lutz hat geschrieben:Wie kann es sein, dass ein Finney in derartiger Weise so auf positive Resonanz bei dir persönlich stößt, nach all den Informationen hier, Jose?
Oder ist es eher ein Staunen darüber, dass Gott auch Menschen mit solchem "Glaubensfundament" zum Segen setzt?
Bereits beim eröffnen des Themas habe ich meine Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, dass Finney von einigen als Verführer bezeichnet wird. Ich habe die warnenden Aussagen über ihn ernst genommen und sie dabei in meinen Beiträgen auch erwähnt, allerdings nie einfach die Vorwürfe übernommen sondern darauf hingewiesen, dass man über jeden Gottesmann etwas zu kritisieren finden kann, ob über Luther oder über Calvin, die doch in diesem Forum sehr vertreten sind. Ich bin Gott sehr dankbar, dass er in Charles G. Finney ein Werkzeug hatte, welcher die Verantwortung und Beteiligung des Menschen an seinem Heil und am Bau des Reiches Gottes wieder so stark betont hat, ohne dabei aber den Menschen im Mittelpunkt zu stellen.
Finney legte immer viel Wert auf das Gebet. Von einem Glaubensbruder und Mitarbeiter Finneys wird im Buch: Gottes Generäle - Band 3 - Die großen Erweckungsprediger, berichtet, dass er nie dabei war, während Finney predigte, sondern davor und während der Versammlungen im ernsten Gebet ausharrte. Gerade diese Zeugnisse, die ich wieder las, haben mich sehr ernst bewegt. Wissen wir, was es bedeutet: "
Und alles, was immer ihr im Gebet glaubend begehrt, werdet ihr empfangen" Mt 21,22. Und was denken wir, wenn wir Jesu Ermahnung lesen: "
Er sprach aber zu ihnen: Die Ernte zwar ist groß, die Arbeiter aber sind wenige. Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte!" Lk 10,2. Hat hier der souveräner Gott nicht für genügend Arbeiter gesorgt oder wird uns hier unsere Verantwortung gezeigt, mitzuwirken an dem Heil unsterbliche Seelen? Gott ist souverän, aber dennoch lesen wir die Worte Jesu: "
Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen und er mit mir" Offb 3,20. Es gibt viele Menschen, die Jesus klopfen hören, aber sie öffnen ihre Herzen nicht.
Wie ernst und zugleich traurig ist die Begebenheit, als der Apostel Paulus zu dem König Agrippa sprach: "
Glaubst du, König Agrippa, den Propheten? Ich weiß, dass du glaubst. Agrippa aber sprach zu Paulus: In kurzem überredest du mich, ein Christ zu werden"Apg 26,27.28. Und was antwortete Paulus: "
Ich möchte zu Gott beten, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche werden, wie auch ich bin, ausgenommen diese Fesseln" Apg 26,29. So ernst hat auch Finney um die Errettung von Menschen gebetet und gerungen, und darauf lag Segen, der bis heute noch wirkt, den auch mich ermuntert sein Zeugnis sehr.
Vorhin habe ich noch einen sehr schönen Beitrag im Internet gefunden, den ich, ohne die Quelle beurteilen zu wollen lediglich auf Grund des Inhaltes hier einfügen möchte.
Gottes Segen beim Lesen!
José
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Ein Historiker reflektiert über ehrliche Meinungsverschiedenheiten
Nicht nur Schwarz - Weiß
Im neunzehnten Jahrhundert trat in Amerika Charles Finney als einflußreicher Evangelist auf und verhalf vielen Menschen zu einem lebendigen Glauben an Jesus Christus. Wir wissen recht viel über Finney und sein Wirken, weil er mehrere Schriften hinterließ; besonders interessant sind seine Autobiographie und seine Vorlesungen über Erweckungen. Er brachte viele Gemüter in große Erregung und hatte bald eifrige Befürworter, aber auch beachtliche Gegner.
Als Finneys Einfluß die deutschen Siedler in Amerika erreichte, schrieb John Nevin, Professor am Seminar der Deutsch Reformierten Kirche, eine Broschüre, in der er dieses Erweckungsphänomen analysierte und ablehnte. Verschiedene Meinungen prallten heftig aneinander. Jeder meinte natürlich, das Gute und die christliche Wahrheit zu vertreten.
Finneys Methoden
Charles Finney, in einer ungläubigen Familie aufgewachsen, erlebte als fast dreißigjähriger Mann eine radikale Bekehrung und die ganze Fülle des Heiligen Geistes. In einigen Monaten erwarb er sich durch Privatstudium eine Bibelkenntnis, die ihn sein Leben lang leitete. Die Ansichten gelehrter Theologen kümmerten ihn wenig. Er vertrat die Einstellung, daß jeder Gläubige Gott so erleben könne, wie er ihm begegnet war. Ganz bewußt wandte er als Evangelist »neue Mittel« an, um höhere Bekehrungszahlen zu erreichen. Versammlungen sollten nicht zur gewohnten Gottesdienstzeit, sondern an Alltagsabenden angesetzt werden und solange andauern, bis die Leute »niedergebrochen« waren. Sehr wichtig war für Finney, daß die Gefühle und der Wille des Menschen gezielt angesprochen und bewußt schockiert wurden, um eine »geeignete Atmosphäre« für sichtbare Erfolge zu schaffen. Als Höhepunkt galt dann endlich die »Bußbank«. Hierhin sollten diejenigen gebracht werden, die um ihr Seelenheil besorgt waren. Dann konnten sie sich unter Anleitung und besonderen Gebeten des Evangelisten bekehren.
Finney vertrat die Ansicht, daß letztlich jeder Mensch für seine eigene Bekehrung verantwortlich sei, denn Gott sei allezeit bereit, zu vergeben, aber der Sünder müsse Gott um Erlösung bitten, damit das Heil bewußt erlebt werden könne. Finney lehnte entschieden Calvins Lehre von der Prädestination (Vorherbestimmung) ab und befürwortete die Ansicht des Arminius vom freien Willen des Menschen.
Nevins Entgegnungen
John Nevin, als strenger Calvinist, meinte dagegen, daß solche »Bußbank«-Theologie für die Bekehrung sehr gefährlich sei, weil das Menschliche dabei eine zu große Rolle spiele und zu leicht zu fatalem Mißbrauch führe. Das Betonen des Gefühls bei den Versammlungen bewirke, daß wenig Männer, sondern fast nur Jugendliche und Frauen angesprochen würden. Nevin gab zu, daß sich echte Bekehrungen an der Bußbank ereignen können, aber er meinte, daß dabei insgesamt mehr Unheil als Gutes geschähe. Nachdem er ganz bestimmte Gefahren analysiert hatte, kam er zu dem Schluß, daß es im christlichen Glauben nicht so sehr auf den Anfang des neuen Lebens, sondern vielmehr auf das Leben, das dem Anfang folge, ankomme. Nevin folgerte, daß die Betonung des einen oder des anderen symptomatisch für zwei ganz verschiedene Arten des christlichen Glaubens sei.
Kurz nachdem Finney gestorben war, trat als dessen Nachfolger Dwight L. Moody als erfolgreicher amerikanischer Evangelist auf. Seine Erweckungsfeldzüge betonten weniger die den menschlichen Empfindungen angepaßten Elemente Finneys, sondern berücksichtigten mehr das göttliche Wirken, das Nevin gefordert hatte. Moody rief Heilsuchende in den Massenversammlungen in »Aussprache-Räume«, wo dann deutlich vom Elend des Menschen und der Sünde, aber auch von der Gnade, der Liebe und dem Willen Gottes gesprochen wurde. Er meinte, daß der Mensch nicht so sehr auf Gott oder auf sich selbst, sondern auf Jesus, den Gott-Menschen, als Hirten und Freund sehen solle. Moody behauptete einmal: »Ich bin ein Arminianer bis zum Kreuz; aber nach dem Kreuz ein Calvinist«. Er evangelisierte nicht nur inAmerika, sondern auch in Europa und wirkte bahnbrechend für die spätere christliche Studentenbewegung.
Wenn unterschiedliche Meinungen zum Segen werden
In den Meinungsverschiedenheiten über Evangelisation im neunzehnten Jahrhundert traten deutlich Tendenzen hervor, die lehrreich für uns heute sein können. Weder Finney noch Nevin waren in der Debatte zum Standpunkt des anderen übergetreten. Es wurde auch kein billiger Kompromiß als von beiden anerkannter Mittelweg gefunden. Und doch lernten mit der Zeit die Verfechter beider Ansichten voneinander und kamen zu einem völligeren Verständnis des christlichen Glaubenslebens.
Die Gefahr bei Meinungsverschiedenheiten unter Christen scheint mir die zu sein, daß jeder meint, seine Ansicht würde mit dem Willen Gottes übereinstimmen. Somit habe der Andere sie anzunehmen. Diese Einstellung könnte man als ein horizontales zweipoliges Gegenüber ansehen, wobei dann die Lösung nur ein Anerkennen der Position des einen oder des anderen oder ein Kompromiß sein kann (siehe Abb. 1). Dieser würde dann irgendwo auf der Linie zwischen den beiden Polen liegen, je nachdem, wer mehr nachgegeben hätte.
Eine bessere Lösung scheint mir ein dreieckiges horizontal _ vertikales Leitbild zu bieten. Wobei die horizontal unterschiedlichen Ansichten mit dem Vorbehalt anerkannt werden, daß ein jeder das Richtige fördern will und im Kennenlernen dieses Anderen auch ein vertikales Element mitwirkt, welches uns einem Höheren, nämlich Gottes Willen, näher bringt (siehe Abb. 2). Voraussetzung dafür ist, daß die Kontrahenten anerkennen, daß ihre Meinungen nicht unbedingt von vornherein mit dem Willen Gottes übereinstimmen. Sie sind ja Menschen und nicht Gott.
Um Gottes Willen besser zu erkennen und somit auch Gott näher zu kommen, brauchen wir gerade die unterschiedlichen Einsichten und Anregungen unserer Glaubensgeschwister. Es gilt also, nicht ein vorschnelles Urteil zu fällen, sondern auf die Meinungen anderer zu hören, um bereichert zu werden. Es gilt, nicht zu richten, sondern zu prüfen und das Gute zu fördern.
Mir scheint es sogar nicht verkehrt zu sein, die Differenzen unter Christen als eine Möglichkeit des Segens anzusehen. Der Grund ist folgender: Das, was dann mit der Zeit dabei herauskommt, liegt nicht in unserer Macht, sondern in Gottes Hand. Und wenn es stimmt, was Jesus in der Bergpredigt ausspricht, dann liegt der Segen nicht erst am Ende unseres Weges zu Gott, sondern ist schon zu Beginn und im Verlauf des Weges zu erfahren.
Dr. Walter Froese (58) ist verheiratet mit Gerda. Sie haben zwei verheiratete Töchter. Er ist Professor für Kirchengeschichte an der School of Theology der Anderson University, USA. Zuvor war er Professor an der Notre Dame Universität in Kanada, an der Universität von British Columbia, Kanada, am Gardener College in Camrose, Kanada und als Gymnasiallehrer am Melanchtongymnasium in Steinertal, Schwalm.
Quelle: http://www.fbgg.de/perspektiven/1996-1998/pe-4-397.htm