Schwärmerei und Gottesunmittelbarkeit

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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lutz
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Beitrag von lutz »

Dann möchte ich auch noch etwas ergänzen.

Die Frage: Wie kommt man zu den verbindlichen Wahrheiten?
spielt eine große Rolle - auch im Hinblick auf Charismatik und Pfingstlertum.
Und dieser Artikel nimmt Bezug auf die Prinzipien der Schriftauslegung der "Nicht-Cessationisten" (Prophetie und ... haben nicht aufgehört).

Vorweg möchte ich unbedingt darauf hinweisen, dass es besser ist solche Formulierungen wie "Sympathie mit Charismatikern" in Gedanken durch "Sympathien mit charismatischer Lehre" zu ersetzen, wenn wir nicht in einen Personenstreit geraten wollen.

http://distomos.blogspot.com/2009/05/di ... ht_22.html

Auch wenn der Artikel von Prof. Robert L. Thomas (Chefredakteur von The Master´s Seminary Journal, Prof. für NT am The Master´s Seminary) nicht unbedingt allgemein verständlich ist, diese Warnung kann jeder verstehen:

"Praktische Resultate des Nicht-Cessationismus
Zweifellos nimmt der Einfluss des Nicht-cessationismus unter den Evangelikalen rapide zu. Die Literatur, welche diese Lehre vertritt, multipliziert sich schneller, als man sich dies vorstellen kann. ... die größten christlichen Verlage beeinflussen die evangelikale Gemeinde und zeigen großes Interesse an den Nicht-Cessationisten und deren Theologen, die sich der neuen evangelikalen Hermeneutik zugewandt haben; ...
ich möchte eine Warnung über die Gefahren aussprechen, die eine "Sympathie mit den Charismatikern" und die Lehre eines möglichen Nicht-Cessationismus mit sich bringen. Alles, was eine lokale Gemeinde oder eine christliche Ausbildungsstätte tun muss, um durch und durch nicht-cessationistisch zu werden, ist lediglich "Sympathien für Charismatiker" aufzubringen. Die neuere evangelikale Geschichte hat dies gelehrt. Eine Institution kann sich auch in diese Richtung bewegen, ohne Stellung für den Nicht-Cessationismus zu beziehen. Alles, was sie tun muss, ist "offene, aber vorsichtige" Leiter, Mitglieder oder Studenten zu haben, und mit der Zeit wird der Nicht-Cessationismus seine Spuren in dieser Körperschaft hinterlassen.
...
Die nicht-cessationistische Bewegung ist von einer banalen Methode, Lehre auf das Fundament der Erfahrung zu stellen, zu der Anwendung neuer hermeneutischer Prinzipien fortgeschritten, welche die moderne evangelikale Hermeneutik im Allgemeinen charakterisieren ...
Zu Beginn eines neuen Jahrhunderts stehen Cessationisten einer anderen Herausforderung gegenüber - der Herausforderung, Antworten auf die nicht-cessationistischen Prinzipien biblischer Auslegung zu geben.

Cessationisten müssen sich dieser Herausforderung stellen, indem sie zu den traditionellen grammatikalisch-historischen Regeln zurückkehren und anhand dieser Prinzipien Licht in jene Bereiche bringen, welche durch die Vertreter eines biblischen Verständnisses auf Grundlage starker subjektiver Einflüsse verdunkelt wurden. Lassen wir die Bibel für sich selbst sprechen, ohne sie in ein Muster hineinzuzwängen, die durch menschliche Meinungen geschaffen wurden. ...
Nur auf diese Weise kann man dem nicht-cessationistischen Irrtum begegnen und den Evangelikalismus vor einem drohenden hermeneutischen Übel bewahren."
(Hervorhebungen von mir.)

Also ich kann zumindest wieder feststellen, dass dahinter weit mehr steckt als einfache, bloße Missverständnisse oder kleine Unstimmigkeiten in der Meinung der Geistesgaben bspw.
Im Umgang damit ist aber unbedingt daran zu denken, dass wohl den meisten Verfechtern der "charismatischen Lehren" solches nicht bewusst ist.

Lutz

Jörg
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Beitrag von Jörg »

"Wenn wir glauben, dass diese Gaben (oder die meisten von ihnen) nur für das apostolische Zeitalter waren, so bedeutet das keineswegs, dass seither keine Wunder stattgefunden hätten. Es bedeutet nur, dass die Gabe der Wunderwirkungen zurückgezogen worden ist. Wenn man sagt, dass die Gnadengabe der Heilungen zurückgezogen worden sei, dann bedeutet das nicht, dass man deshalb sagen müsste, dass kein Mensch infolge des Gebetes geheilt worden wäre. Zweifelos haben im Lauf der Kirchengeschichte Wunder stattgefunden.

Mit anderen Worten: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir diese besonderen Gnadengaben erörtern, die gegeben wurden, um die Autorität der Apostel zu bestätigen - jene speziellen Gaben, die am Anfang gegeben worden waren. Aber Gott kann, weil er Gott ist, ein Wunder wirken, wann immer es ihm gefällt und wo es ihm gefällt, und er kann Gebet in einer ungewöhnlichen Weise erhören, wann immer er beschließt, das zu tun. Wenn wir also sagen, dass die Gnadengaben nur für jene Zeit bestimmt waren, heißt das nicht, dass wir die Möglichkeit von Wundern in unserer Zeit leugnen, auch nicht die Möglichkeit wunderbarer Gebetserhörungen und der Dinge, die eindeutig dem übernatürlichen Bereich zugehören." (Dr. Martyn Lloyd-Jones, Gott der Heilige Geist, S. 335, 3L Verlag)
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Beitrag von Jörg »

"Sind diese Gaben, sind alle diese Gaben für die christliche Kirche zu allen Zeiten gedacht? Was haben wir in diesem Kapitel (1. Korinther 12)? Haben wir hier eine Beschreibung dessen, was nur für die erste Gemeinde galt, oder gilt es auch gleichermaßen für die heutige Gemeinde? Waren diese Gaben temporär oder sind sie permanent gegeben? Kann man jeden dieser Grundsätze auf alle Gaben anwenden, oder muss man sie unterteilen? Dies sind nun sehr umstrittene Fragen, und Sie werden wissen, dass beide Seiten Autoritäten für sich in Anspruch nehmen können, wie dies unweigerlich bei derartig schwierigen Fragen immer der Fall ist. Aber ich möchte Ihnen in aller Demut nahe legen, dass wir in dieser Welt nicht zu irgendeiner endgültigen Lösung dieser Fragen kommen können. Hier sollte also, wie so oft, Dogmatismus vermieden werden, und wir müssen uns der Schrift mit so wenig Voreingenommenheit wie möglich nähern, wenn wir darüber nachzudenken versuchen, was sie lehrt." (Dr. Martyn Lloyd-Jones, Gott der Heilige Geist, S. 332, 3L Verlag)
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

lutz
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Beitrag von lutz »

Hallo Jörg,

das ist auch genau mein Spannungsfeld.
Die Ablehnung bestimmter Dinge muss nicht/ sollte keinesfalls zur Ablehnung der Allmacht oder Souveränität Gottes führen.
" ..., der alles nach dem Beschluss seines Willens (oder: nach seinem freien Willensratschluss) vollbringt." (Eph. 1, 11)
Das ist die eine Seite, die andere ist die:
Nur weil es Konflikte in großer Zahl gibt, heißt das nicht, dass eine klare Antwort unmöglich zu finden wäre.
Also bei Antworten im Stil von: "wir können nicht zu einer Lösung kommen hier" bin ich nicht so schnell. Das darf mir nämlich auch kein Mensch sagen, sondern muss die Schrift selbst bezeugen.
Aber ich nehme sie zur Kenntnis.

In der hier vorgestellten Angelegenheit geht es aber um ganz bestimmte Dinge, mit denen die Gemeinde oder der einzelne Gläubige rechnen sollte, weil es Gottes geoffenbarter Wille für sie ist.
Hier geht es also um ein Erstreben von ..., ein Befolgen von ...
Es ist doch merkwürdig etwas zu erstreben, von dem man nicht genau weiß, ob man es soll.

Die Schrift sagt doch unmissverständlich:
"Das noch Verborgene steht beim Herrn, unserm Gott, aber das bereits offenbar Gewordene ist für uns und unsere Kinder ..." (5. Mos. 29, 29)
" ... Ich, der Herr, dein Gott, bin es, der dich lehrt (oder: gelehrt hat) zu tun, was dir zum Heil dient, der dich auf dem Wege leitet (oder: geleitet hat), den du gehen sollst." (Jes. 48, 17)

"Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht hat keine Einsicht in das Tun seines Herrn; vielmehr habe ich euch Freunde genannt, weil ich euch alles kundgetan habe, was ich von meinem Vater gehört habe." (Joh. 15, 15)

Wenn Er in seiner Barmherzigkeit einen Thomas nicht auslöscht oder zerbricht, wenn Er in seiner Barmherzigkeit einen Petrus ob seiner Verleugnung nicht verwirft - dann rühmen wir Seine Gnade, aber wir können uns nicht anmaßen, dies zum Anlass zu nehmen die gleichen Wege einzuschlagen.

Und wenn nach den Artikeln zu urteilen, hier eine ganze Auslegungsmethode verändert wird, um bestimmte Sachverhalte zu belegen - dann ist diese hier eingeschlagene Richtung mit Sicherheit keine zu vernachlässigende Größe.

Lutz

Gast

Beitrag von Gast »

Hallo,
wie haben die Menschen in der Bibel Gott erlebt? Ist "erleben" etwas Kritisches? Ist das "Erlebnis" eine Funktion schwärmerisch veranlagter Gläubiger?
Fragte ich die Männer und Frauen der Bibel, Georg Müller oder Francis Schaeffer ob sie Gott erlebt hätten, dann erhielte ich vermutlich eine eindeutige Antwort, vielleicht auch eine amüsiert gehobene Augenbraue...
M.

P.S.: auf welchem biblischen Fundament ruht eigentlich der "Cessationalismus"? Ist es solide? Oder bemüht es 1. Kor. 13,10; also eine einzige, umstrittene Stelle?
Zuletzt geändert von Gast am 22.06.2009 13:31, insgesamt 1-mal geändert.

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Hallo Lutz
Bist du der Meinung das alle Geistesgaben aufgehört haben oder nur die Zeichenhaften ??!
Gruß und Segen vo $:P :wink:n Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

lutz
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Beitrag von lutz »

Hallo Joschie,

bei Geistesgaben geht es in diesem Fall um Gaben, die Gott Seiner Gemeinde bis zur Wiederkunft des Herrn gibt und die sie letztlich auch aufweisen soll, um nicht mangelhaft zu sein.

Ich bin der Überzeugung, dass all jene Gaben, die mit einer Gottesunmittelbarkeit einhergehen nicht Teil dieser Liste sind.
Dazu zählt dann Prophetie, Zungenrede.

Lieben Gruß Lutz

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Hallo Lutz
Bist du der Meinung das es die anderen Gaben noch gibt und welche sind es genau :?:
Liebe Grüße Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

lutz
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Beitrag von lutz »

Hallo Joschie,

das ist eine gute und einfache Frage und ich kann sie dir nicht einfach und schnell beantworten.
Ich möchte dir aber erklären, warum.

Dabei beziehe ich mich jetzt ausschließlich auf persönliche Erfahrungen.
Es ist kaum möglich, Begriffe, die die Schrift verwendet einfach aufzuzählen.
Warum nicht?
Die Inhalte haben eine derartige Bedeutungsvielfalt erlangt, so dass ich heute kaum eine aufgelistete Gabe nennen kann, die nicht mit "Gottesunmittelbarkeit" in Beziehung gebracht wird.
Zwei kleine Beispiele:
Die Gabe der Geistesunterscheidung.
Vielfach treffe ich hier auf eine Vorstellung, die von einem intuitiven, mystischen, direkten "Draht zu Gott" ausgeht. Eine reine Lehrunterscheidung, weil derjenige die Lehre der gesamten Schrift gut kennt, eine "rationale" Angelegenheit sozusagen, versteht darunter kaum einer.
Die Gabe des Lehrens.
Vielfach treffe ich hier auf eine Vorstellung, die von einem intuitiven, mystischen, direkten "Draht zu Gott" ausgeht, so dass der Lehrer einen übernatürlichen Impuls empfängt, um zu wissen, was dran ist.
Ich könnte die Reihe fortsetzen.

Eine reine Aufzählung bringt wenig, wenn die Inhalte nicht geklärt werden und gleichzeitig von Missbrauch abgegrenzt sind.
Das ist eine sehr zeitaufwendige Sache, denn es muss durch die gesamte Schrift recherchiert werden.
Es gibt diese Diener am Wort, die sich die Mühe machen und dann kommt ein Buch dabei heraus.

Vielleicht kann ja jemand hier ein Buch oder ... dazu empfehlen.

Lieben Gruß Lutz

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Ich bin davon überzeugt, daß Georg Müller und Hudson Taylor die Gnadengabe des Glaubens hatten, die ja auch in 1. Korinther 12 genannt wird. Georg Müller gründete Waisenhäuser und Hudson Taylor die "China-Inland-Mission". Beide vertrauten dabei völlig auf Gott, daß er für die finanziellen Mittel sorgen würde.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Gast

Beitrag von Gast »

Hi Jörg,
die Zitate von Loyd-Jones und Schaeffer haben mich gefreut. Ich möchte nun aufgrund dessen zunächst das von Dir erwähnte Buch von Loyd-Jones kaufen (du erwähnst den 3-L-Verlag) und lesen. Nichts erfreut mein Herz mehr als Brüder, die auch mit ihrem Verständnis des Wortes Gesundheit verbreiten.
M.

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