15

Beitrag von Joschie »

§ 63. Die Genugtuung Christi des Hohenpriesters Teil 14

Diesem Blut wird dann die Kraft beigelegt, zu reinigen, zu heiligen, abzuwaschen, speziell die Sünde. Blut bedeutet gemäß 3.Mose 17, 10-16 das ausgegossene, ausströmende Leben.(227)Unser Blut ist nämlich nach dem Gesetz unrein vor Gott, wenn wir es auch ausgießen wollten vor ihm zur Sühne, – es würde nichts helfen. Jesu Blut dagegen, das vor Gott ausgegossen wird, nimmt Gott an, denn es ist das ausgeschüttete Leben des Heiligen: 1.Petr 1,18.19; Hebr 9,14.(228)Durch dieses Blut Jesu Christi wird Gott gutgesagt für unser Blut, und das in den Tod gegebene Leben des Erlösers ist ein Äquivalent und eine Deckung für unser Leben. Und gleichwie vormals an die Darbringung der gesetzmäßigen Opfer eine den Sünder heiligende (d.h. ihn versöhnende oder dekkende) Wirksamkeit gebunden war, also – aber um ein unvergleichliches mehr – wird das Blut Christi von toten Werken die Leser reinigen und sie zum Dienst des lebendigen Gottes wiederum in Stand setzen. Ebensogut wie die alten Opfer und Reinigungsmittel bereits Großes leisteten und an sie der erneuerte Zutritt zum Tempel gebunden war – also (aber um ein bedeutendes mehr) wird das Blut Christi in gleicher Richtung sich kräftig erweisen. In diesem Blut Christi ist auch der neue Bund von Bestand. Jesus Christus ist das gegenbildliche Bundesopfer; ein besseres Opfer bringt er, als das am Sinai dargebracht wurde, nach 2.Mose 24; eines besseren Bundes Mittler heißt Christus, sofern dieser Bund ein besseres Opfer zu seiner Basis hatte. Hebr 9,15.23. Den Gnadenbund Gottes mit Abraham hat er mit seinem Blute besiegelt, worauf bereits die Weissagung bei Jeremia Rücksicht nimmt; vgl. Jer 31,31ff. sowie Hebr 8,8-13: wo καὶ ἔσομαι αὐτοῖς εἰς Θεὸν καὶ αὐτοὶ ἔσονταί μοι εἰς λαόν aus 1.Mose 17,7 genommen sich findet. Weiter ist Christus auch das Sündopfer für die Sünden der Welt, 1.Joh 2,2; 4,10, oder auch der Darbringer desselben, Hebr 2,17; 9,26. Christus ist auch das für uns geschlachtete Passah, 1.Kor 5,7, das unsere Erlösung vermittelt, und heißt daher in der Offenbarung 5,6.9; 13,8 das Lamm. (229)In Beziehung auf das tägliche Brandopfer, das in einem Lamm bestand, wird Jesus durch Johannes das Lamm Gottes genannt, das der Welt Sünde trägt. Joh 1,29. So haben wir denn unseren Hohenpriester kennengelernt, wie Er auf Erden für uns gehandelt. Es steht hier eine neue Schöpfung vor uns. Durch seinen Gehorsam bis zum Tode ist er unsere Gerechtigkeit geworden. Durch sein hohepriesterliches Handeln hat er uns erworben das rechte Handeln vor Gott. Sein Tod ist unser Tod, den Fluch hat er an unserer Statt getragen; wir hingen mit ihm am Kreuze (Gal 2,19), trugen die Dornenkrone, wurden zunichte gemacht vor Gottes Richterstuhl, in und mit ihm sind wir gestorben. Die ganze culpa und den reatus peccati Adamitici hat er auf sich geladen und tragen wollen. So lautet das einstimmige Urteil der lutherischen und reformierten Dogmatiker aus älterer Zeit.(230) Ferner ist aber auch sein Sieg über den Teufel unser Sieg; seine Leistung dem Gesetze gegenüber ist unsere Leistung; kurz sein hohepriesterliches Amt ist ein an unsrer Stelle und zu unserem Besten übernommenes: Röm 6,4-8;
Gal 2,19. 20; Eph 2,5.6; Kol 2,11-13.20; 3,1 u.a.m. Sehen wir nun darauf, wie er als Hoherpriester beständig im Himmel sein Handeln für uns geltend macht.
zu.227. Das Leben wird als im Blut konzentriert gedacht. Hiob 16,18 steht Blut für Leben.
zu.228.ἄμωμος und ἄσπιλος heißt das Lamm an diesen Stellen, weil es von Gott gegeben ist.
zu.229. Vgl. Delitzsch zu Hebr 9,22.
zu.230. Für erstere vgl. Thomasius a.a.O. III,1. S. 95, 287, 290f., 310; besonders die Stellen Melanchthons; für letztere Heppe a.a.O. S. 330ff.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 64. Die Interzession Christi Teil. 1

Beitrag von Joschie »

§ 64. Die Interzession Christi Teil.1

Das hohepriesterliche Amt begreift zweitens auch unter sich Christi Handeln für uns im Himmel auf Grund seines einmaligen Opfers. Die in-tercessio ist der zweite Hauptteil des hohenpriesterlichen Amtes. Diese In-terzession bedeutet das Eintreten Christi für uns; Hebr 7,25. Zum richtigen Verständnis dieser Tatsache ist auch hier zurückzugehen auf die weissagende Tätigkeit des Hohenpriesters am großen Versöhnungstag. Gleichwie der Hohepriester mit dem Blut durch den Vorhang in das Aller-heiligste eingeht und daselbst Gott das Blut gleichsam unter die Augen bringt, 3.Mose 16,13-16, so vollendet sich auch Christi hohepriesterliche Funktion erst durch die Himmelfahrt, wobei er die Himmel durchschrei-tend mit seinem Blut vor dem Thron Gottes erscheint und sich alsdann zur Rechten der Herrlichkeit auf den Thron der Gnade setzt Hebr 9,11ff.;(231) 10,12. An diese Darlegung knüpft dann der Hebräerbrief die weitere Be-trachtung, daß wir fortan einen offenen Zugang hätten in das Heilige, nämlich durch das Blut Jesu, und ferner, daß wir einen großen Priester über das Haus Gottes besäßen. Hebr 10,19ff. Das Gleiche lehrt Hebr 4,14-16; 6,19f; 7,26-28; 9,24ff.; Eph 2,6. Christus ist also noch immer unser Hoherpriester: „Du bist ein Priester ewiglich“ hieß es Psalm 110,4; um dies auch ferner zu sein, dazu ist er ganz eigentlich auferstanden und gen Himmel gefahren. Jesus, Erretter, heißt er auch dort oben zur Rechten des Vaters.
zu.231. Vgl. dazu Delitzsch im Kommentar.
Zuletzt geändert von Joschie am 03.03.2015 08:16, insgesamt 1-mal geändert.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 64. Die Interzession Christi Teil.2

Beitrag von Joschie »

§ 64. Die Interzession Christi Teil.2

Er fährt demnach fort sein Volk zu erretten von seinen Sünden(232), und zwar tut er dies
1. mittels seines Blutes, das uns versöhnt, indem es unser vor Gott nach dessen strenger Gerechtigkeit auszugießendes Blut vertritt (Hebr 9,12.24)und unser Leben noch immer schützt vor dem Zorn, 1.Joh 1,7; 2,2.
2. Beweist er sich als Erretter, indem er seine stellvertretende, vollkom-mene Erfüllung des Gesetzes uns zu Gute geltend macht; also durch Gel-tendmachung der von ihm erworbenen Gerechtigkeit erweist er sich als unseren Hohenpriester und unseren Anwalt. 1.Joh 2 1; Röm 8,34.
Endlich 3. vertritt Er uns aber auch mittels seines Gebets, von dessen Inhalt uns Joh 17 eine Vorstellung gibt. Röm 8,34; Hebr 7,25. Ja, nunmehr gibt ihm der Vater alles, was er verlangt, als seinen Lohn. Phil 2,9. Er empfängt die Herrlichkeit und das Erbe als der Mittler (Joh 17,5), als Menschensohn, und in ihm wir; er empfängt nach Hebr 1,4.5 den Namen Sohn – für uns, sein Volk. Gott gibt ihm alles, was er bittet, denn er hat ein Recht erworben zu bitten, und seine Gottheit verleiht allem seinem Tun und Leiden für uns einen unendlichen Wert. Kurz, er ist zu unserem Besten in hoherpriesterlicher Weise tätig im Himmel. Diese Tätigkeit ist nun aber darum noch so besonders tröstlich, weil er hiernieden unser Fleisch und Blut an sich getragen, und also weiß, was für ein Gemächte wir sind. Hebr 4,15. Und weil Christus also in den innersten Himmel eingegangen, so ist nun der Weg gebahnt zu Gott. Wir haben unser Fleisch und Blut im Himmel und brauchen uns also an keine Mittelspersonen, an Heilige oder Engel, zu wenden, sondern allein an diesen barmherzigen Hohenpriester. Von hier aus verstehen wir auch, was das Gebet im Namen Jesu bedeutet, das uns der Herr selbst anempfohlen. Joh 16,23.24. Es ist das Hinzutreten zum Vater durch seine, des Hohenpriesters, Vermittlung, im Vertrauen auf sein Verdienst. Hebr 13,15. Und so ist denn das rechte Gebet ein solches, das sich an den Vater richtet durch Jesum Christus, unseren einigen Hohenpriester, im heiligen Geist. Als den Hohenpriester werden wir ihn endlich wiederkehren sehen aus dem Allerheiligsten, und zwar jetzt ohne Sünde, mit der er einst beladen war. Hebr 9,28. Dann wird er segnend erscheinen denen, die seiner warten, behufs ihrer schließlichen Errettung. Bis an das Ende dieses Weltlaufs, oder bis zur Wiederkunft Christi zum Gericht, verfolgt der Hebräerbrief die hohenpriesterlichen Funktionen unseres Herrn, die mit dem Eintritt in diese Welt anhoben, d.h. also sein Handeln vor Gott an unserer Statt. Daß diese intercessio Christi uns mit Vertrauen erfüllt, zu Gottes Thron priesterlich hinzuzutreten, beweisen Stellen wie Hebr 4,15.16; 10,19.22; Eph 3,12; Röm 5,2. Aus der intercessio Christi entnehmen wir die Befugnis, gleichfalls bei Gott zu interzedieren in allen unseren Angelegenheiten. Auf diese unsere Priestertätigkeit vor Gottes Antlitz weisen Stellen wie Röm 12,1; Hebr 13,15; 1.Petr 2,5; Offb 5, 8.
zu.232. Vgl. hierüber Olevian, De substantia foederis gratuiti I, Art. Vl, § 37: Zweck des Sitzens Christi zur Rechten Gottes sei die continua aversio justae irae Dei contra nostra peccata. Überhaupt bleibt nach Olevian die Erhöhung des Erlösers innerhalb des Rahmens des officium Christi beschlossen. Die Gewalt, die ihm nach Mt 28,17 gegeben ist, war eine potestas officii, Filii humilitatem nou evertens, nec praedicationem crucis evacuans (s, I, 6, § 32).
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 64. Die Interzession Christi Teil.3

Beitrag von Joschie »

§ 64. Die Interzession Christi Teil.3

Als Anhang folge hier noch ein Blick auf die Darstellung dieser Geheimnisse bei Albert Ritschl. Ritschl hat in seiner Darstellung der christlichen Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung (2. Auflage, 3 Bände), eine Säkularisierung jener Gedanken Jesu und seiner Apostel vorgenommen, welche in diese Lehren einschlagen. Er bringt es im 2. Band, der sich mit dem biblischen Stoff der Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung beschäftigt, fertig,in einem Überblick über die Ver- kündigung Jesu ganz abzusehen von dessen wunderbarer Geburt und der Vorgeschichte (Mt 1; Lk 1 und 2; Joh 1) überhaupt. Er läßt, auf gut socinia-nisch, Jesum in der Eigenschaft eines israelitischen Propheten auftreten und seine Aufgabe wird dahin formuliert, daß er eine Gemeinde bildet, die zu der sittlichen Aufgabe des Reiches Gottes geeignet wird (S. 30-32.) Wenn Ritschl daneben diesen Meister als Sohn Gottes and Träger der Herrschaft Gottes von den Jüngern anerkennen läßt, so sind das in seinem Munde ihm durch die heilige Schrift abgedrungene Sätze, deren Kraft dadurch gebrochen erscheint, daß die Jüngergemeinde sich doch alles, was in diesem Gottesreich an Gütern dargeboten wird, durch eignes Handeln aneignen soll. Ritschl kennt eine durch Jesus vertretene Heilsabsicht Gottes, und diese erfüllt sich, indem das Bundesvolk sich zu Jesus als dem Messias bekennt und dadurch von der übrigen Welt aus-scheidet. Solche Bekenner sind nun das, was andere wohl animae naturaliter christianae genannt haben. Es bedarf nur des Auftretens Jesu, auf daß sich alsobald die Scheidung von den anderen, die im Unglauben beharren, vollziehe (S. 36, vgl. S. 39). Die Lage, aus der die zu Rettenden(σωζόμενοι) von Jesu befreit werden, ist keineswegs eine so schlimme, wie es die Orthodoxie sich und anderen einredete (S. 37); die „Sünde“ ist nicht wie in der Lehre unserer Reformatoren die feste Klammer, die alle Menschen umschlossen hält (Gal 3,22), sondern nur eine Mehrheit einzelner Tatsünden, die aber aus Blindheit und Unwissenheit entspringen, kommt in Betracht – keine Sünde, die als Bundesbruch zu charakterisieren wäre, sondern Sünden „aus Versehen“, für die das Gesetz auch allein durch das Sündopfer Verzeihung gewährleistete.(233)Es sind die rationalistischen Schwachheitssünden, welche verziehen werden: die Sünde, die mit der Rettung des Betreffenden zusammenbestehen kann, kurz die leichtere Sünde nach socinianischem Lehrbegriff – und erst die Sünde schließt die Möglichkeit der Rettung aus, welche die durch Jesus vertretene Heilsabsicht Gottes beharrlich negiert und damit die absolute wird. Auch Paulus steht über dem Standpunkt der „pharisäischen“ Lehre, wonach Gottes Zorn allen Menschen bevorstehe, da alle Gesetzesübertreter sind – auch Paulus sieht die Menschen nicht so schlimm an – sondern verspart ihnen die Erfahrung des Zornes bis auf den jüngsten Tag, womit wir ihn dann glücklich aus der Welt hätten.(234)Wir befinden uns also, an Ritschls Hand, in der angenehmen Lage, keinen Zorn Gottes mehr zu kennen. Für die Begnadigten ist ohnedies der göttliche Zorn weggeräumt – und für die Übrigen – nun das wird sich dann am jüngsten Tage finden. Inzwischen hat Ritschl einen Spielraum gewonnen, welchen er nötig hatte, um Christi Versöhnungswerk unter ganz anderen Gesichtspunkten, als die Kirche es tut, zu betrachten. Um dies zu erreichen, schafft Ritschl verschiedene Prämissen zur neutestamentlichen Versöhnungslehre fort. Die Erlösung durch Christus, behauptet er, kann nie nach dem Maßstab einer vorchristlichen Ansicht vom Gesetz, oder aber nach der „pharisäischen“ Vergeltungslehre, beurteilt werden. Das Gesetz ist nur durch die Engel gegeben (S. 250). Gott aber hat die Ordnung der Verheißungen gewährleistet (S. 249). Seine Gerechtigkeit ist nie eine strafende, sondern stets eine heilskräftige. Die richtige Wahrnehmung der neueren Exegese, daß die „Gerechtigkeit“ eben auch (besonders in Jesaja 40- 66) sich zum Heil und Wohl des Gottesvolkes betätigt, wird bei Ritschl plötzlich zum leitenden Motiv für die Erklärung dieser Eigenschaft. Die strafende Ge-rechtigkeit Gottes, für die soviele Zeugen sprechen, als Tiere unter der alten Ökonomie für die Sünde unter Handauflegung geschlachtet wurden, wünscht Ritschl – abermals echt socinianisch – gänzlich zu eliminieren. (235)Der Kontrast zwischen der Erhabenheit Gottes und der Vergänglichkeit der Menschen ist es, der die Anordnung der gesetzlichen Opfer nötig gemacht hat (II,205). Vor der vernichtenden Wirkung, mit welcher die Erhabenheit Gottes sonst jeden Menschen bedroht, soll Israel durch den mosaischen Kultus geschützt worden sein. Als ob der bloß metaphysische Abstand hier maßgebend sein könnte, und nicht vielmehr die Sünde die Bedeckung des Sünders und alles dessen, was mit ihm in Berührung kam und von ihm ausfloß, nötig machte.(236)
zu.233. Psalm 51 allein genügt schon, um die ganz unrichtige Vorstellung Ritschls über den Haufen zu werfen, als ob nur den Sünden „aus Versehen“ eine Versöhnung gewährleistet werde. Besonders vgl. V.4 und 9. Auch Ps 82,1 ist nicht ohne Anlehnung an die Opferthora und ohne deren Vermittlung zu denken. Auch 1.Sam 3,14; 2.Sam 25,24.25 ist die Rede von Sühnung grober Tatsünden, und wozu diente der große Versöhnungstag, wenn nicht zur Sühnung aller Sünden, auch der Sünden der Auflehnung wider Gott. Welch schwere Sünden sühnte das Brandopfer in 2.Chr 29,27 und wo immer sonst es dargebracht ward? Hier ging der ganze Mensch in den Flammen auf – und es ward nicht nur eine einzelne Sünde durch ein Sündopfer getilgt.
zu.234. Orelli hat in Luthardts Zeitschrift für kirchl. Wissenschaft 1884 S. 30ff. Ritschl seiner irrigen Ansichten wegen nicht übel zurecht gewiesen.
zu.235. Als Beispiele für die strafende Gerechtigkeit vgl. 1.Mose 3; 6,7; 3.Mose 10,2; 1.Kön 13,22; 20,36; 1.Sam 15,28; 2.Sam 6,7; Ps 90,7.11; 2.Petr 2,4 u.a.
zu.236. Vgl. auch Ps 32,1 (kesui pescha) für die Tatsache, daß die Sünde bedeckt wird.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 64. Die Interzession Christi Teil.4

Beitrag von Joschie »

§ 64. Die Interzession Christi Teil.4

Welchem der Apostel ist es wohl je in den Sinn gekommen, eine solche Bedeutung der Opfer (wonach sie vor der vernichtenden Nähe Gottes schützen sollen)bei dem Opfer Christi in Anwendung zu bringen? Oder heißt es nicht Hebr 2,17: Christus – versöhne die Sünden des Volkes? Heißt nicht Christus die Versöhnung für die Sünden der Welt, 1.Joh 2,2; 4,10; d.h. er deckt mit seiner ganzen Person und seinem Werk die Sünden der Welt zu, und mit ihm geschieht, was mit der Welt hätte geschehen sollen. Röm 3,25 heißt es, daß Gott ihn als ἱλαστήριον für uns vor sich hingestellt hat. Hebr 10,12 wird das Opfer Christi mit dem Sündopfer des Hohenpriesters in einen deutlich redenden Parallelismus gestellt. Daraus leuchtet doch ein, daß die Apostel die alttestamentlichen Prämissen der Versöhnungslehre (die Opfer) im Sinne der orthodoxen Kirchenlehrer auffaßten und nicht der alles verflüchtigenden Vorstellungen eines Ritschl sich bedienten. Weiter wird auch jene andere wichtige Prämisse der neutestamentlichen Versöhungslehre als unkräftig hingestellt – die Beziehung zwischen Christus und dem Knechte Jahwes. Ritschl stellt kühn in Abrede (und geht damit weit über Socinus hinaus), daß Christus die Erkenntnis seines Leidensschicksals und seiner Heilsbedeutung vor allem aus Jesaja 53 geschöpft habe. Auf solche Weise entzieht er sich brevi manu den stringenten Schlüssen, welche von diesem Kapitel aus für die richtige Schätzung des Todes Christi, als eines solchen, der Gott eine Genugtuung brachte und das Volk mit Gott versöhnte, gezogen werden müssen. Die Erzählung in Apostelgeschichte 8 (V.33-35) ist dabei natürlich deuterokanonisch. Es muss nun jedem, der die Socinianische Bestreitung der satisfactio vicaria Christi kennt, die Ähnlichkeit zwischen den Resultaten, zu denen Socin einerseits und Ritschl andrerseits kommen, einleuchten.(237)Gleichwie Socin, also verkennt auch Ritschl die Bedeutung der Gerechtigkeit Gottes. Wie bei Ritschl diese Eigenschaft eine solche ist, die sich zum Heil und Wohl der Menschen betätigt und synonym mit Gnade ist, so liegt auch nach Socin in der göttlichen Gerechtigkeit keine Notwendigkeit, die Sünde zu bestrafen; vielmehr ist die Gerechtigkeit das billige Verhalten gegen die Geschöpfe.
– Gerade wie Ritschl wirft Socin der Orthodoxie vor, daß sie nur Strafeifer und Zorn unter der Gerechtigkeit verstünde (vgl. Ritschl a.a.O. I, S. 332, II, 154).
– Gleichwie Socin die Idee der Stellvertretung aus den Stellen, welche so klar von Christi Tod, und dessen Abschattung in den Opfern reden, und eine deutliche satisfaktorische Bedeutung haben, ausmerzt (Fock S. 635), ebenso Ritschl. Nicht einmal das Sündopfer hat stellvertretenden Charakter, und Jesus hat nie einen rechtlichen Charakter der von ihm geleisteten Genugtuung zur Geltung gebracht (auch Mt 20,28 und Mk 10,45 nicht). Für diesen Charakter hat Schmoller (im Beweis des Glaubens 1883) gute Winke gegeben. Nach Jes 53 habe Jesus sich nicht gerichtet.
zu.237. Vgl. über den Socinianismus das noch immer wichtige Werk von O. Fock, Der Socinianismus nach seiner Stellung in der Gesamtentwicklung des christlichen Geistes S. 610ff.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 64. Die Interzession Christi Teil.5

Beitrag von Joschie »

§ 64. Die Interzession Christi Teil.5

Von ihrer bisherigen Beurteilung des Todes als eines Übels habe er vielmehr (nach Ritschl II, 87f.) die Seinen frei gemacht. Was unter dem alten Bunde noch nicht möglich, das ermöglichte er durch seinen Tod. Die Erlösung wird also aus einer „Erlösung von dem Übel“ (d.h. der Verhaftung unter der Knechtschaft der Sünde und des Todes) zu einer Erlösung von der subjektiven Beurteilung eines Übels (des Todes). Socin ergeht sich in ähnlichem Subjektivismus, wenn er sagt: Christus bezeuge durch seinen Tod den Gehorsam gegen den Willen Gottes, und dieser sein Tod ist das Siegel auf sein sündloses heiliges Leben. Derselbe macht Eindruck auf uns, daß wir den Entschluß fassen, Gott also gehorsam zu sein. Bei Socin wie nicht minder bei Ritschl gehört also der Tod Christi in den Bereich seines prophetischen Amtes.
Ferner ist es echt socinianisch, wenn Ritschl (II, S. 199) behauptet, daß die gesetzlichen Opfer den Zorn Gottes nicht aufheben können, da ja diese Opfer den vollen Bestand seiner Gnade gegen die Israeliten voraussetzen. In gleicher Weise sagten die Socinianer, nach der heiligen Schrift sei es Gottes Liebe und Barmherzigkeit, daß er die Sünde vergibt, und dies schließe die Forderung eines Bürgen aus. Gott habe keine Genugtuung gebracht werden können, da er selbst sein Volk erlöst habe (Lk 1,68). Ritschl wie die Socinianer verstanden aber nicht, daß der Liebeswille Gottes die Auseinandersetzung mit der Gerechtigkeit eben nicht ausschließe. – Bei den Sünden, die absichtlich geschehen, ist ganz abzusehen von Opfern, falls der Betreffende sich der Versöhnung mit Gott versichern will. Hier tritt auf der Menschen Seite die Reue, und auf Gottes Seite die pure Bereitschaft, den Bund wieder anzuknüpfen (Ritschl II, S. 56). Die Reue ist der ideale Ersatz der Opfer (S. 57). Daß aber die Bundesgnade im A.T. nie ohne den Mittler des neuen Bundes, Christus, zu denken ist, und daß die Kapporeth der Schatten von Christus war (Röm 3,25; Kol 2,17), sieht Ritschl nicht ein. Gleichwie Socin, ebenso verwirft Ritschl überhaupt die Kombination der Satisfaktionslehre mit gewissen durch die heilige Schrift dargebotenen juristischen Begriffen. Christus ist für Ritschl und die Socinianer kein Äquivalent, das Gott gebracht werden könnte.(238)
zu.238. Ritschl I, S. 331-35.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5923
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

§ 64. Die Interzession Christi Teil.6

Beitrag von Joschie »

§ 64. Die Interzession Christi Teil.6

Denn er hat erstens keine Mitschuld an der straf- würdigen Handlung des andern (der Menschheit) – er kann also nicht Bürge sein für sie. Ferner sei in dem Leiden und Tode Christi das Äquivalent mit dem vom Menschen verdienten ewigen Tode nicht nachgewiesen. Den ewigen Tod hat Christus nicht erlitten und nicht erleiden können, und hat also weniger, als das strenge Recht fordert, erlitten. Auf dieses Argument des Faustus Socinus gegen die orthodoxe Position legt Ritschl ganz besonderes Gewicht (I. S. 334; vgl. Fock a.a.O. S. 626ff ). Interessant ist dabei der Unterschied zwischen den Socinianern und Ritschl, daß erstere ohne Schonung die Härten der orthodoxen Position aufdecken, während dagegen der Letztere schonender verfährt. Er sucht nämlich, obgleich im Grunde mit jenen vielfach eins, die orthodoxe Lehre stellenweise vor Socin in Schutz zu nehmen, indem er den Reformatoren seine Meinungen andichtet. Nach Ritschls Resultaten sollte man ein Verdammungsurteil über die reformatorische Versöhnungslehre erwarten – aber nein! Durch Ritschls schöpferischen Genius erleben die Reformatoren eine ungeahnte Rehabilitierung – ihre Versöhnungslehre soll doch im Grunde nur diejenige Ritschls sein. Er bringt dies auch noch auf anderen Punkten fertig und hat unter seinen Schülern die Meinung zu verbreiten gewußt, daß er die Reformatoren besser verstehe als die Orthodoxen, ja, daß sein System die Erfüllung des reformatorischen sei – es ist aber ein Socinus redivivus, den wir in Ritschl vor uns haben – nichts mehr, nichts weniger. Man höre nur zum Schluß, was Ritschl aus Paulus macht (S. 354) und worin denn auch er das Wesen der aus der Versöhnung folgenden Rechtfertigung erblickt. „Die Reihenfolge von Bestimmungen des christlichen Selbstgefühls, welche Paulus an den Begriff der Rechtfertigung im Glauben und des Friedensstandes gegen Gott geknüpft hat, umfaßt die Zuversicht der Hoffnung, nämlich daß die Anerkennung des Gläubigen durch Gott bis zur Vollendung der Seligkeit wirksam bleibt, die Zuversicht des Gebetes und das Vertrauen auf die Vorsehung Gottes, insbesondere die Sorglosigkeit gegen die weltlichen Bedingungen des Lebens, die Furchtlosigkeit gegenüber dem Tode, die Unabhängigkeit der Stimmung und des Urteils von dem Werte, welchen verschiedene Menschen und wechselnde Zustände im Zusammenhängen der Welt zu haben scheinen, die Umkehrung des Urteils über die Übel, welche aus der Weltstellung der christlichen Gemeinde folgen, und die Umstimmung der natürlichen Empfindung aller Übel durch dieses Urteil. Diese Merkmale des Christenstandes werden lediglich von der göttlichen Begründung desselben und von der Vermittlung durch Christus abhängig gemacht. Sie sind innerhalb des subjektiven Glaubens als die direkten Reflexe der Erlösung gesetzt, und im Prinzip unabhängig von aller sittlichen Selbstbetätigung des Gläubigen etc.“ – Was ist dies anderes, als eine erneuerte Bekämpfung der orthodoxen Rechtfertigungslehre aufgrund einer falschen Versöhnungslehre, welcher eben die Zurechnung einer fremden Gerechtigkeit und das Vertrauen auf die Gerechtigkeit Christi absolut fehlt? – Vgl. auch Frank, System II, S. 181ff.
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Antworten