Ich kann Jörg nur beipflichten.
Dort, wo man anfängt für den christlichen Glauben zu werben und das Evangelium nicht im Mittelpunkt steht, sondern ein besseres Leben oder mehr Erfolg oder xy, da wird es problematisch.
Beispiel:
Rick Warren gibt in einem Artikel 40 Tipps an Gemeindeleiter, wie man die Taufzahl in der Gemeinde erhöhen kann. Der Artikel ist irgendwie nicht mehr verfügbar, aber ich hab ihn als PDF auf der Platte, falls jemand interessiert ist oder es gibt die 40 Tipps auch noch kopiert in einem anderen Blog
hier.
Hier mal eine willkürliche Auswahl aus den 40:
1. Erwähne den Wert, den Sinn und den Nutzen der Taufe regelmäßig in den Predigten.
3. Halte Kleidung bereit, falls sich jemand spontan entscheidet getauft zu werden.
6. Bereite einen schönen in Leder eingebundenen Hefter für die Taufurkunde vor.
9. Taufe immer an besonderen Gemeindetagen. (Wir haben an dem Tag, als unser Anbetungszentrum eröffnet wurde mehr als 400 Leute getauft).
11. Umarme jede Person, nachdem du sie getauft hast!
14. Hol dir einen professionellen Fotografen, der den Moment auffängt und füge das Bild der Taufurkunde zu.
15. Drucke eine "Warum taufen wir?" - Broschüre. Verwende dazu Bibelverse und viele Zeugnisse.
18. Sorge dafür, dass das Taufbecken und die Umgebung schön, einladend und nicht abschreckend aussieht. (Viele Taufen finden so weit oben innerhalb der Gemeinde statt, sodass man sich fern und unverbunden fühlt. Unser Taufbecken ist außerhalb im Innenhof, sodass die Leute sich dicht herum stellen können und ein vertraulicheres Gefühl ensteht).
19. Lade die Leute nach der Taufe noch zum Kaffee oder Nachtisch ein, um mitzufeiern und herauszufinden, was diese Erfahrung für die Menschen bedeutet, die getauft wurden und für ihre Familie und Freunde, die zugesehen haben.
27. Singt ein großes Loblied über die Kraft Gottes, Leben zu verändern.
32. Halte Handtücher mit dem Logo der Gemeinde als Andenken bereit.
37. Gib denen, die Christi Gebot gehorchen, sich taufen zu lassen eine Broschüre darüber wie es weiter geht, einen Anstecker und ein Geschenk.
39. Wenn du Grundschulkinder taufst, lass den taufenden Pastor die Hand des Täuflings hoch halten, wenn er aus dem Wasser kommt, wie man das bei einem Gewinner in einem Spiel machen würde.
Der Artikel schließt mit den Worten ab:
"Tue diese 40 Dinge und die Zahl derjenigen, die sich durch die Taufe öffentlich zu ihrem Glauben bekennen wollen, wird dramatisch ansteigen."
Wenn auch einige der Tipps in sich sogar gut sind, ist es jedoch schlecht, welches Ziel damit verfolgt wird. Es soll die Zahl der Täuflinge erhöht werden. Das soll durch gemütliche Atmosphäre, Geschenke und Poster forciert werden. Das ist es, was ich in diesem Zusammenhang unter Marketing verstehe: Nicht einfach nur eine ordentlich gestaltete Einladung, sondern das bewusste Versuchen, Menschen mit manipulativen Mitteln dazu zu bringen, einem etwas abzukaufen. Das sehen wir in Werbefilmen oder Werbeplakaten, wo das entsprechende Produkt mit den tollsten Sachen verbunden wird, die im Grunde gar nichts mit dem Produkt an sich zu tun haben, nur um beim potentiellen Kunden ein angenehmes Gefühl auszulösen, welches dafür sorgen soll, dass er es kauft. Ein Auto wird ja bekanntlich nicht besser, wenn es durch eine schöne Landschaft fährt und Süßigkeiten werden auch nicht leckerer, wenn sie von einer schönen Frau angeknabbert werden. Das sind aber nunmal Marketingstrategien, die man heutzutage verwendet und die ihren Weg bis in die Gemeinden gefunden haben. Das Problem fängt dort an, wo ich aufhöre daran zu Glauben, dass das Evangelium selbst die Kraft Gottes zur Errettung ist (Röm 1,16) und stattdessen bewusst und betont Leuten durch irgendwelche Nebensächlichkeiten eine Gemeindemitgliedschaft schmackhaft machen will.
Menschen sollen zu Christus kommen, nicht weil sie die Taufe so schön fanden oder weil sie auch ein Geschenk wollen, sondern weil sie ihre Not sehen, Vergebung zu empfangen und erkennen, dass diese nur in Christus zu finden ist. Das ist eine Herzensänderung, die wir mit keinen menschlichen Mitteln tun können. Das Mittel was wir für diese Aufgabe bekommen haben ist die Botschaft des Evangeliums, den Rest erledigt Gott.
In keinem der 40 Punkte oben ist eine vollmächtige Verkündigung des Evangeliums genannt. Stattdessen sehen wir hier eine Wenn-Dann-Mentalität: Wenn du dieses und jenes tust, dann lassen sich die Leute taufen. Ist das Christentum? Wollen wir Taufen um der Taufen willen oder um Gottes und um Menschen willen? Müssen wir mit menschlichen Mitteln versuchen Leute zur Taufe zu bringen oder reicht es nicht, wenn Gott durch sein Wort in den Herzen wirkt, dass sie Christus aufnehmen und sich dann entsprechend taufen lassen? Es mag sein, dass wir mit solchen menschlichen Mitteln mehr Menschen in die Gemeinde bekommen, aber gleichzeitig betrügen wir sie um das Heil, weil nicht mehr Christus im Mittelpunkt steht, sondern beispielsweise die gemütliche Atmosphäre.
"Gal 6,8: Denn wer auf sein Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten."
Nach dieser Kritik, noch ein bisschen Auslgeich. Natürlich sollen wir darauf achten, dass Menschen sich wohl fühlen und man muss Traktate und Einladungen nicht mit einem Bleistift auf ein Stück abgerissener, grauer Pappe schreiben. Es gibt nichts dagegen einzuwenden, Menschen zu einem Kaffee einzuladen (ob bei einer Taufe oder wann auch immer) oder den Täufling zu umarmen. Ich würde sogar sagen, dass das selbstverständliche Sachen sein sollten. Was mich stört ist, wenn man solche scheinbaren Selbstverständlichkeiten und irgendwelche Nebensächlichkeiten aufzählt und dazu noch ein paar "Marketingtricks" einfügt und sagt, wenn man diese Punkte durchführt, dann steigt die Zahl der Taufen. Wenn Mittel zum Mittelpunkt werden, was vermitteln wir dann den Menschen? Ich bin nicht sicher, woher der Spruch kommt, aber er ist wahr:
"What you win them with is what you win them to."
- Womit du sie gewinnst ist wozu du sie gewinnst.
Wenn ich Leute durch gute Atmosphäre dazu bringe sich der Gemeinde anzuschließen, dann bleiben diese Leute dort wegen der guten Atmosphäre. Wenn die Atmosphäre mal schlechter wird, beispielsweise durch Verfolgung, wundert man sich, warum sie alle abwandern. Wenn man Menschen mit dem Evangelium gewinnt, dann bleiben sie um des Evangeliums willen. Ich kann Leute nicht mit guter Atmosphäre zu Christen machen, höchstens zu Mitgliedern eines "christlichen" Clubs und diejenigen, die sich dann doch bekehren, bekehren sich nicht wegen, sondern trotz solcher Strategien. Die ersten Christen hatten weder Fotografen, noch Drucker, noch Taufbecken, noch Handtücher mit Gemeindelogos, aber dafür ordentlich Verfolgung. Das allein sollte uns schon zeigen, was Nebensache und was Mittelpunkt ist.