Schwärmerei und Gottesunmittelbarkeit

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Joschie
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Schwärmerei und Gottesunmittelbarkeit

Beitrag von Joschie »

Ich eröffne hiermit ein neues Thema.Ihn voran ging dieses Thema
Gruß Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Ich frage mich manchmal, was macht schwärmerische Gruppierungen so anziehend? Warum strömen z. B. in die "Biblische Glaubensgemeinde" Stuttgart (Peter Wenz) Sonntag für Sonntag tausende von Menschen in die Gottesdienste? Auch die "Gemeinde auf dem Weg" in Berlin (Wolfhard Margies) hat sehr hohe Besucherzahlen. Vielleicht ist es dies: Freude und Begeisterung. Wogegen ich manche "Anti-Charismatische" Gemeinde erlebte, die mich eher depressiv stimmte.

Vielleicht ist das Erstarken der Schwärmer auch eine Anfrage an uns. Warum verbindet man z. B. "Krankenheilung" eher mit Pfingstlern/Charismatikern? Kann es nicht auch sein, daß man die biblischen Anweisungen aus Jakobus 5, 14f vernachlässigt hat?

Gruß Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Lydia
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Beitrag von Lydia »

Hallo Jörg,

ich denke, die Anziehungskraft der charismatischen Gemeinde liegt in unserer Instantgesellschaft begründet. Man will etwas schnell erfahrbares, emotionales und verlernt, sich in einen Sachverhalt zu vertiefen, ohne sofortige Ergebnisse.
Erkenntnis muss Gefühlen weichen.
Was Du ansprichst mit den Krankenheilunge ua... Ich persönlich bin seit fast 20 Jahren chronisch krank mit einer Erkrankung, die mich sehr handicapt.
Nachdem Gott mich nun mal nicht geheilt hat, gehe ich davon aus, dass es nicht immer sein Wille ist, dass jeder Christ körperlich gesund wird. Und - wenn die Bibel sagt, dass alle Situationen, auch Krankheit, demjenigen dient, der Gott liebt, dann ist ein innerer Prozess, gerade in schweren Wegstrecken auch erwünscht und vertieft den Glauben.

Liebe Grüße,
Lydia

Gast

Beitrag von Gast »

Hallo
was mir auffällt ist die gewaltige Sehnsucht der Männer und Frauen Gottes in der Bibel nach Gott selbst. Man lese die Psalmen und staune. Damit fängt alles an. Wer keine Sehnsucht hat, ist satt oder abgestumpft und weiß nichts mehr von Leidenschaft für Gott. Er läuft Gefahr, lau zu werden, selbstzufrieden, er verwechselt Dienst für Gott mit Gott selbst (siehe Sendschreiben an die Gemeinde in Ephesus). Damit wird Gott nicht geehrt. Er wird geehrt durch Menschen, die ihn selbst und sein Angesicht suchen. Die sich Zeit nehmen für Gemeinschaft mit ihrem Herrn. Man kann eigentlich gar nicht genug Sehnsucht nach Gott haben.

Gemeinschaft mit Gott hat man durch das Lesen des Wortes, durch das der hl. Geist wirkt. Er wirkt aber nicht durch den Buchstaben, sondern als Person hinter dem Buchstaben, der den Sinn des Wortes und seine Bedeutung für das eigene Leben deutlich macht. Das Wort dient m.E. in allererster Linie dazu, die Person Gottes kennenzulernen. Eine Beziehung entsteht. Es wäre grotesk, seine Frau lediglich über die Heiratsurkunde zu kennen und diese zu lieben statt die Person, mit der man verheiratet ist. Genau das ist das Wunder, wenn der hl. Geist das Geschriebene in Erkenntnis umsetzt, die in Liebe und Hingabe mündet. Gemeinschaft mit Gott hat man im Gebet, im Reden mit ihm. Wer Gott liebt, wird viel beten. Man mißt den Stand des geistlichen Lebens am besten mit der Zeit und Lust, die man im Gebet verbringt und die man am Beten hat. Gemeinschaft mit Gott hat man in der Gemeinschaft mit anderen Christen, denn "wo 2 oder 3 versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen" (abgesehen vom Kontext nehme ich dieasen Satz ganz wörtlich). Gemeinschaft mit Gott kann man in der NAtur haben, denn dort erkennt man seine Kreativität und Genialität. Man kann einen Gebetsspaziergang durch ein Naturschutzgebiet machen. Wer offene Ohren und Augen hat wird sehr viel Grund haben, Gott zu loben.

Gott erleben, das tut der Christ immer wieder. Denn Gott handelt im eigenen Leben. Er ist ja nicht in den Urlaub verschwunden, seit der Kanon der Bibel fertiggestellt wurde. Natürlich erleben wir Gebetserhörungen. Wir erleben Bewahrung, Führung, Heilung usw. Dies alles aber läßt uns nicht gieren nach ständigem "Mehr" an solchen Ereignissen. Schenkt Gott sie, so danken wir ihm. Verweigert er sie, so danken wir auch und vertrauen ihm genauso weiter wie bisher. Wofür wir aber noch viel mehr beten sollten ist für das Wunder der Erretung von Menschen. Da können wir Gott nicht genug in den Ohren liegen.
Gruß
M.

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Hallo M., ich kann Deine Zeilen nur unterstreichen. Das Problem ist nur, daß ich in pfingstlich/charismatischen Gemeinden Menschen kennengelernt habe, die genau das leben, was Du beschreibst: sie waren leidenschaftlich für Jesus, hatten sehr intensiv Gemeinschaft miteinander und beteten wie die Weltmeister. Die Sache hatte nur einen Haken: sie hatten (teilweise) eine miserable Theologie. Und meine Frage ist, wie passt das zusammen?

Gruß Jörg
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Jörg
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Beitrag von Jörg »

"Das ist die Ursünde der Schwärmerei, daß man das Außergewöhnliche zum Normalen erklärt" (A. Seibel)
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Gast

Beitrag von Gast »

Hi Jörg
die miserable Theologie kann oft genau durch Seibels Zitat erklärt werden. Wer liest und studiert schon intensiv Gottes Wort wenn er doch Zeichen und Wunder zu Hauf sehen und hören kann? Ich habe das immer wieder erlebt, daß Sehnsucht nach Zeichen und mangelnde Schriftkenntnis miteinander einhergingen. Dabei wissen wir aus eben dieser Schrift, daß Zeichen auch falsch sein können, das Wort aber immer die Wahrhheit ist. Wortstudium ist mühevoll, fordert den Intellekt, fordert Konzentration. Das Hören auf Gottes Stimme erfordert Zeit und Stille. Ein abnehmendes Interesse an denselben ist nicht nur ein Kennzeichen der postmodernen Gemeinde sondern der Gesellschaft allgemein. Wir Christen sind ein Teil von ihr und noch viel zu sehr von ihr geprägt.
M.

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Hallo Ihr
Das nur auf die charismatische Gemeinde zu beziehen ist mir zu kurz gedacht.Wie sieht die Predigtkultur heute bei uns aus :?: Wie sieht mein eigenes Bibelverständnis aus(z.b. Fragen nach den Kontext) :?:
Gruß Joschie
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Jörg
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Beitrag von Jörg »

Hallo Joschie, die Schwärmerei hat natürlich verschiedene Gesichter und beschränkt sich nicht nur auf pflingstlich/charismatische Kreise. So ist zum Beispiel die Heiligungslehre, daß es in diesem Leben möglich ist einen Zustand der Sündlosigkeit zu erreichen, Ausdruck eines Schwarmgeistes. Wie wichtig ist hier Ausgewogenheit in der biblischen Lehre!
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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Hallo Jörg
Sie dazu denn 4.Punkt der Berliner Erklärung hier
Gruß Joschie
Zuletzt geändert von Joschie am 19.06.2009 08:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Bibel lover
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Beitrag von Bibel lover »

Jörg hat geschrieben:So ist zum Beispiel die Heiligungslehre, daß es in diesem Leben möglich ist einen Zustand der Sündlosigkeit zu erreichen, Ausdruck eines Schwarmgeistes.
Einspruch :!: $:)
Die Heilligungslehre lehrt Sieg über die Sünde und das ist durch Gottes Kraft möglich, sie lehrt nicht dass wir in diesem Leben vollkommen Sündlos sein werden. Ich weiß nicht warum die Heiligungsbewegung von manchen als schlecht dargestellt wird... ??!

LG Johannes
Mein Blog: Gedanken über Gott und die Welt
http://blogofjohannes.wordpress.com

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Hallo Johannes, es gibt nicht "die Heiligungslehre", sondern einige Heiligungslehren. Und die Heiligungslehre, welche behauptet, daß Sündlosigkeit auf dieser Erde möglich ist, bezeichne ich als Schwärmerei
- vor allen Dingen wenn in diesem Zusammenhang noch von einer Geistestaufe geredet wird. "Männer wie Finney, Mahan, Boardman, Pearsall Smith und Torrey zeugten von solcher Geistestaufe als einem einmaligen zweiten Geistessegen, der in einen über die Bekehrung und Wiedergeburt hinausgehenden neuen Gnadenstand versetzte, und brachten sie in engen Zusammenhang mit Wesleys "Lehre von der christlichen Vollkommenheit". Boardman sprach bereits von einem "Leben auf höherer Stufe"." (Erich von Eicken; Heiliger Geist, Menschengeist, Schwarmgeist, S. 34, Brockhaus)

Gruß Jörg
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lutz
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Beitrag von lutz »

Hallo,
mit der nachfolgenden Sammlung versuche ich zuerst zu verstehen, was an diesem "Erleben Gottes" so schlimm sein könnte.
Daran lässt sich zumindest die Wichtigkeit der Thematik aufzeigen.
Der Beitrag wird sehr lang (durch die Menge der Zitate).

____________________________________________
Ich möchte mit einigen Zitaten von C. H. Spurgeon beginnen, aus "Siegel des Geistes" (Predigt zu Eph. 1. 13. 14), einzusehen unter www.glaubensstimme.de :
(Hervorhebungen von mir.)

"... Es ist wahr, dass nur durch den Glauben die vollste und beste Zuversicht erreicht werden kann, aber vielen, die wirklich an den Herrn Jesum Christum glauben, ist dieses noch nicht klar, und ihre zitternden Herzen verlangen nach einem Zeugnis von dem unfehlbaren Gott, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich errettet sind. Ja, und ich vermute, dass selbst weiter geförderte Heilige, die es völliger wissen, wo sie stehen, und bekennen, dass sie nur im Glauben wandeln können, doch oft mit sehnlichem Verlangen singen:
Ach, könnt´ ich Deine Stimme hören ,
Die zu mir spräche: Du bist mein,
Wie sollte mein Gesang Dich ehren,
Ich würde wie im Himmel sein. ..."

Unter I.:
" ... Nun gibt es Hunderte, die verlangen, etwas zu sehen oder zu fühlen, ehe sie an Jesum Christum glauben; dies ist Gottlosigkeit und die Folgen eines Unglaubens, der in den Augen Gottes sehr böse ist. Wenn ihr ein Zeichen verlangt, ehe ihr glaubt , so sagt ihr in Wahrheit, dass ihr Gottes bloßes Wort nicht euch zum Troste dienen lassen könnt, dass das gewisse Wort des Zeugnisses, das uns in der Bibel aufbehalten ist, euch nicht genügt, dass die feierliche Erklärung Gottes doch am Ende falsch sein könnte; ... Ihr sagt tatsächlich zu Gott: "Wenn Du nicht von Deinem Weg abgehen willst, um mir zu geben, was ich verlange und für mich zu tun, was ich fordere, so will ich Dich ins Angesicht einen Lügner heißen, indem ich mich weigere, Dir zu glauben. ..."

"Einige Leute haben eine Art von Vertrauen auf Gott, aber sie sehen auch nach bestätigenden Zeichen aus, und sie verderben die Einfalt ihres Glaubens, indem sie ein Auge auf Christum wenden und ein andres auf den Frieden ihres Gemütes. Nun, mein Freund, dies wird niemals gehen. Du bist verpflichtet, an Gott zu glauben, wie Er in Christo Jesu zur Seligkeit geoffenbart ist, ganz abgesehen von Friede, Freude oder irgendetwas anderem. ..."

" ... Vielleicht hast du die Vorstellung gehabt, dass, wenn der Mund Gottes selber dir einmal sagte, du seiest errettet, könntest du dich niederlegen und der Kampf des Lebens würde aufhören. ... Das Aufhören der Wachsamkeit bedeutet das Verderben deiner Seele; das Abschließen dieses Kampfes würde zeigen, dass du nie den Sieg gewinnen könntest; und vollkommene Ruhe auf Erden würde zeigen, dass keine für dich im Himmel vorhanden wäre. ... "

Unter II.:
" ... Das Versiegeln ... macht nicht die Verheißungen Gottes wahr ."

Unter III.:
" ... Sehr viel ist über diesen Punkt gesagt worden, was dazu gedient hat, den Aberglauben zu nähren. ..."

_____________________________________________
Dann möchte ich noch folgenden Artikel: "Francis Schaeffers Einsichten über die Pfingstbewegung" empfehlen.
http://distomos.blogspot.com/2009/05/fr ... r-die.html

Hier wird tendenziell dargestellt, was wir auch bei Peter Masters fanden - eine Entwicklung von biblischen Inhalten zu ...
_______________________________________________

Die intensivere Beschäftigung mit Fragen des Glaubenslebens ist also keine unwichtige Angelegenheit.
Im Folgenden sind Zitate (kursiv) aus den "Theologischen Positionen" des Mühlheimer Verbandes eingeflochten.
Es geht in erster Linie um die Formulierungen und Inhalte (also nicht um Gruppen oder Personen!).
http://muelheimer-verband.de/index.php?id=136

Was ist Gemeinschaft mit Gott?
Wir erbitten von Gott für unsere Gemeinden größere Vollmacht durch eine tiefere Liebes- und Vertrauensbeziehung zu Gott. (Kontext: Krankenheilung)
Die Gabe der Sprachenrede ist die gottgeschenkte Fähigkeit, Gott in einer nicht erlernten Sprache anzubeten.
Wie kommuniziert Gott mit Menschen?
Der MV anerkennt dankbar die vielfältigen Gaben Gottes in seinen Menschen, seien es die "praktischen" Gaben oder die "transrationalen" Gaben ...
Für die Gemeinden des MV ist das prophetische Wort eine Botschaft Gottes, die einem Menschen unmittelbar vom Heiligen Geist eingegeben wird.
Wie hat mein Glaubensleben auszusehen, wie nicht?
Sein weiteres geistliches Wachstum wird nun davon abhängen, inwieweit er sich nun auch dem vertiefenden Wirken des Heiligen Geistes öffnet ...
Die Heiligung des Sünders ist die Umgestaltung des Christen in das Bild Jesu Christi als Gabe Gottes und Aufgabe des Menschen.
Was ist der Glaube, was nicht?
Eine solche Erfüllung mit dem Heiligen Geist wird im Glauben ergriffen; sie kann sich u. U. erlebnismäßig dokumentieren, ...
Was ist Gebet, was nicht?
Um dieses vertiefende Wirken des Heiligen Geistes zu erfahren, bitten die Gläubigen Gott um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist.
Sprachenrede: Wir schätzen diese Gabe als Hilfe zu einem intensiveren Gebetsleben des Gläubigen und damit zu seiner persönlichen Auferbauung. Sie ermöglicht eine vertiefte Anbetung und sensibilisiert für das Wirken des Geistes. Wir ermutigen alle Gläubigen, Gott um diese Gabe seines Geistes zu bitten. ...

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Wer nun das Buch von Bernhard Kaiser "Allein Christus" kennt, wird feststellen, dass seine Ausführungen darüber, wer der Mensch ist, wer der Wiedergeborene ist - dem Schwärmertum (Gottesunmittelbarkeit) jeglichen Nährboden entzieht.

Auch die 1. Betanienkonferenz verspricht eine Menge Antworten auf dieses Problem:
Thema: Wie redet Gott zu mir?
100 Jahre Berliner Erklärung - Schwärmerei und biblischer Glaube im Vergleich.
... Da mystische Vorstellungen nicht nur in der charismatischen Bewegung grassieren, sondern auch unter "bibeltreuen" Christen mystische Tendenzen zunehmen wie z. B. ... haben wir dieses Thema als notwendig empfunden und möchten hier Austausch ... um einen schriftgemäßen Standpunkt zu vertreten.
(s. a. Extra-thema unter "Aktuelle Mitteilungen")
_______________________________________________

Lutz

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Guten Tag Lutz, danke für Deine ausführlichen Zeilen. Sehr interessant fand ich auch den Text von Francis Schaeffer über die Pfingstbewegung. Er unterscheidet ja darin zwischen alter und neuer Pfingstbewegung und sagt: "Die alte Pfingstbewegung legte großes Gewicht auf die Schrift, was der Evangelisation der Pfingstbewegung, z. B. in Südamerika, eine ungeheure Dynamik verlieh. Es handelt sich also um Menschen, die das Evangelium lehrten, die Hochachtung vor der Schrift hatten und dem Heiligen Geist den gebührenden Platz einräumten. In einer solchen Situation wird Gott die Menschen gebrauchen - auch wenn sie Fehler machen. Und wir machen alle Fehler." Diese Gedanken von Schaeffer finde ich klasse, weil sie nicht einfach eine ganze Bewegung in Bausch und Bogen verdammt, sondern sehr differenziert betrachtet und vor allen Dingen nicht vergißt, daß keiner ohne Fehler ist.

Auch ich würde es übrigens ideal finden, wenn mein Glaube ohne irgendwelches Bestätigungen, ohne irgendein Schauen auskommen würde. "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben". Und doch glaube ich, daß nicht jeder Glaube gleich groß ist. Thomas z. B. - der Zweifler - sagte: "Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich´s nicht glauben" (Johannes 20, 25). Und wie gnädig war Jesus mit diesem Zweifler, indem er ihm seine Hand reichte!

Oder wie oft war ich schon in einer Situation, in der ich mit David betete: "Tu ein Zeichen an mir, daß du´s gut mit mir meinst" (Psalm 86, 17).

Ich persönlich kann nur sagen, daß ich gar nicht mehr leben würde, wenn Gott nicht "ein Zeichen an mir" getan hätte!

Liebe Grüße
Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Mir ist noch wichtig ein paar Zeilen von Francis Schaeffer besonders zu betonen - auch wenn es eine Wiederholung zu dem von Lutz zitiertem ist: "Wenn wir die jungen Menschen ansehen, die dieser neuen Pfingstbewegung verhaftet sind, können wir bestimmt nicht zu dem Schluß kommen, daß viele von ihnen überhaupt keine Christen seien. Ich bin ganz sicher, daß viele von ihnen wirklich Christen sind. Aber auch dies ist wahr: Wo wir diesen jungen Menschen begegnen, haben wir es immer wieder mit dem Faktum zu tun, daß viele von ihnen einen Glauben ohne rechten Inhalt haben. Die Erfahrung ist alles. Gefühl (oder Emotionalismus) ist die Grundlage.

Natürlich müssen wir an dieser Stelle vorsichtig sein. Wir vertreten nicht den Standpunkt, daß es keine Erfahrungen und keine Gefühle geben sollte. Es gibt sie, und es muß sie geben. Aber weder Erfahrung noch Emotion ist die Grundlage unseres Glaubens. Die Grundlage unseres Glaubens ist, daß es verbindliche Wahrheiten gibt. Der ganze Mensch, einschließlich seines Verstandes, muß der Tatsache Rechnung tragen, daß gewisse Dinge wahr sind. Das wird uns selbstverständlich in eine erfahrbare Verbindung mit Gott bringen. Aber die Basis ist der Inhalt und nicht die Erfahrung.....Aber wenn wir Menschen begegnen, die in dieser Art christlichen Platonismus verfangen sind und ihnen die Frage stellen, woher sie denn wissen, daß sie Christen sind, reden sie sehr oft nur von ihren eigenen Erfahrungen und ihren eigenen Gefühlen." (aus Francis Schaeffer "Die neue religiöse Welle", Telos, S. 27f)
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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