Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps104

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Erläuterungen und Kernworte


V. 15. Der Wein ist eine jener Gaben, bei deren Gebrauch der Mensch stete Selbstzucht ausüben muss. Im Übermaß genommen wird er ein Fluch (1. Mose 9,21 ff; 19,33 ff. usw.); als Gabe Gottes genossen (1. Mose 14,18; Joh. 2,3 usw.) ist er ein Geschenk, für das der Mensch dankbar zu sein alle Ursache hat John Duns 1868.

Mit Öl salbte z. B. Ruth sich (Ruth 3,3), um ihr Aussehen zu verschönern, während das Weib von Thekoa (2. Samuel 14,2), sowie Daniel (Dan. 10,3) das Salben unterließen aus dem entgegengesetzten Grunde. Ambrosius Serle † 1815.

Und das Brot des Menschen Herz stärke. Der Hungrige hat keinen Unternehmungsgeist, keinen Eifer und keinen Mut. Aber wenn in solchem Fall nur ein wenig Brot vom Magen aufgenommen worden ist, so wird, noch ehe die Verdauungsorgane Zeit gehabt haben, das Genossene in Nährsaft umzuwandeln, die Kraft wiederhergestellt und die Lebensgeister geweckt. Das ist eine erstaunliche Wirkung, für die wir keine genügende Erklärung wissen. Adam Clarke † 1832.

In Homer’s Odyssee begegnen wir dem Ausdruck: Brot, das Mark der Menschen.

Des Menschen Herz. Nicht ohne Grund ist hier nicht wie V. 14 der gewöhnliche Ausdruck für Mensch (adam) gebraucht, sondern wie Ps. 103,15 das Wort enosch, welches den schwachen, hinfälligen Menschen bezeichnet. Denn es sind hier Nahrungsmittel genannt, deren der Mensch vor dem Fall nicht bedurfte. Herm. Venema † 1787.

V. 16. Die Bäume des HERRN. Der Übergang von den Menschen zu den Bäumen besagt gleichsam: Es ist nicht zu verwundern, wenn Gott die Menschen, die er nach seinem Bilde geschaffen hat, so freigebig ernährt, da er es sich nicht verdrießen lässt, seine Fürsorge sogar auf die Bäume auszudehnen. Unter den Bäumen des HERRN sind diejenigen gemeint, welche hoch und von ausnehmender Schönheit sind; an ihnen ist Gottes Segen besonders deutlich. Es scheint fast unmöglich, dass der Saft der Erde zu so großer Höhe steige; und doch erneuern sie ihr Laub jedes Jahr. Jean Calvin † 1564.

Die Bäume des HERRN, vergl. Ps. 36,7: Gottesberge. Dies sind nicht etwa die höchsten Berge usw., weil alles Beste in der Natur oder in seiner Art durch den Beisatz "Gottes" ausgezeichnet werde. Diese Annahme der Rabbinen und anderer verträgt sich nicht mit der scharfen Unterscheidung des Natürlichen und des Göttlichen in der biblischen Weltanschauung. Dieser Beisatz steht da, wo etwas auch nicht bloß als von Gott Hervorgebrachtes, sondern als zugleich die Herrlichkeit Gottes, seine Macht, Güte, Heiligkeit Bezeugendes und seiner Offenbarung Dienendes hervorgehoben werden soll. So werden die Propheten häufig als Menschen Gottes und die Berge Sinai und Zion als Berge Gottes bezeichnet; so heißt das Paradies der Garten Gottes 1. Mose 13,10, vergl. 2,8, und der Regen im Gegensatz gegen künstliche Bewässerung der Bach Gottes Ps. 65,10. Und die Zedern Libanons heißen Gottes-Zedern Ps. 80,11 und Bäume Jehovahs Ps. 104,16 nicht bloß, weil er sie wie die Aloen (4. Mose 24,6) gepflanzt hat, sondern weil sie von seiner Schöpfermacht Zeugnis geben und zu seiner Anbetung durch Betrachtung derselben Anlass geben. Gen-Sup. K. B. Moll † 1878.

V. 17. Der Storch, dessen Haus Zypressen sind. (Grundtext) Gut bewaldete Gegenden sind meist Lieblingsplätze der Störche, da sie stets Bäume für Brutzwecke sowie als Ruhestätten für die Nacht auswählen. Einige wenige Arten derselben machen jedoch von dieser Regel eine Ausnahme, indem sie ihre Nester auf Dächern, Schornsteinen oder andern erhöhten Plätzen in der unmittelbaren Nachbarschaft der Menschen bauen. Nach Christ. L. Brehm † 1864.

V. 18. Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht. Ich zweifle nicht, dass der arabische Steinbock gemeint ist. Dieses Tier ist dem wohlbekannten Steinbock der Alpen sehr nahe verwandt, kann aber von ihm an einigen kleinen Merkmalen unterschieden werden, so an dem schwarzen Bart und der leichteren Art der Hörner. Die Farbe seines Fells ist der der Felsen so ähnlich, dass ein ungeübtes Auge nichts als nackten Stein sehen würde, wo ein erfahrener Jäger eine Menge Steinböcke sähe, erkennbar an ihren wundervoll gekrümmten Hörnern. Die Beweglichkeit dieses Tieres ist erstaunlich. In den höchsten und schroffsten Teilen der Bergketten wohnend, schießt es von einem Ort zum andern mit einer Sorglosigkeit, welche jeden entsetzt, der nicht das Tier und die wunderbare Sicherheit seines Fußes genauer kennen gelernt hat. Es kann z. B. an einer senkrechten Felswand hinaufspringen, die glatt wie eine Mauer aussieht, um auf einen winzigen, kaum erkennbaren Vorsprung an dieser Wand, vielleicht fünfzehn Fuß über der Stelle, von wo aus der Sprung geschah, zu kommen. Sein Auge hat aber gewisse kleine Risse und vorstehende Punkte an der Felswand erschaut, und indem das Tier den Sprung macht, nimmt es diese kleinen vorteilhaften Punkte einen nach dem andern in schneller Folge; es berührt sie kaum, während es aufwärts eilt, und doch bewahrt es sich durch den leisen Aufschlag des Fußes die ursprüngliche Kraft des Sprunges. So kommt der Steinbock auch, gleitend und springend, schroff abstürzende Berghänge herunter; dabei hält er manchmal, mit allen vier Füßen zusammen, auf einem kleinen Vorsprung, nicht größer als eine Hand, und dann setzt er kühn über eine wilde Kluft und schwingt sich mit erstaunlicher Genauigkeit auf ein vorstehendes Felsstück, das kaum groß genug scheint, einem Murmeltier einen bequemen Ruhepunkt zu bieten. J. G. Wood 1869.

Und die Steinklüfte der Klippdachse. (Grundtext) Als wir die Felsen in der Nachbarschaft des Klosters auskundschafteten, hatte ich die Freude, die Aufmerksamkeit meines Begleiters auf eine oder zwei Familien dieses Tieres lenken zu können, die eben ihre Luftsprünge auf den Höhen über uns machten. Herr Smith und ich beobachteten sie ganz aus der Nähe, und wir belustigten uns sehr über die Lebhaftigkeit ihrer Bewegungen und die Schnelligkeit, mit der sie sich in die Steinklüfte zurückzogen, wenn sie Gefahr witterten. Wir sind, glaube ich, die ersten europäischen Reisenden, die dieses Tier, welches jetzt allgemein als der schaphan oder das "Kaninchen" (Luther) der Bibel angenommen ist, auf dem eigentlichen Boden des Heiligen Landes beobachtet haben. Der Mann, der mir das Fell des Tiers zubereitete, hielt es fälschlich für das eines Kaninchens, wiewohl es von stärkerer Art und dunkelbrauner Färbung ist. Der Klippdachs besitzt keinen Schwanz; er hat einige Borsten an der Schnauze, über dem Kopf und an dem Rücken entlang, auf dem sich auch Striche von hellerer und dunklerer Schattierung finden. Mit seinen kurzen Ohren, den schmalen schwarzen, nackten Pfoten und der spitzen Schnauze ähnelt er dem Igel. Doch gehört er nicht zu den Insektenfressern, sondern wird von den Naturforschern den unregelmäßigen Vielhufern zugeteilt. John Wilson 1847.

V. 19. Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen: "Und der Mond in aller Welt muss scheinen zu seiner Zeit und die Monate unterscheiden und das Jahr einteilen. Nach dem Mond rechnet man die Feste; es ist ein Licht, das abnimmt und wieder zunimmt. Er macht den Monat; er wächst und verändert sich wunderbar." Jesus Sirach 43,6-8.

V. 20. Du machst Finsternis. Manche Ausleger bemerken mit Augustinus, in 1. Mose 1 sei wohl gesagt, dass das Licht geschaffen worden, nicht aber auch, dass die Finsternis gemacht sei, weil die Finsternis nichts ist, einfaches Nichtdasein des Lichts. An unserer Stelle aber wird auch gesagt, dass die Nacht gemacht worden, und Jes. 45,7 sagt der HERR von sich: Der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis. Joh. Lorinus † 1634.

V. 20-23. Es ist interessant, zu erwägen, wie die Länge des Tages der Gesundheit des Menschen und der Lebenskraft und den Daseinsbedingungen der Tier- und Pflanzenwelt angepasst ist. Der Lebensgenuss ist zu einem guten Teil abhängig von dem angenehmen Wechsel von Tag und Nacht. Wir finden bei den Tieren und Pflanzen Funktionen periodischer Art und können beobachten, dass diese Perioden, welche ihrer Konstitution anerschaffen sind, mit der Länge des natürlichen Tages übereinkommen. Ebenso ist es beim Menschen. Auch bei den Reisen in hohe nördliche Breitengrade, wo die Sonne Monate lang nicht aufgeht, ist das Wohlbefinden der Menschen wesentlich davon mit bedingt, ob die Ruhezeit innerhalb der vierundzwanzigstündigen Periode pünktlich eingehalten wird. Nach William Whewell † 1866.

V. 21. Die jungen Löwen usw. Gott nährt nicht nur die Schafe und Lämmer, sondern auch die Wölfe und Löwen. Der auffällige Ausdruck, dass die jungen Löwen mit ihrem Brüllen Speise suchen von Gott, schließt in sich, dass weder ihre Stärke noch ihre List ihnen Nahrung verschaffen könnte ohne die Fürsorge Gottes. Auch die stärksten Geschöpfe können, sich selbst überlassen, sich nicht helfen. Wie die Gottesfürchtigen durch besondere Fürsorge Gottes erhalten werden, so alle Kreatur durch die allgemeine göttliche Vorsehung. Wenn denn selbst der Löwe in der Vollkraft der Jugend auf Gott angewiesen ist, dann können sicherlich auch die Mächtigsten unter den Menschen nicht in eigener Kraft leben. Wie wir von Gott Leben und Odem haben, so bekommen wir auch von ihm alles, was wir zur Erhaltung dieses Lebens bedürfen. Joseph Caryl † 1673.

V. 22. Wenn aber die Sonne aufgeht usw. Da die wilden Tiere seit dem Fall des Menschen den Daseinszweck zu haben scheinen, uns zu schaden und alles, was ihnen in den Weg kommt, zu zerreißen, muss diese wilde Grausamkeit durch Gottes Vorsehung in Schranken gehalten werden. Und das einzige Mittel, welches er anwendet, um sie in ihren Schlupfwinkeln zu halten ist, ihnen Schrecken einzuflößen, und zwar einfach durch das Licht der Sonne. Dieses Beispiel der göttlichen Güte rühmt der Prophet umso mehr wegen seiner Notwendigkeit für uns; denn wenn es anders wäre, würden die Menschen keine Freiheit haben, an die Arbeiten und Geschäfte des Lebens zu gehen. Jean Calvin † 1564.

V. 23. So geht dann der Mensch aus usw. Alle Geschöpfe freuen sich ihres Daseins, verrichten ihre Geschäfte und tun, was sie müssen. Aber im Unterschied von den willenlosen Werkzeugen des Allmächtigen hat der Mensch allein unter allen Kreaturen ein eigentliches Tagewerk. Er hat und kennt eine bestimmte Lebensausgabe. Und indem er diese übernimmt, wird er ein Diener Gottes, tut, was er soll, und freut sich Gottes, der Werke Gottes, des Dienstes Gottes und gewinnt dadurch für sein Leben in der Zeit einen ewigen Inhalt. General-Sup. K. B. Moll † 1878.

Wenn das Licht der Wahrheit und Gerechtigkeit scheint, fliehen vor ihm Irrtum und Ungerechtigkeit, und der "brüllende Löwe" selbst geht hinweg für eine Zeit lang. Dann geht der Christ aus an das Werk seines Heils und an seine Arbeit der Liebe, bis der Abend seines Lebens ihn mahnt, sich auf die letzte Ruhe zu bereiten, in fröhlicher Hoffnung der Auferstehung. Bischof G. Horne † 1792.


V. 24. HERR, wie sind deiner Werke so viel, du hast sie alle weise geordnet! Wenn die Zahl und Mannigfaltigkeit der Geschöpfe so außerordentlich groß ist, wie groß, ja, wie unermesslich muss die Macht und Weisheit dessen sein, der sie alle gebildet hat! Denn wie es soviel mehr Kunst und Geschicklichkeit bei einem Handwerker beweist, wenn er sowohl Turm- als Taschenuhren, sowohl Pumpen als Mühlen, sowohl Granaten als Raketen verfertigen kann, als wenn er nur eines von diesen Dingen machte, so offenbart der Allmächtige sonderlich seine mannigfaltige Weisheit darin, dass er eine solch ungeheure Menge verschiedener Arten von Wesen und Dingen, und jedes mit staunenswerter, untadeliger Kunst, geschaffen hat. Und wie ein geschickter Mechaniker denselben Zweck mit verschiedenen Mitteln erreichen kann (denken wir z. B. nur an die vielerlei verschiedenen Arten, wie Uhren getrieben werden), so zeigt auch der unendlich weise Schöpfer an vielen Beispielen der Natur, dass er zu der Erreichung eines Zwecks nicht auf ein Mittel angewiesen ist. (Vergl. z. B. die Flugwerkzeuge der Vögel, der Insekten, der fliegenden Fische usw.; ferner die verschiedenen Mittel zum Schwimmen und vieles andere mehr.) John Ray † 1705.

Wie hat die Schönheit, Erhabenheit und weise Anordnung der Natur selbst Heiden wie Aristoteles, Plinius, Galenus Bewunderung und Dankeshymnen abgenötigt; wieviel mehr sollten denn unsre Herzen von Dank bewegt werden und unsere Lippen vom Preis überströmen! William Barrow † 1836.

Ein geschickter Künstler findet, wenn er sein Werk vollendet hat und es nochmals besieht, oft den einen oder anderen Fehler darin; als aber der HERR seine Werke der Schöpfung vollendet hatte und sie betrachtete, sah er, dass alles sehr gut war. Die unendliche Weisheit selbst konnte keinen Tadel daran finden! Was für törichte Kreaturen müssen das denn sein, welche irgendeines der Werke Gottes der Torheit oder des Mangels an Weisheit bezichtigen zu können vorgeben! John Gill † 1771.

Die Erde ist voll deiner Güter: und diese behältst du nicht für dich, sondern segnest deine Geschöpfe damit. A. R. Fasset 1866.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 25. Das Meer - da wimmelt’s ohne Zahl usw. Das Meer wimmelt von Leben mehr als das Land. So gleichmäßig seine Oberfläche ist, schließt das Meer doch eine Fülle von Leben ein, von der kein anderes Gebiet der Erde auch nur einen schwachen Begriff geben kann. Von den Polen bis zum Äquator, vom Osten bis zum Westen, überall ist die See bevölkert; allenthalben, bis in ihre unergründlichen Tiefen, leben und tummeln sich der betreffenden Stätte angemessene Geschöpfe. An jedem Fleckchen des unermesslichen Ozeans findet der Naturforscher Belehrung und der Philosoph Anlass zum Sinnen, und gerade die Mannigfaltigkeit der Lebensformen erweckt in unserem Gemüt ein Gefühl der Dankbarkeit gegen den Schöpfer des Weltalls. Ja, die Ufer wie die Tiefen des Ozean, seine Ebenen und seine Berge, seine Täler und seine Abgründe, sogar seine Trümmer und sein Abschaum werden von Tausenden von Wesen belebt und verschönert. Es gibt in ihm einsam und gesellschaftlich lebende Pflanzen, aufrecht stehende und hängende; die einen strecken sich zu Prärien, andere gruppieren sich in Oasen oder wachsen als ausgedehnte Wälder. Diese Pflanzen gewähren Schutz und Nahrung Millionen von Tieren und Tierchen, die kriechen, rennen, schwimmen, fliegen, sich in den Meeresboden eingraben, sich an Wurzeln hängen, in den Felsspalten wohnen oder sich selber eine Schutzhütte bauen, sich gegenseitig suchen oder fliehen, einander nachjagen oder sich bekämpfen, einander liebkosen oder ohne Erbarmen verzehren. Charles Darwin († 1882) sagt mit vollem Recht, dass die oberirdischen Wälder nicht von ferne die Zahl von Tieren bergen wie diejenigen des Meeres. Der Ozean, welcher für den Menschen ein weites Totengrab ist, ist für Myriaden von Tieren ein Heim voll Leben und Gesundheit. Freude ist in seinen Wogen, Wohlsein an seinen Ufern und Himmelsblau überall. Moquin Tandon 1869.

Gott sprach: Das Wasser zeuge Tiere jetzt,
Mit reicher Brut, lebendige Geschöpfe.
Und Gott erschuf den Walfisch und die Wesen,
Die kriechen, schwimmen, von der Wasserflut
Nach ihren Arten häufig jetzt erzeugt.
Er sah, wie alles gut, und segnete,
Indem er sprach: Seid fruchtbar, mehret euch
Und füllt die Meere, Ström’ und Wogen an.
Es wimmelten im Nu die Sund’ und Meere,
Die Bai’n und Buchten mit zahlloser Brut
Von Fischen, die mit Flossen und mit Schuppen
Die grüne Flut hingleiten und in Scharen
Wie Dämme glänzen mitten in dem Meer.
Die bleiben einsam, jene paaren sich,
Ernähren sich vom Meergras treugesellig
Und streifen durch die Wälder von Korallen.
Noch andre spielen schimmernd und behend,
Ihr goldgesprengtes Kleid der Sonne zeigend;
Noch andre harren in den Perlenschalen
Geduldig auf die feuchte Nahrung, lauern
Im Schuppenpanzer unterem Fels auf Futter.
Das Seekalb spielt auf glatter Meeresfläche
Sowie der flink sich schnellende Delphin.
Noch andre von gewalt’gem Bau bestürmen
Langsam sich wälzend mit Geräusch das Meer.
Dort ruht das größte der lebendigen Tiere,
Leviatan, aufs weite Meer gestreckt
Gleich einem Vorgebirge; wann er schwimmt,
Scheint er ein wandelnd Land zu sein, er schlürft
Ein Meer in seine Kiemen ein und speit
Es wiederum mit seinem Rachen aus.
Verlorenes Paradies VII, John Milton † 1674.

V. 26. Daselbst gehen die Schiffe. Statt dass das Meer, wie die in der Schiffahrt noch unerfahrenen Alten meinten, die Nationen der Erde voneinander trennt, ist es vielmehr die große Hauptstraße des menschlichen Geschlechts und vereinigt alle seine verschiedenen Zweige zu einer großen Familie durch die wohltätigen Bande des Handels. Zahllose Flotten durchfurchen beständig seine Wogen, um in fortwährendem Austausch alle Länder des Erdballs durch die Erzeugnisse aller Himmelsstriche zu bereichern, die Früchte der Tropen den Kindern des frostigen Nordens zu überbringen oder die Kunsterzeugnisse kälterer Länder den Bewohnern der heißen Gegenden. Mit der Zunahme des Handels breitet sich auch die Zivilisation mittelst der weiten Straße des Ozeans von Küste zu Küste aus; sie dämmerte zuerst an den Ufern des Meeres, und ihre Hauptsitze sind noch dem Rand desselben entlang zu finden. G. Hartwig 1866.

Der Leviatan (Luther hier: Walfisch), Hiob 40,25 ff. das Krokodil, ist hier allgemeine Bezeichnung der großen Seeungeheuer. Prof. Friedrich Baethgen 1892.

Die folgenden Worte verstehen manche mit Septuaginta und Talmud nach Hiob 40,29: um mit ihm zu spielen, was aber keine Gottes würdige Vorstellung gibt; man fasse das ObI (vergl. V. 20) als Wechselwort für M$f Hiob 40,20: um darin, im Meere nämlich, zu spielen. Nach Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Dass sie drinnen spielen. So schrecklich und ungestüm das Meer uns erscheint und unzähmbar in seinen Wogen und seiner Brandung, so ist es doch nur der Spiel- und Tummelplatz, der Lawn-Tennis-Platz für jene Riesengeschlechter des Ozeans. Adam Clarke † 1832.

Die Walfische sind gemacht, im Meer zu spielen; sie haben nichts zu tun wie der Mensch, der an sein Werk ausgeht V. 23; sie haben nichts zu fürchten wie die wilden Tiere, die sich in ihre Höhlen legen (V. 22); darum spielen sie in dem Wasser. Doch ist es traurig, wenn von den Menschen, die edlere Kräfte haben und zu edleren Zwecken geschaffen sind, manche leben, als wären sie in die Welt gesetzt wie der Walfisch ins Wasser, um darinnen zu spielen, indem sie ihre ganze kostbare Zeit mit allerlei Zeitvertreib hinbringen. Matthew Henry † 1714.

V. 27 f. Fünferlei ist an Gottes Fürsorge für die Tiere zu beobachten: seine Macht, die allein für alle hinreicht: Es wartet alles auf dich; seine Weisheit, die die passende Zeit wählt: dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit; seine über alles erhabene Majestät: Du gibst ihnen, sie sammeln - gleichsam die Brosamen, die von ihres Herrn Tische fallen; eine Freigebigkeit, welche nichts zurückhält: Du öffnest deine Hand; und seine Güte, die alle zu genießen bekommen: sie werden mit Gut gesättigt, das ist, mit dem Guten, das aus deiner Güte ihnen zufließt. Thomas Le Blanc † 1669.

V. 28. Du gibst ihnen, sie sammeln. (Wörtl.) Dieser Satz enthält in erstaunlicher Einfachheit die wunderbare Lösung der Aufgabe, all die unzähligen großen und kleinen Lebewesen, welche im Meere wimmeln, die Heere von Vögeln, welche die Luft erfüllen, und die großen Mengen von Tieren, welche das Festland bewohnen, zu ernähren. Das Werk ist riesig; doch wird es mit Leichtigkeit ausgeführt, weil der Meister, der es vollführt, unendlich ist. Wenn er nicht die Sache besorgte, würde die Aufgabe nie vollbracht werden. Gott sei gelobt für das herrliche Du des Textes. In jeder Hinsicht ist es unser bester Trost, dass der lebendige Gott noch am Werk ist in der Welt. Der Leviatan im Weltmeer und der Sperling im Busch dürfen beide des froh sein, und wir, die Kinder des großen Vaters, noch viel mehr.

Den allgemeinen Satz des Textes, dass Gott seinen Geschöpfen gibt und seine Geschöpfe sammeln, wollen wir nun auf unsere eigene Lage anwenden; denn er gilt uns sicherlich so gut wie den Fischen im Meer und dem Vieh auf den Hügeln. 1) Wir haben nur zu sammeln; Gott gibt. In zeitlichen Dingen: Gott gibt uns Tag für Tag unser täglich Brot, und unsre Aufgabe ist nur, es zu sammeln. Was das Geistliche betrifft, so ist der Grundsatz ebenfalls wahr, und zwar sehr nachdrücklich; wir haben, was unser Heil betrifft, nur zu sammeln, was Gott gibt. Der natürliche Mensch meint, er habe sich Gottes Huld zu verdienen, müsse den Segen des Himmels sich erkaufen; aber er befindet sich da in einem schweren Irrtum: die Seele hat nur zu nehmen, was Jesus gerne und umsonst gibt. 2) Wir können nur sammeln, was Gott gibt; so eifrig wir auch sein mögen, hat all unser Zusammenraffen doch da seine Grenze. Das emsige Vöglein ist nicht imstande, mehr zu sammeln, als der HERR ihm gegeben; und der gierigste und habsüchtigste Mensch vermag es ebensowenig. Ps. 127,2: Es ist umsonst usw. 3) Wir müssen sammeln, wenn Gott gibt; sonst werden wir von seinem großmütigen Geben keinen Nutzen haben. Gott ernährt all das Gewimmel der Lebewesen ohne Zahl; doch sammelt jedes dieser Geschöpfe die Nahrung sich selbst. Der gewaltige Walfisch bekommt seine Riesenportion; aber er muss dafür die endlosen Felder des Meeres durchpflügen und die Myriaden winziger Meerschnecken und anderer Tiere sammeln, welche seinen Hunger befriedigen. Der Fisch muss aufschnellen, um die Mücke zu fangen, die Schwalbe unermüdlich ausfliegen und ein Tierlein nach dem andern erschnappen, und auch der junge Löwe muss sich seine Beute erjagen. 4) Wir wenden wieder den Text und finden damit den köstlichen Gedanken, dass wir sammeln dürfen, was er gibt. Wir haben göttliche Erlaubnis, das, was der HERR darreicht, frei und freudig zu genießen. 5) Das letzte ist: Gott wird uns stets etwas geben, das wir sammeln können. Es steht geschrieben: Der HERR wird’s versehn. (1. Mose 22,14 Stier.) Ebenso ist es in den geistlichen Dingen. Wenn wir nur willig sind zu sammeln, wird der HERR stets etwas geben. C. H. Spurgeon 1878.

Das für sammeln gebrauchte Wort bedeutet insbesondere: von der Erde auflesen, z. B. Ähren, Ruth 2,3; Steine, 1. Mose 31,46; Blumen pflücken, Hohelied 6,2. Es wird auch in der Geschichte vom Manna 2. Mose 16 gebraucht, an welche wir uns gerne hier erinnern; denn auch hier ist Voraussetzung für das Auflesen von der Erde ein Herabsenden vom Himmel, ein Geben aus der offenen Hand des HERRN. Joseph Addison Alexander † 1860.

Wenn du deine Hand auftust: mit den gleichen Worten gebietet Gott uns Freigebigkeit gegen die Armen, siehe 5. Mose 15,11. Joh. Lorinus † 1634.

V. 29. Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie. Das Wort des Grundtextes bezeichnet die Bestürzung, welche einen erfasst, wenn man sich plötzlich aller Hilfe und alles Schutzes beraubt sieht und das unvermeidliche Verderben einem ins Angesicht starrt. So sinken sie, in ihrer Lebenskraft gebrochen, hin, fassungslos brechen sie, von Schrecken überwältigt, zusammen und müssen sterben. Albert Barnes † 1870.

V. 30. Du lässest aus deinen Odem (oder Geist), so werden sie geschaffen. Die Erhaltung der Welt ist fortgesetzte Erschaffung - nicht in dem Sinn der Erschaffung von durchaus Neuem, aber sofern alles Geschaffene schlechthin von Gottes Lebenskraft abhängig ist und bleibt. Und zwar ist es derselbe Geist Gottes, welcher am Anfang die Leben zeugende Kraft war, der bis heute noch Leben gibt und erhält. Das Werk der Schöpfung ward in den sechs Tagen vollendet, aber es wird jeden Tag erneuert und wird so fortgesetzt bis zum Ende der Welt. Und erneuerst die Gestalt der Erde. So macht Gott jedes Jahr eine neue Welt, indem er seinen Odem, seine belebende Kraft aussendet, um durch Regen und Sonnenschein die Gestalt der Erde zu erneuern. Joseph Caryl † 1673.


V. 31. Möge sich Jehovah seiner Werke freuen. Diese Beifügung des Psalmisten ist nicht überflüssig; er wünscht, dass die Ordnung, welche Gott von Anfang eingerichtet hat, fortdauern möge im rechtmäßigen Gebrauch seiner Gaben. Wie wir 1. Mose 6,6 lesen, dass es den HERRN gereut habe, die Menschen gemacht zu haben, so hört Gott auf, Lust daran zu haben, seine guten Gaben darzureichen, wenn er sieht, dass sie durch unsere bösen Neigungen entweiht werden. Und sicherlich zeugen die Verwirrung und Unordnung, welche eintreten, wenn die Elemente ihren Dienst zu tun aufhören, davon, dass Gottes Missfallen erregt und seine Geduld erschöpft ist und er darum dem regelmäßigen Lauf seiner Freigebigkeit Einhalt geboten hat; wiewohl Zorn und Ungeduld unserer Art in seinem Wesen keinen Raum haben. Was hier gelehrt ist, das ist, dass er die Gesinnung des besten Vaters hat, dem es eine Freude ist, seine Kinder mit zärtlicher Liebe zu pflegen und ihnen überschwänglich wohlzutun. Jean Calvin † 1564.

V. 32. Er rührt die Berge an usw. - Kein Maler kann diese weltverlorenen Felsen und Schluchten der Sinaiwüste mit ganzer Schärfe zeichnen. Nur der Photograph vermag die unzähligen kleinen Züge wiederzugeben, welche miteinander die frostige Öde, die Wildheit, Schrecklichkeit und schauerliche Einsamkeit dieser kaum mehr irdisch zu nennenden Wüste ausmachen. Um Mitternacht erhob ich mich und wandelte auf dem Dach des Klosters. Das Sterngefunkel über den Bergspitzen war herrlich, aber die Düsternis, welche über den ungeheuren Felshängen und den unzugänglichen Schluchten hing, drückte das Gemüt stark nieder. An die Vorgänge am Sinai dachte der Psalmist wohl bei den Worten: Er schaut die Erde an, so bebt sie; er rührt die Berge an, so rauchen sie. Dies ist der Berg, den er anrührte und der mit Feuer brannte (Hebr. 12,18); nicht: den man anrühren konnte, sondern der Berg, welchen der Finger Gottes berührte. (Vergl. Bengel, Stier) Wir vermochten uns sehr gut den schwarzen Gürtel dichter Finsternis vorzustellen, mit dem der Berg da umgeben war, und wie die Blitze ihr schnelles Feuer durch diese Hülle sandten, die Finsternis dadurch noch finsterer erscheinen lassend. Auch konnten wir uns die übernatürliche, von keiner irdischen Gewalt entzündete Feuerflamme wohl vor Augen malen, die aus dieser Umgebung aufleuchtete gleich einer lebenden Feuersäule und bei dem Schall der Posaunen der Engel und über die Kraft der Engel erhabener Donner zum Himmel aufstieg. Horatius Bonar 1858.

Er schaut die Erde an, so bebt sie usw.: das ist die Naturanschauung der Schrift, so soll sie auch die meine sein. Gott bedarf keiner Mittel, um seine Absichten auszuführen; aber wenn er auch für gewöhnlich Mittel anwendet, so sind diese doch nur wirksam durch seine allmächtige Kraft, welche in ihnen wirkt. Wie frostig und ertötend ist der Hauch derjenigen Naturbetrachtung, welche uns davon abwendig machen will, Gott in den Werken seiner Vorsehung zu schauen. Der Christ, der in dieser Luft lebt oder an ihren Grenzen weilt, wird innerlich krank und an rechtschaffenen Werken der Gerechtigkeit unfruchtbar sein. Diese Malaria (Sumpflust) zerstört alles geistliche Leben. Alex. Carson † 1844.

Er schaut usw. Drum ist es schlimm, in seine Hände zu fallen, der mit einem Blick und einem Anrühren seiner Hand so Schreckliches zu tun vermag. John Trapp † 1669.

V. 33.34. Nachdem er gezeigt hat, wie die ganze Natur die Herrlichkeit Gottes bezeugt, sagt der Psalmist nun, was er zu tun gedenke: Mit seiner Stimme will er den HERRN preisen, mit seiner Hand in die Saiten greifen und ihm spielen, und beides sein Leben lang; mit den Geisteskräften, die ihm gegeben, will er sinnend in Gottes Wesen eindringen, mit seinem Gemüt und Willen sich ganz in seliger Freude an Gott hingeben. Thomas Le Blanc † 1669.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte

V. 35. Der Sünder müsse ein Ende werden usw. Der Ton des Sängers senkt sich plötzlich V. 32 und wird ein tiefer und ernster. Warum erzittert die Erde vor dem Anblick des gütigen Gottes? Warum rauchen vor Angst die Berge, die er doch auch aus seinen Söllern tränkte (V. 13)? Die Antwort gibt V. 35. Eine Disharmonie gibt es in dieser schönen Welt die Sünde; möchte auch sie gehoben werden, indem Gott den unverbesserlichen Sündern (vergl. die Steigerungsform, nicht) ein Ende macht. - Kommentar von Prof. Friedrich Baethgen 1892.

Vor etlichen Jahren führte mein Weg mich an einem herrlichen Sommermorgen ein außerordentlich schönes Stück der Küste entlang. Es war der Tag des Herrn, und die Worte des 104. Psalms stiegen unwillkürlich in meinem Geiste auf, während sich so ein schönes Bild nach dem andern vor meinen Augen entfaltete. Etwa halbwegs vor meinem Bestimmungsorte führte die Straße durch einen schmutzigen Flecken, und ich wurde sehr unsanft aus meinen lieblichen Betrachtungen gerissen durch das Lärmen einiger Leute, welche gerade so aussahen, als hätten sie die Nacht bei einem Trinkgelage verbracht. Da konnte ich es dem Psalmisten recht lebhaft nachfühlen, wenn er dem Wunsche Ausdruck gibt, dass die Erde doch nicht mehr durch die Gegenwart solcher Menschen entweiht werden möchte, die, statt eine heilige Priesterschaft zu sein, welche der Natur im Preise ihres Schöpfers ihre Stimme verliehe, die Schöpfung mit rauhem Misston erfüllen. Das Gebet des Psalmisten lässt sich nicht nur rechtfertigen, sondern es ist in unserer Betrachtung der Natur etwas nicht in Ordnung, wenn wir nicht geneigt sind, mit darin einzustimmen. William Binnie 1870.

Wünscht der Psalmist, dass Gott Freude haben möge an seinen Schöpfungswerken (V. 31) und sucht er an seinem Teil Gott Freude zu machen (V. 33.34a) und an Gott seine Freude zu haben (V. 34 b), so ist er auch zu dem Wunsche berechtigt, dass, die ihre Freude am Bösen haben und, statt Gott Freude zu machen, seinen Zorn erregen, von der Erde hinweggeräumt werden mögen; denn sie sind dem Zweck der guten Schöpfung Gottes entgegen, gefährden ihren Bestand, verkümmern die Freude der Geschöpfe. Es heißt nicht: mögen schwinden die Sünden, sondern: die Sünder, denn eine andere Existenz der Sünde als die persönliche gibt es nicht, obwohl es schriftgemäß ist, was Seneca sagt: res optima est non sceleratos exstirpare, sed scelera. (Das Beste ist, nicht die Frevler, sondern die Frevel auszurotten.) - Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Lobe den HERRN, meine Seele. Ein würdiger Anfang (V. 1) und ein würdiger Schluss des Psalms, sagt Cassiodorus († 560), immerdar den zu loben, der nie zu irgendwelcher Zeit verfehlt, mit den treuen Herzen zu sein. So ist auch das Ende eines gottseligen Menschen wie sein Anfang im Glaubensleben. Mit diesem Gurt des Preises Gottes gegürtet, wird er nie umkommen. Joh. Lorinus † 1634.

Das Hallelujah kommt hier zum ersten Mal im Psalter vor. Es ist hervorgerufen durch den Rückblick auf die Schöpfung und die Betrachtung der Güte Gottes, welche sich in der Erhaltung all der Geschöpfe seiner Hand erweist, und durch den Ausblick auf den künftigen Sabbat, wenn nach der Entfernung aller Bösen aus der Vermischung mit den Guten Gott wieder so auf seine Werke wird schauen können wie am ersten Sabbat, ehe noch der Verführer sie befleckt hatte, als alles sehr gut war. Christopher Wordsworth 1868.

Dieses erste Hallelujah erscheint bei Gelegenheit der Vertilgung der Gottlosen; und das letzte Mal, da wir ihm begegnen, steht es bei demselben Anlass: wenn das Babylon des Neuen Testaments vernichtet ist, ist der Kehrreim des himmlischen Gesanges: Hallelujah. Off. 19,1.3.4.6. Matthew Henry † 1714.


Homiletische Winke




V. 1a.
Eine Ermahnung ans eigene Herz. 1) Gedenke Gottes als der letzten Ursache alles Guten. Rühme nicht Menschen oder die Gunst des Schicksals, sondern den Herrn. 2) Tue dies in liebender, dankbarer, eifriger, ihn preisender Weise: segne (wörtl.) den HERRN. 3) Tue es aufrichtig und inbrünstig: meine Seele. 4) Preise ihn jetzt - um vieler Ursachen willen und auf alle mögliche Weise.
V. 1b. u. 1c.
Gottes Herrlichkeit, Ehre und Majestät in Natur, Vorsehung, Gnade und Gericht.
V. 2a.
Auch die klarste Offenbarung Gottes ist immer noch eine Verhüllung seines Wesens; selbst das Licht ist für ihn ein Schleier. Gott zeigt sich uns mit Licht bekleidet in seiner Allwissenheit, seiner Heiligkeit, seiner Offenbarung im Wort, seiner Herrlichkeit im Himmel und seiner Gnade auf Erden.
V. 3c.
1) Gott hat Muße auch in seiner Eile: Er wandelt usw. 2) Gott ist schnell auch bei seinem Säumen (2. Petr. 3,8-10; Off. 1,1): Er wandelt auf den Fittichen des Windes. 3) Die praktischen Folgerungen daraus: Es ist Zeit genug da für Gottes Ratschlüsse, aber nicht für unser Tändeln; und wir sollen sowohl mit Geduld auf den Sieg seiner Sache warten als auch ihn durch heilige Tätigkeit beschleunigen (vergl. 2. Petr. 3,11 f.).
V. 7.
Die Macht des göttlichen Wortes in der Natur als Abbild seiner Macht auf andern Gebieten.
V. 9.
1) Alles Geschaffene hat seine bestimmten Schranken. 2) Dies Schranken ohne besondere göttliche Erlaubnis zu überschreiten ist Übertretung. 3) Auf außerordentliche Fälle sollte Rückkehr zu den gewöhnlichen Pflichten folgen. George Rogers 1878.
V. 10.
Wie Gott auf solche bedacht ist, die gleich den Tälern niedrig, verborgen und bedürftig sind. Die dauernde Art der göttlichen Versorgungsmittel und die erfreulichen Folgen seiner Fürsorge.
V. 10.11.
Betrachtungen, die sich aus Gottes Fürsorge für die wilden Tiere ergeben. 1) Wird er nicht noch viel mehr für seine Kinder sorgen? 2) Wird er sich nicht auch um die Wilden und um andre in Nacht und Irrsal umherschweifende Menschen kümmern? 3) Sollten nicht auch wir für alles, was lebt, ein Herz haben?
V. 10-12.
Die Fruchtbarkeit, das Leben und die Musik, welche den Lauf eines Stromes kennzeichnen, ein Bild der segensreichen Wirkungen des Evangeliums.
V. 14a.
Du lässest Gras wachsen für das Vieh. Was uns das Gras lehrt. I. Das Gras ist an sich lehrreich. 1) Als Bild unserer Vergänglichkeit, Jes. 40,6. 2) Als Bild der Gottlosen, Ps. 37,2. 3) Als Bild der Auserwählten Gottes (zahlreich, rasch wachsend, ganz vom Himmel abhängig) Jes. 35,7; 44,4; Ps. 72,6.16. 4) Als Bild der Nahrung, mit welcher der HERR die Seinen versorgt, Ps. 23,2. II. Noch lehrreicher aber ist es, wenn wir Gottes Walten in dem Wachsen des Grases sehen. Gott ist darin zu ersehen 1) als Wirkender: du machst Gras wachsen. Suche Gott zu schauen in gewöhnlichen Dingen, in den kleinen Dingen des Lebens und auch da, wo er in der Stille und Verborgenheit wirkt (wie in den einsamen Tälern und Alpen). 2) Als Versorger. Schaue Gott in seiner Fürsorge. Er sorgt für das Vieh, für Geschöpfe, die sich nicht selbst helfen (weder Gras säen noch es wachsen lassen) können, für stumme, sprachlose Kreaturen (wie viel mehr für solche, die beten können), und er gibt ihnen die für sie geeignete Nahrung: Gras. Lasst uns denn allezeit seine Hand auch in unseren Führungen sehen. III. Gottes Wirken in dem Grase, das er für das Vieh wachsen lässt, gibt uns treffende Bilder für sein Wirken in der Gnade. 1) Gott sorgt für die Ochsen, und zwar in einer ihre Bedürfnisse stillenden Weise; so muss es also auch etwas geben, das die höheren Bedürfnisse von uns edleren Geschöpfen und unserer unsterblichen Seele befriedigt. 2) Wiewohl Gott das Gras für das Vieh bereitet, müssen doch die Tiere es selber essen. Der Herr Jesus ist uns bereitet als Speise für unsre Seele; wir aber müssen durch den Glauben ihn aufnehmen und uns an ihm nähren. 3) Wir mögen hier die vorlaufende Gnade im Sinnbild ersehen: Noch ehe die Tiere geschaffen waren, war schon Gras in der Welt. So war durch die ewige Liebe auch für Gottes Kinder schon Fürsorge getroffen, ehe diese in der Welt waren. 4) Wir finden hier ferner ein Bild der freien Gnade. Wenn der Ochse auf die Weide kommt, bringt er kein Geld mit. Und weshalb gibt Gott dem Vieh das Gras? a) Weil es ihm gehört, Ps. 50,10; b) weil er einen Bund mit ihm gemacht hat, es zu ernähren, 1. Mose 9,9 f. - In unserem Text wird auch der Lehre von dem freien Willen ein Schlag versetzt: Wie Gott es ist, der das Gras wachsen lässt, so wächst auch die Gnade im Herzen nicht ohne göttliches Wirken. Wenn Gott es der Mühe wert hält, Gras wachsen zu lassen, wird er auch in uns die Gnade sprossen lassen. Wiederum: Das Gras wächst nicht ohne Zweck; es ist für das Vieh, das Vieh aber wächst für den Menschen. Wozu wächst dann der Mensch? Erwäge endlich, dass das Dasein des bescheidenen Grases notwendig ist, um die Kette der Natur zu schließen. So ist auch das geringste Kind Gottes notwendig für die große Familie Gottes. Siehe Ackerpredigten S. 209 (Schwert und Kelle 1883), Bapt. Verlagshaus, Kassel, von C. H. Spurgeon.
V. 16.
Die Zedern Libanons. Wir betrachten an ihnen: I. Das Fehlen alles menschlichen Zutuns. Diese Bäume sind in besonderem Sinne Bäume des HERRN. 1) Weil sie ihre Pflanzung völlig ihm verdanken. 2) Weil sie in Betreff ihrer Bewässerung nicht vom Menschen abhängen, V. 13. 3) Weil keine Macht der Sterblichen sie beschützt. 4) Auch gegen die staunenden Blicke der sie betrachtenden Menschen bewahren sie eine erhabene Gleichgültigkeit. 5) Ihre Freude ist ganz für Gott, Ps. 148,9; vergl. Ps. 29,6. 6) Es gibt nicht eine Zeder auf dem Libanon, die in ihren Erwartungen nicht vom Menschen unabhängig wäre. II. Die herrliche Erweisung der göttlichen Fürsorge. 1) In der Fülle ihrer Zuflüsse. 2) Die Zedern sind immergrün. 3) Betrachte die Höhe und den Umfang dieser Bäume. 4) Ihren Wohlgeruch. 5) Ihre Lebensdauer. 6) Ihre Ehrwürdigkeit. III. Die Fülle des in ihnen wirksamen Lebensprinzips, sie stehen voll Saftes. Diese Lebenskraft 1) ist zum Leben notwendig; 2) ist ein Geheimnis; 3) ist wurzelhaft verborgen; 4) ist beständig wirksam; 5) tritt nach außen in ihren Wirkungen hervor; 6) ist in reichem Maße begehrenswert.
V. 17.18.
Lehren aus der Natur. (Die Einleitung siehe Erläuterungen S. 309.) I. Für jeden Ort hat Gott eine geeignete Form des Lebens zubereitet: für das Gezweige am Bach die Vöglein, für die hohen Berge die Gämsen usw. So auch in der geistlichen Welt 1) Jedes Zeitalter hat seine Gottesmenschen. 2) In jeder Stellung, jeder Klasse der Gesellschaft sind sie zu finden. Das wahre Christentum ist für alle Lebenslagen gleich gut geeignet. 3) In jeder Kirche ist geistliches Leben zu finden - auch in solchen, deren Irrtümer wir nicht schonen dürfen. 4) Kinder Gottes oder solche, die es werden sollen, sind in jeder Stadt zu finden. (Apg. 18,10) II. Jedes Geschöpf hat seinen geeigneten Platz. 1) So ist auch jedem Menschen durch Gottes Vorsehung eine bestimmte äußere Stellung zugewiesen. 2) Dies ist auch wahr von unserer inneren Erfahrung. 3) Das nämliche gilt von der Eigenart des Charakters. III. 1) Jedes Geschöpf Gottes ist mit einer Zufluchtsstätte versorgt. 2) Diese ist für das betreffende passend, und wird 3) von ihm benutzt. - Schwert und Kelle 4, 209 und Hauspostille S. 49 (Bapt. Verlagshaus, Kassel), von C. H. Spurgeon.
V. 19.
An dem sichtbaren Himmel offenbart sich 1) die Weisheit Gottes. In dem Wechsel des Mondes, der Verschiedenheit der Tages- und Jahreszeiten usw.; 2) die Güte Gottes. In der Angemessenheit dieser Wechsel für Bedürfnis und Lebensgenuss des Menschen; 3) die Treue Gottes. Die Regelmäßigkeit der Wechsel flößt uns Vertrauen zu Gott ein. Das alles sporne uns zur Treue an.
V. 20.
Geistliche Finsternis und die wilden Tiere, die sich darin regen. 1) Unwissenheit über Gott und ungezügelte Lüste, Röm. 1,18-32. 2) Die Sünden werden in ihr offenbar. Die wilden Tiere, die schon vorher, aber unbemerkt, vorhanden waren, schrecken nun den Menschen. 3) Geistliche Zaghaftigkeit, Furcht, Verzweiflung. 4) Schläfrigkeit der Kirchen. Allerlei Irrlehren und praktische Irrtümer beginnen hervorzuschlüpfen. 5) Papistischer Einfluss, Mönche, Priester usw. regen sich in diesem dunkeln Zeitalter. Archibald G. Brown 1878.
V. 20-23.
Nachtgeschäfte sind für die wilden Tiere, Tagesarbeit für den Menschen. Gute Menschen tun ihre Werke im Licht, böse in der Nacht; ihre Werke sind Werke der Finsternis. Lk. 22,53; Joh. 3,19 ff.; Eph. 5,8 ff. (Und Prediger, die bei Nacht in ihre Studierstuben kriechen und dort "brüllen nach ihrer Beute", gleichen mehr Raubtieren als vernünftigen Menschen!) George Rogers 1878.
V. 21.
Inartikulierte Gebete, oder: wie mangelhaft die Ausdrucksweise sein mag und doch wie echt das Gebet in der Schätzung Gottes.
V. 22.
An der Wirkung des Sonnenaufgangs auf die Raubtiere stelle man den Einfluss der göttlichen Gnade auf unsere bösen Begierden dar. Charles A. Davis 1878.
V. 23.
Bis an den Abend. Text einer Predigt von Dr. Hamilton, 1850 gehalten im Interesse einer Vereinigung von Kaufleuten für frühen Geschäftsschluss.
V. 24.
1) Die Sprache des Staunens: HERR, wie sind usw. Die Zahl und Mannigfaltigkeit der Werke Gottes. 2) Der Bewunderung: Du hast usw. Überall offenbart sich dieselbe Weisheit. (Gott ist ebenso groß im Kleinsten wie im Erhabenen, Th. Chalmers) Ineinandergreifen, Harmonie der Werke Gottes. 3) Der Dankbarkeit: Die Erde ist voll deiner Güter. George Rogers 1878.
1) Die Werke des HERRN sind unzählig und mannigfaltig. 2) Sie sind so gebildet, dass sie in dem ihnen innewohnenden Plan wie in dem Zweck, zu welchem sie gemacht sind, die vollkommene Weisheit Gottes zeigen. 3) Sie sind alle Gottes Eigentum und sollten nur zu dem Zweck, zu welchem sie geschaffen sind, gebraucht werden. Aller Missbrauch und alle Verschwendung dessen, was Gott geschaffen, sind Raub und Plünderung, begangen an dem Eigentum des Schöpfers. Adam Clarke † 1832
V. 26.
Daselbst gehen die Schiffe. I. Wir sehen die Schiffe fahren. 1) Sie sind dazu gemacht: "Fahret auf die Höhe." 2) Sie entschwinden dabei zuletzt den Blicken. Auch wir eilen davon. 3) Sie haben bei ihren Fahrten ein Geschäft. Was ist deines Lebens Zweck? 4) Sie segeln auf veränderlichem Meer. Ein Bild unseres Lebens. II. Wie fahren die Schiffe? 1) Sie sind vom Wind abhängig - so wir von dem Geist Gottes. 2) Doch kommt der Seemann nicht vorwärts allein vermöge des Windes ohne eigene Anstrengung; der Wind muss benutzt werden. 3) Sie müssen mit dem Steuer gelenkt werden. 4) Der, welcher das Steuer lenkt, sucht Anweisung durch Karten und Lichter. (Ein Bild des Glaubens.) 5) Die Schiffe gehen je nach ihrer Bauart besser oder schlechter. III. Lasst uns mit ihnen durch die Flaggensprache reden. 1) Wer ist euer Eigentümer? 2) Was ist eure Ladung? 3) Wohin geht ihr? - Siehe Botschaft des Heils II, 161 (Bapt. Verlagshaus, Kassel) von C. H. Spurgeon.
V. 27-30.
Man verfolge die Analogien im Geistlichen. Die Gläubigen warten auf Gott, V. 27; ihre Erhaltung durch die offene Hand, V. 28; ihre Bestürzung, wenn Gott sein Angesicht verbirgt; ihr Tod, wenn der Geist sich zurückzieht, V. 29; ihre Wiederbelebung, wenn der Geist zurückkehrt, V. 30.
V. 29.30.
1) Der Anfang des Lebens ist von Gott: Du lässest aus deinen Odem usw. 2) Die Fortdauer des Lebens ist von Gott: Du erneuerst usw. 3) Der Verfall des Lebens ist von Gott: Verbirgst du usw. 4) Das Aufhören des Lebens ist von Gott: Du nimmst weg usw. 5) Die Wiedererweckung des Lebens ist von Gott: Du erneuerst usw. George Rogers 1878.
V. 30.
Der Lenz in der Natur und im Geistlichen.
V. 32.
1) Was ein Blick Gottes bedeuten kann: a) ein Blick des Zornes, b) ein Blick der Liebe. Vergl. zu beidem 2. Mose 14,24 (Ägypten und Israel). 2) Was eine Berührung durch Gott bedeuten kann: sie mag eine Seele in den Himmel erheben oder in die Hölle hinunterstoßen. George Rogers 1878.
V. 33.
1) Der Sänger. 2) Der Gesang. 3) Der Zuhörer (der HERR, mein Gott). 4) Die Dauer des Gesanges. Archibald G. Brown 1878.
Zwei Ich will. 1) Weil er mir das Leben gegeben. 2) Weil er mir gegeben, dass ich in Ihm lebe. 3) Weil er Jehovah und mein Gott. ist. 4) Weil ich immerdar im höchsten Sinne des Wortes leben werde.
V. 34.
1) Davids Sinnen. 2) Davids Freude.
V. 35.
1) Wer Gott nicht preist, ist nicht tauglich für das (bestimmungsgemäße) Leben auf Erden, 2) noch viel weniger für den Himmel. 3) Wer Gott preist, ist tauglich für beides, Erde und Himmel. Ob andere ihn hier nicht preisen, die Gläubigen sollen und wollen es: Lobe den HERRN, meine Seele; a) im Gegensatz zu andern hienieden, b) in Gemeinschaft mit andern im Himmel. Überall ist das Hallelujah der Grundton ihres Lebens. George Rogers 1878.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 105 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift


Dieser geschichtliche Psalm hat nach dem Chronisten den König David zum Verfasser; denn die ersten fünfzehn Vers desselben stehen 1. Chronik 16,8-22 als erster Teil des Festliedes, mit welchem die Bundeslade aus dem Hause Obed-Edoms auf den Zion gebracht wurde, und V. 7 lesen wir dort: Damals, an jenem Tage, übertrug David dem Asaph und seinen Brüdern zuerst die Aufgabe, das "Danket dem Herrn" (mit den alsbald folgenden Worten unseres Psalms) zu singen. Dieser Lobgesang war ganz dem Anlass entsprechend; denn der Psalm handelt von den Wanderungen des Volkes Gottes und der treuen Fürsorge, mit der der HERR es überall behütete, und führt dies alles auf den Bund zurück, dessen Sinnbild die damals auf den Zion überführte heilige Lade war. - Unser letzter Psalm sang von dem, was der Anfang des 1. Buches Mose erzählt; dieser nimmt die Schlusskapitel jenes Buches auf und führt dann in das 2. und 3. Buch Mose.


Inhalt

Die ersten Verse sind voll fröhlichen Lobpreises und fordern das auserwählte Volk zum Ruhme Jehovahs auf, V. 1-7. Dann werden die ersten Kindheitstage des Volkes geschildert, V. 8-15, hierauf die Einwanderung in Ägypten, V. 16-23, die Ausführung aus dem Diensthause durch des HERRN ausgestreckten Arm, V. 24-38, zuletzt die Reise durch die Wüste und der Einzug in Kanaan.

Wir befinden uns jetzt bei den langen Psalmen, wie wir früher je und dann eine Reihe kurzer beieinander getroffen haben. Diese Verschiedenheit in dem Umfang der Erzeugnisse heiliger Dichtkunst mag uns lehren, dass wir über Kürze oder Länge von Gebeten sowohl als Lobliedern keine äußerlichen Gesetze aufzustellen befugt sind. Kurze Gebete und einzelne Liederverse sind oft das Beste bei öffentlichen Versammlungen; aber es gibt Zeiten, in denen es nicht zu lang ist, eine Nacht hindurch im Gebet zu ringen oder einen ganzen Tag lang Psalmen zu singen. Der Heilige Geist ist frei in seinem Wirken, und wir haben ihn nicht in die Regeln herkömmlicher Schicklichkeit zu bannen. Der Wind bläst, wo und wie er will; das eine Mal braust er daher mit kurzen, plötzlichen Stößen, ein andermal hält er Stunde um Stunde an, die Erde mit seinem belebenden Hauch zu erfrischen.


Auslegung



1.
Danket dem HERRN und prediget seinen Namen;
verkündiget sein Tun unter den Völkern;
2.
singet von ihm und lobet ihn;
redet von allen seinen Wundern;
3.
rühmet seinen heiligen Namen;
es freue sich das Herz derer, die den HERRN suchen;
4.
fraget nach dem HERRN und nach seiner Macht;
suchet sein Antlitz allewege;
5.
gedenket seiner Wunderwerke, die er getan hat,
seiner Wunder und der Gerichte seines Mundes,
6.
ihr, der Same Abrahams, seines Knechts,
ihr Kinder Jakobs, seine Auserwählten!
7.
Er ist der HERR, unser Gott;
er richtet in aller Welt.




1. Danket dem HERRN. Jehovah ist der Urheber all der Wohltaten, die wir genießen dürfen; darum soll auch all die Dankbarkeit, deren wir fähig sind, ihm gegeben werden. Und prediget seinen Namen - ruft seinen Namen an (Luther 1524) und ruft ihn aus, verkündigt allenthalben seine Ehrentitel und erfüllt die Welt mit seinem Ruhm. Verkündiget sein Tun unter den Völkern. Lasst die Heiden von unserem Gott hören, damit sie ihren Götzen entsagen und ihn anbeten lernen. Die Überführung der Bundeslade war ein passender Anlass, laut die Herrlichkeit des Königs der Ehren zu verkünden und vor aller Welt die Größe seiner Taten kundzumachen; denn die heilige Lade hatte eine Geschichte, die zu den heidnischen Nationen in solcher Beziehung stand, dass sie wohl daran taten, ihrer in ehrfurchtsvoller Scheu eingedenk zu bleiben. - Man kann den übrigen Teil des Psalms eine Predigt nennen, zu welcher diese ersten Verse den Text bilden.

2. Singet ihm (Grundtext), lobet ihn (oder: spielet ihm). Bringt eure besten Gedanken herbei und setzt sie in die besten Worte zu den süßesten Tönen. Habt darauf Acht, dass euer Singen und Spielen Ihm gelte und nicht lediglich der Musik wegen geschehe oder um anderer Ohr zu ergötzen. Das Singen ist eine so entzückende Kunst, dass es jammerschade ist, dass so viel davon auf Nichtigkeiten und Tändeleien oder noch Schlimmeres verschwendet wird. O ihr, die ihr der Nachtigall nacheifern und fast mit den Engeln um die Wette singen könnt, für euch beten wir sonderlich inbrünstig um Erneuerung der Herzen, auf dass sich dann die Fluten eurer Melodien eurem Schöpfer und Erlöser ergießen mögen. Redet von allen seinen Wundern. Viele Menschen lieben es, von Wunderbarem zu sprechen, und die anderen Leute freuen sich dann gewöhnlich, von erstaunlichen Dingen zu hören. Nun wahrlich, wer an den lebendigen Gott glaubt, dem steht eine Fülle der erstaunlichsten Wunder, von denen je ein Mensch gehört oder geträumt hat, zur Verfügung; unerschöpflich sind die Gegenstände, von denen er reden kann, und sie sind solcher Art, dass sie die Zuhörer wie festgebannt halten sollten. Von solchem Reden dürften wir mehr haben; kein Mensch würde in den üblen Ruf der Geschwätzigkeit kommen, wenn dies sein beständiger Gesprächsgegenstand wäre! Darum redet, ein jeder von euch! Ihr alle wisst etwas aus Erfahrung von der wunderbaren Gnade und Freundlichkeit des HERRN; redet davon! Das ist der Weg, auf dem wir alle seine Wunder bekannt machen können. Einer allein vermag das nicht, auch zehntausend mal zehntausend werden es nicht fertig bringen; aber wenn alle zu des HERRN Ehre ihre Stimme erheben, werden sie der Vollendung dieser Aufgabe näher kommen. Wir müssen, wenn wir über die Werke des HERRN sprechen, einen weiten Gesichtskreis haben, sollten wir doch keinen Teil derselben übersehen. Redet von seinen Wundern in der Schöpfung und in der Erlösung, in Gerichten und Gnadenerweisungen, in den Führungen seiner Vorsehung und den Tröstungen seines Heiligen Geistes; lasst nicht eines aus, es wäre euer eigener Schade. Leisten wir der Aufforderung dieses Verses Folge, so bekommt jede geheiligte Zunge etwas zu tun: die musikalisch geübten können singen, die gewöhnlicheren Stimmen können reden, und durch jede dieser Weisen bekommt der HERR einen Teil des ihm gebührenden Dankes, und seine Taten werden unter den Leuten bekannt werden.

3. Rühmt euch seines heiligen Namens. (Wörtl.) Frohlockt, dass ihr einen solchen Gott habt. Sein Wesen und seine Eigenschaften sind derart, dass ihr euch nie zu schämen brauchen werdet, ihn euren Gott zu nennen. Götzenanbetern mögen die Taten, die man ihren erdichteten Gottheiten nachsagt, wohl die Schamröte ins Angesicht treiben; denn ihre Namen sind von Wollust beschmutzt und rot von Blut. Jehovah aber strahlt in fleckenloser Herrlichkeit; jede seiner Taten hält die peinlichste Untersuchung aus. Sein Name ist heilig, sein Charakter ist heilig, sein Gesetz ist heilig, seine Herrschaft ist heilig, sein Einfluss ist heilig. Alles dessen mögen wir mit Stolz uns rühmen, und niemand kann uns das Recht dazu streitig machen. Es freue sich das Herz derer, die den HERRN suchen. Selbst wenn sie ihn noch nicht so völlig gefunden haben, wie sie es wünschen, so ist schon, dass man einen solchen Gott suchen darf und kann, Grund genug zur Freude. Den HERRN anzubeten und anzuflehen und nach seinem Reich und seiner Gerechtigkeit zu trachten ist der sichere Weg zu echter Fröhlichkeit, und es gibt in der Tat keinen andern. Wer wahrhaft sucht, der wirft sich mit ganzem Herzen darauf, daher wird auch seinem Herzen Freude zuteil. Unserm Text zufolge ist es solchen sowohl erlaubt sich zu freuen als auch verheißen, dass sie zur Freude kommen werden. Wie voller Fröhlichkeit sind doch alle diese Sätze! Wo mögen die Leute nur ihre Ohren haben, wenn sie von Trübseligkeit des Psalmen Singens reden? Welche weltlichen Lieder sprudeln mehr von wahrer Lust und Wonne über? Man hört die Klänge von Pauke und Harfe in jedem Vers. Sogar die, die erst Suchende sind, finden schon Seligkeit in dem Namen des HERRN; aber wie seine Liebe das Herz derer erfreut, die ihn gefunden - das muss man erfahren haben, um es zu wissen.


4. Fraget nach dem HERRN und nach seiner Macht. Stellt euch unter seinen allmächtigen Schutz. Denkt nicht kleinlich von ihm, sondern schaut auf sein Allvermögen und sucht die Macht seiner Gnade in tiefer Erfahrung kennen zu lernen. Wir alle bedürfen der Stärke; lasst sie uns bei dem Starken suchen. Wir bedürfen einer unbegrenzten Macht, um sicher durch alle Gefahren hindurch zur ewigen Ruhe, zum himmlischen Kanaan gebracht zu werden; lasst sie uns bei dem allmächtigen Jehovah suchen! Suchet sein Antlitz allewege. Wieder das Wort suchen. Das Suchen muss eine segensreiche Sache sein, sonst würden wir nicht so dazu angetrieben. Des HERRN Antlitz suchen heißt, den bewussten Genuss seiner Gegenwart, seines Gnadenblickes, seiner Huld begehren. Erst suchen wir Ihn, dann seine Stärke, dann sein Angesicht: von der Verehrung seiner Person schreiten wir dazu fort, die Zuwendung und Mitteilung seiner Macht und dann den bewussten Besitz seiner Huld zu begehren. Dieses Suchen darf nie aufhören; je mehr erfahrungsmäßige Erkenntnis wir erlangt haben, desto mehr müssen wir zu gewinnen suchen. Während wir ihn finden, muss und wird unser Herz in dem Verlangen entbrennen, ihn immer mehr zu suchen. Er sucht Anbeter, die ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten, und solche Anbeter suchen ihn; sie sind daher sicher, binnen kurzem ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.

5. Gedenket seiner Wunderwerke, die er getan hat. Wir können von unserm Gedächtnis keinen besseren Gebrauch machen. Aber ach, wir sind leider viel mehr geneigt, allerlei Törichtes und Böses in Kopf und Herz festzuhalten, als die herrlichen Taten Jehovahs. Bewahrten wir diese im Schrein unseres Herzens, so wäre unser Glaube stärker, unsere Dankbarkeit wärmer, unsere Anbetung inbrünstiger, unsere Liebe inniger. Schande über uns, dass wir uns aus dem Gedächtnis entschwinden lassen, was zu vergessen unmöglich sein sollte. Wir müssten keine Aufmunterung nötig haben, solcher Wunder zu gedenken, zumal der HERR sie alle zum Besten seines Volkes gewirkt hat. Seiner Wunder (oder Zeichen) und der Gerichte seines Mundes. Gottes richterliche Urteilssprüche sind ebenso denkwürdig als die Wundertaten seiner Hand. Er brauchte je und je nur ein Wort zu sprechen, so waren die Feinde seinem Volkes in harter Bedrängnis. Seine Drohungen waren nicht bloße Worte, sondern trafen seine Widersacher schrecklich. Wie das Wort des HERRN sich als Gotteskraft bewährt in der Errettung der einen, so ist es auch das Verderben der andern, derer, die sich wider Gott setzen.: Aus seinem Munde geht ein zweischneidiges Schwert, mit dem er die Gottlosen schlagen wird.

6. Ihr, der Same Abrahams, seines Knechts, ihr Kinder Jakobs, seine Auserwählten. Sollte auch die ganze Welt Gottes und seiner Wunderwerke vergessen, so seid doch ihr verpflichtet, daran zu gedenken. Euer Vater Abraham sah seine Zeichen und Gerichte an Sodom sowie an den Königen, die aus der Ferne gekommen waren, und auch Jakob sah des HERRN Wunderwerke, da Gott die Völker mit Hungersnot heimsuchte, seinen Auserwählten jedoch ein auserlesenes Erbe in einem herrlichen Lande bereitete; darum mögen die Kinder den Gott ihrer Väter preisen. Die Israeliten waren das Volk der Wahl; so waren sie verpflichtet, ihrem Stammvater nachzuahmen, der des HERRN treuer Diener war und in heiligem Glauben vor ihm wandelte. Der Same eines Abraham sollte wahrlich nicht ungläubig sein, die Kinder eines so treu gesinnten Knechtes Gottes nicht abtrünnig werden. Indem wir diese so aufs Herz zielende Aufforderung an den auserwählten Samen lesen, sollten auch wir die besonderen Ansprüche anerkennen, welche der HERR an uns hat, da wir ebenfalls vor andern bevorzugt worden sind. Die Gnadenwahl ist nicht ein Faulbett, das einladet, es sich darauf bequem zu machen, sondern ein Grund zu siebenfachem Fleiß. Hat Gott uns auserlesen, so lasst uns danach trachten, auserlesene Leute zu sein.

7. Er ist der HERR, unser Gott. Gepriesen sei sein Name! Er ist der allerhabene Jehovah, und dieser lässt sich herab, unser Gott zu sein. Das Sätzlein enthält einen größeren Reichtum, als alle menschliche Beredsamkeit je ausschöpfen könnte, und es ist mehr Freude darin, als in all den klangvollen Erzeugnissen heiterer Muse. Seine Gerichte (d. h. wie manche es auffassen, sein Herrscherwalten, seine Regierung) ergehen über die ganze Erde. (Grundtext) Wir könnten auch übersetzen: über das ganze Land. In der Tat war ja das ganze Land unterwiesen in seinem Gesetz, wurde regiert nach seinen Verordnungen und beschirmt von seiner Macht. Welches Glück ist es doch, dass unser Gott uns nie ferne ist, dass er nie abwesend ist, kein Herrscher, der im Ausland residiert, sondern dessen Herrscherwalten überall über uns ist, wo wir wohnen. Wenn die Worte sich aber, wie es kaum zweifelhaft ist, auf die ganze Welt beziehen, so sehen wir die Besonderheit der Erwählung Israels mit der Allgemeinheit der Herrschaft Jehovahs in schönster Weise vereinigt. Nicht diesem Volke allein offenbarte der HERR sich, sondern seine Herrlichkeit strahlte ihr Licht hinaus in alle Lande. Es ist zu verwundern, dass das jüdische Volk so ausschließend geworden ist und den Missionsgeist so gänzlich verloren hat, da seine heiligen Schriften doch so voll sind von den edlen Gefühlen weitherziger Menschenliebe, die mit der Verehrung des Gottes, der der Herrscher ist über alle Welt (Jos. 3,11), so tief übereinstimmen. Aber es ist nicht minder schmerzlich, zu beobachten, dass bei einer gewissen Klasse derjenigen, welche an Gottes Gnadenwahl glauben, sich ebenfalls ein harter, ausschließender Geist findet, der Mitleid und Eifer verhängnisvoll hemmt. Für diese Leute wäre es auch gut, daran zu gedenken, dass ihr Erlöser der "Heiland aller Menschen, sonderlich der Gläubigen" ist. (1. Tim. 4,10.)
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps105

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8.
Er gedenkt ewiglich an seinen Bund,
des Worts, das er verheißen hat auf tausend Geschlechter,
9.
den er gemacht hat mit Abraham,
und des Eides mit Isaak;
10.
Und stellte es Jakob zu einem Rechte
und Israel zum ewigen Bunde,
11.
Und sprach: Dir will ich das Land Kanaan geben,
das Los eures Erbes;
12.
da sie wenig und gering waren
und Fremdlinge drinnen.
13.
Und sie zogen von Volk zu Volk,
von einem Königreiche zum andern Volk.
14.
Er ließ keinen Menschen ihnen Schaden tun
und strafte Könige um ihretwillen.
15.
"Tastet meine Gesalbten nicht an,
und tut meinen Propheten kein Leid!"




8. Er gedenkt ewiglich an seinen Bund. Das ist die Grundlage für all die Wege Gottes mit seinem Volk: er ist mit ihnen in ihrem Vater Abraham einen Bund eingegangen, und diesem Bunde ist er treu geblieben. Die Aufforderung zu gedenken (V. 5) gewinnt sehr an Kraft durch die Tatsache, dass Gott gedenkt. Wenn der HERR allezeit an seine Verheißung denkt, sollten wir doch sicherlich nicht vergessen, in welch wunderbarer Weise er sie hält. Es sollte uns ein Gegenstand tief gefühlter Freude sein, dass der HERR nie in irgendeinem Stück verfehlt hat, seiner Bundesverpflichtungen eingedenk zu sein, und dass es in alle Ewigkeit nicht geschehen wird. O, dass wir ihrer ebenso eingedenk wären wie er! Des Worts, das er verheißen (wörtl.: geboten) hat, auf tausend Geschlechter. Diese Worte sind nur eine erweiternde Umschreibung des Vorhergehenden und dienen dazu, die unveränderliche Treue des HERRN in dem beständigen Wechsel der Menschengeschlechter vor unser Geistesauge zu stellen. Seine Gerichte sind bis ins dritte und vierte Glied denen angedroht, die ihn hassen; aber seine Liebe geht unaufhörlich fort bis auf tausend Geschlechter. Von seiner Verheißung ist hier gesagt, sie sei geboten, d. h. mit all dem Ansehen eines Gesetzes bekleidet. Jede derselben ist ein Erlass der himmlischen Majestät, der Erlass eines Herrschers, von dessen Gesetzen auch der kleinste Buchstabe und jedes Tüttel bestehen bleiben wird, ob auch Himmel und Erde vergehen. Darum lasst uns dem HERRN danken und reden von allen seinen Werken, in denen seine Treue und Wahrheit sich so wunderbar offenbaren.

9. Den er gemacht hat mit Abraham. Als die Opfertiere zerteilt waren und die Feuerflamme zwischen den Stücken hindurchfuhr, da schloss der HERR, oder machte rechtskräftig, den Bund mit dem Erzvater. (1. Mose 15,10.17.18) Das war eine feierliche Handlung, nicht ohne Blut und Zerteilen des Opfers vollzogen; sie weist uns hin auf den größeren Bund, der in Christo Jesu unterzeichnet, versiegelt und rechtskräftig gemacht ist, dass er fest stehe immer und ewiglich. Und des Eides mit Isaak. Isaak sah nicht im Gesicht den feierlichen Bundesschluss, aber der HERR erneuerte ihm seinen Eid. (1. Mose 26,2-5) Das war genug für ihn und muss seinen Glauben an den Allerhöchsten fest gegründet haben. Wir genießen das Vorrecht, in unserem Herrn Jesu beides zu sehen, das besiegelnde Opfer und den ewigen Eid Gottes, durch den alle Verheißungen des Bundes Ja und Amen sind für den ganzen auserwählten Samen.

10. Und stellte es Jakob zu einem Rechte (einer Rechtssatzung). Jakob empfing in seinem wunderbaren Traum (1. Mose 28,10-15) ein Unterpfand dafür, dass die Weise, wie Gott mit ihm verfahren wolle, mit den Bundesbestimmungen ganz in Einklang stehen werde; "denn", sagte Jehovah, "ich will dich nicht lassen, bis dass ich tue alles, was ich dir geredet habe". So wurde der Bund, wenn wir mit aller Ehrfurcht so sprechen dürfen, ein Gesetz für den HERRN selbst, durch das er sich in seinem Handeln band. O unvergleichliche Herablassung, dass der schlechterdings freie, von niemand und nichts abhängige Gott sich seinen Auserwählten zugute in die Schranken eines Bundes begibt und für sich selber ein Gesetz aufstellt, da er doch über alles Gesetz erhaben ist. Und Israel zum ewigen Bunde. Als er Jakobs Namen änderte, änderte er nicht den Bund mit ihm, sondern es heißt: "Er segnete ihn daselbst" (1. Mose 32,30), und zwar geschah dies mit dem alten Segen, gemäß dem unveränderlichen Verheißungswort der ewigen Gnade.

11.12. Und sprach: Dir will ich das Land Kanaan geben, das Los eures Erbes. Diese Wiederholung der großen Bundesverheißung ist 1. Mose 35,9-12 aufgezeichnet in Verbindung mit der Veränderung des Namens Jakobs und kurz nach jener Niedermetzelung der Sichemiten, die den Erzvater in so große Unruhe versetzt und ihn veranlasst hatte, Worte zu gebrauchen, die denen des nächsten Verses zum Teil (vergl. den Grundtext) wörtlich gleich lauten: Da sie wenig (leicht zu zählen) und gering (wörtl.: so gar wenig, oder wie wir sagen: wie nichts) waren und Fremdlinge drinnen. Jakob sprach zu Simeon und Levi: "Ihr habt mir Unglück zugerichtet und mich stinkend gemacht vor den Einwohnern dieses Landes, den Kanaanitern und Pheresitern; und ich bin ein geringer Haufe. Wenn sie sich nun versammeln über mich, so werden sie mich schlagen. Also werde ich vertilgt samt meinem Hause." (1. Mose 34,30) Und die Befürchtungen, welchen der Mann Gottes in diesen Worten Ausdruck gab, waren auch ganz begründet, wenn wir nur auf die Umstände blicken, in denen er sich befand; aber wir erkennen sie dennoch sofort als grundlos, wenn wir erwägen, dass die Bundesverheißung, welche den dereinstigen Besitz des Landes verbürgte, notwendig auch die Erhaltung des Stammes einschloss, dem die Verheißung gegeben war. Wir fürchten oft, wo nichts zu fürchten ist.
Die dem Samen Abrahams verheißenen Segnungen waren nicht abhängig von der Zahl seiner Nachkommen oder ihrer Lage in dieser Welt. Der Bund war mit nur einem Mann geschlossen worden; folglich konnte die Zahl nie eine noch kleinere sein. Und dieser Mann besaß keinen Fußbreit Bodens in dem ganzen Lande außer einer Höhle, um darin seinen Toten zu begraben; darum konnte sein Same unmöglich einen noch geringeren Besitz haben als er. Die Kleinheit einer Gemeinde und die Armut ihrer Mitglieder sind kein Hindernis für den göttlichen Segen, wenn man ihn ernstlich begehrt und sich dabei auf Gottes Verheißung beruft. Waren nicht die Apostel nur wenige und die Jünger nur schwache Leute, als das herrliche Werk seinen Anfang nahm? Auch stehen wir deswegen, weil wir hienieden Fremdlinge und Pilgrime sind wie unsere Väter, nicht in größerer Gefahr; wir sind wie Schafe mitten unter den Wölfen, aber die Wölfe können uns nichts tun, denn der Hirte ist uns nahe.

13. Und sie zogen von Volk zu Volk, von einem Königreiche zum andern Volk. Bei all ihrem Umherziehen aus dem Gebiet eines Volkes in das des andern wurden die Erzväter in einzigartiger Weise bewahrt. Die kleine wandernde Familie hätte mit Stumpf und Stil ausgerottet werden können, wäre nicht ein besonderer Befehl zu ihrem Schutze von dem Thron des Höchsten ausgegangen. Nicht Wohlwollen und Edelmut ihrer Nachbarn schirmte sie; die geheimnisvolle Obhut des Himmels war die Mauer, die se schützte. Mochten sie in Ägypten oder bei den Philistern oder in Kanaan ihr leichtes Wanderzelt aufschlagen, allerwegen waren die Erben der Verheißung wohl geborgen.

14. Er ließ keinen Menschen ihnen Schaden tun (wörtl.: sie bedrücken). Menschen können uns nicht drücken und schädigen, es sei denn, der HERR lasse es ihnen zu; die mächtigsten unter ihnen müssen seine Erlaubnis abwarten, ehe sie auch nur mit einem Finger an uns rühren können. Die Gottlosen würden uns lebendig verschlingen, wenn sie es vermöchten; aber sie können uns nicht einmal um einen Heller betrügen ohne Zulassung von oben. Und strafte Könige um ihretwillen. Pharao und Abimelech mussten den sonderbaren Fremdlingen, die in ihr Land gekommen waren, mit Ehrfurcht begegnen (Vergl. 1. Mose 12; 20; 26.) Die größten Könige sind vor Gott Personen sehr untergeordneten Ranges im Vergleich mit seinen auserwählten Knechten.

15. "Tastet meine Gesalbten nicht an und tut meinen Propheten kein Leid!" Abraham und sein Same standen inmitten der Welt da als ein Priestergeschlecht, gesalbt, um dem höchsten Gott Opfer darzubringen; da ihnen die Offenbarungen anvertraut wurden, waren sie auch die Propheten der Menschheit; und zudem waren sie Könige - ein königliches Priestertum. So hatten sie also eine dreifache Salbung empfangen. Ihre heiligen Dienstleistungen in diesen Ämtern umgaben sie mit einer Weihe, der zufolge es ein Verbrechen am Heiligen war, sie anzutasten und zu bedrücken. Es gefiel dem HERRN, die wilden Völkerschaften Kanaans mit Ehrfurcht und heiliger Scheu vor den frommen Fremdlingen zu erfüllen, so dass sie ihnen nicht zu nahe treten, ihnen kein Leid zufügen durften. Die hier erwähnten Gottesworte mögen nicht in äußerer Wirklichkeit so gesprochen worden sein, sondern es wird in ihnen das Gefühl heiliger Scheu, das die Völker befiel, mit dichterischer Freiheit beschrieben werden. (Vergl. aber 1. Mose 20,6.7; 26,11.) Gott will diejenigen, die für ihn ausgesondert sind, unangetastet wissen. Er nennt sie sein Eigentum, indem er sagt: meine Gesalbten; er erklärt, dass er sie gesalbt hat ihm selbst zu Königen, Priestern und Propheten. Und noch einmal nimmt er sie als seine Propheten in Anspruch: "Tut meinen Propheten kein Leid!" Durch all die vielen Jahre, während deren die drei Erzväter in Kanaan wohnten, war niemand imstande, ihnen ein Haar zu krümmen; sie vermochten sich nicht mit Waffengewalt zu verteidigen, aber der ewige Gott war ihre Zuflucht. So kann auch in der gegenwärtigen Zeit der nach der Wahl der Gnaden übrig gebliebene heilige Rest (Röm. 11,5) nicht vernichtet, ja nicht einmal auch nur angetastet werden ohne göttliche Zulassung. Die Gemeinde Jesu Christi können die Pforten der Hölle nicht überwältigen. In alledem sehen wir reichen Anlass, dem HERRN zu danken und laut seinen Namen zu verkündigen, wie der erste Vers des Psalms uns dazu aufgefordert hat.
Hier ist der Abschnitt zu Ende, der nach dem Bericht der Chronika bei der Überführung der Bundeslade gesungen wurde. Wie sehr er sich für den Gebrauch bei solchem Anlass eignete, liegt auf der Hand; denn die Bundeslade war das sichtbare Zeichen sowohl des Bundes als auch des geheimnisvollen Wohnens Gottes unter Israel, das zugleich Israels Herrlichkeit und Israels Schutz war. Keiner konnte des HERRN Eigentumsvolk antasten, denn Jehovah selbst war unter ihnen, in strahlender Majestät zwischen den Cherubim thronend.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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16.
Und er ließ eine Teurung ins Land kommen
und entzog allen Vorrat des Brots.
17.
Er sandte einen Mann vor ihnen hin;
Joseph ward zum Knecht verkauft.
18.
Sie zwangen seine Füße im Stock,
sein Leib musste in Eisen liegen,
19.
bis dass sein Wort kam
und die Rede des HERRN ihn durchläuterte.
20.
Da sandte der König hin und ließ ihn losgeben;
der Herr über Völker hieß ihn auslassen.
21.
Er setzte ihn zum Herrn über sein Haus,
zum Herrscher über alle seine Güter,
22.
dass er seine Fürsten unterwiese nach seiner Weise
und seine Ältesten Weisheit lehrte.
23.
Und Israel zog nach Ägypten,
und Jakob ward ein Fremdling im Lande Hams.




Die Gegenwart Gottes, die mit seinen Auserwählten gewesen war, solange sie in Kanaan weilten, verließ sie auch nicht, als ihr Weg sie nach Ägypten führte. Sie gingen dorthin nicht aus eigener Wahl, sondern nach göttlicher Weisung; darum bereitete der HERR ihnen den Weg und ließ sie wachsen, bis er die Zeit gekommen sah, sie wieder in das Land der Verheißung zu führen.

16. Und er rief eine Hungersnot über das Land. (Wörtl.) Er brauchte ihr nur zu rufen, wie jemand seinem Diener ruft, so kam sie unverzüglich. Wie dankbar sollten wir sein, dass der HERR diesen seinen schrecklichen Diener, den Hunger, nicht oft herbeiruft, den scheußlich hageren Mann mit den hohlen Augen und den grimmen Zügen, der so unbarmherzig ist gegen Frauen und Kinder und selbst starken Männern unerträglich, dass sie kraftlos vor ihm zusammensinken. Zerbrach jegliche Stütze (wörtl. Stab) des Brotes. (Grundtext) Das schwache Leben des Menschen kann nicht stehen ohne eine Stütze, den Brotstab: gebricht’s ihm an Brot, so bricht er zusammen. Wie ein Krüppel, wenn ihm seine Krücke entsinkt, zu Boden fällt, so der Mensch, wenn das Brot ihm ausgeht, das ihn bisher aufrecht erhalten. Eine Hungersnot hervorzurufen ist für Gott so leicht wie einen Stab zu zerbrechen. Er könnte die Hungersnot noch obendrein allgemein machen, so dass alle Länder in gleicher Not wären; dann würde die Menschheit überhaupt zu Grunde gehen, ihr Stab wäre für immer zerbrochen. Doch lasst uns den Trost nicht übersehen, dass der HERR weise Zwecke im Auge hat, selbst wenn er schwere Teuerung sendet: er wollte, sein Volk solle nach Ägypten hinabziehen; da war die Spärlichkeit des Lebensunterhaltes das Mittel, sie dahin zu leiten, denn sie hörten, dass in Ägypten Getreide feil war.

17. Er sandte einen Mann vor ihnen hin. Joseph war die Vorhut und der Quartiermacher für den ganzen Stamm. Seine Brüder verkauften ihn, doch Gott sandte ihn. Wo unsere Augen nur die Hand der Gottlosen sehen, da ist oft Gottes Hand unsichtbar wirksam und überwindet ihre Bosheit. Keiner war mehr ein Mann oder geeigneter, die Rolle des Vorläufers und Wegbereiters zu übernehmen, als Joseph: ein Traumdeuter wurde gesucht, und seine Brüder hatten ja gerade von ihm gesagt: Seht, da kommt der Träumer her! Joseph ward zum Knecht verkauft, oder eigentlich zum Sklaven. Josephs Reise war nicht so kostspielig wie jene Seereise des Jonas, für welche dieser selber das Fährgeld zu bezahlen hatte. Jenem gaben die Midianiter freie Fahrt, die dann auch noch für seine Einführung bei einem hohen Staatsbeamten sorgten, indem sie ihn dem Potiphar als Sklaven verhandelten. Sein Weg zu der Stellung, in welcher es ihm möglich wurde, seine Angehörigen zu erhalten, führte durch die Grube, die Sklavenkarawane, den Sklavenmarkt und das Gefängnis. Wer wollte aber bestreiten, dass es der rechte, der sicherste, der weiseste und vielleicht sogar der kürzeste Weg war? Dem Anschein nach war freilich das Gegenteil der Fall. Hätten wir einen Mann mit solchem Auftrag auszusenden, so würden wir ihn mit Geld ausrüsten - Joseph geht als Bettelarmer; wir würden ihn mit Macht und Gewalt bekleiden - Joseph zieht als Sklave in Ägypten ein; wir würden ihm volle Freiheit und Selbständigkeit lassen - Joseph ist ein Gebundener. Aber Geld wäre hier wenig nütze gewesen, wo das Korn so teuer war; Macht und Gewalt hätten Pharao eher gereizt als einen bestimmenden Einfluss auf ihn ausgeübt; und wäre Joseph frei gewesen, so wäre er schwerlich je in solche Beziehungen zu Pharaos Kämmerer und seinen andern Dienern getreten, und dann hätte die Kunde von seiner Geschicklichkeit in der Traumdeutung wohl nie das Ohr des Herrschers erreicht. Gottes Weg ist der rechte Weg. Unseres Herrn Pfad zu seinem Mittlerthron ging über die Schädelstätte und das Kreuz, und auch unsere Straße zur Herrlichkeit führt an den Wassern der Trübsal hin.

18. Sie zwangen seine Füße im Stock. Hier erfahren wir Genaueres über Josephs Leiden, wiewohl wir uns ihn auch nach 1. Mose 39,20 (1. Mose 40,3) als anfänglich gefesselt vorzustellen haben; ist doch Haft ohne Bande in jenen Zeiten kaum denkbar. Die Inspiration hatte noch nicht aufgehört; so ist David ein ebenso zuverlässiger Geschichtsschreiber wie Mose, denn derselbe Geist führte ihm die Feder. Im Eisen kam seine Seele. (Grundtext1) Der Ausdruck "seine Seele" kann nach hebräischem, besonders in der dichterischen Rede häufigem Sprachgebrauch einfach für er stehen. Doch mag dieser Ausdruck für die ganze Person hier deshalb gebraucht sein, weil die Eisenfesseln sein Gemüt so sehr oder noch mehr drückten und verwundeten als seinen Leib. Mit Recht konnte Jakob später im Rückblick auf die Schicksale Josephs sagen: Pfeilschützen setzten ihm zu und schossen und befehdeten ihn. (1. Mose 49,23 Grundtext) Unter einer Beschuldigung voll teuflischer Falschheit, die er nicht entkräften konnte, war sein Gemüt wie von eisernen Banden und Fesseln umklammert und niedergeschlossen, und wäre der HERR nicht mit ihm gewesen, so wäre er wohl unter der Last seiner Leiden zusammengebrochen. In alledem und noch tausend andern Dingen war Joseph ein bewundernswertes Vorbild auf den, der im höchsten Sinne der Hirt und Stein Israels ist. (1. Mose 4,24) Die eisernen Fesseln bereiteten ihn zu, hernach goldene Ketten zu tragen, und machten seine Füße geschickt, später ohne Gefahr auf so schwindelnder Höhe zu stehen. Ebenso ist es noch mit allen den Elenden und Betrübten des HERRN: auch sie werden eines Tages aus ihrem Gefängnis zu den Thronen emporsteigen. (Off. 20,4.)

19. Bis (zu der Zeit) dass sein Wort kam. Gott hat seine Zeit, und seine Kinder müssen warten, bis der Augenblick gekommen, den er sich vorbehalten hat. Joseph wurde geprüft wie in einem Schmelzofen, bis der HERR das Werk seiner inneren Klärung vollständig durchgeführt hatte. Mit dem Wort des obersten Bäckers war es nichts; er musste warten, bis Gottes Wort kam2, und inzwischen durchläuterte ihn die Rede des HERRN. Er glaubte der Verheißung, aber sein Glaube wurde unter vielen Schmerzen geübt. Ein verheißenes Gut, das lange auf sich warten lässt, zeigt, was im Menschen ist; da wird das Metall seines Glaubens geprüft, ob es von der kostbaren Art ist, die das Feuer aushalten kann. Von mancher besonders köstlichen in Gottes Wort erstrahlenden Hoffnung sind wir versucht zu sagen, wie es Daniel 8,26 heißt: Das Gesicht ist wahr, aber die Zeit ist lang! Wenn die Weissagung verzieht, ist es gut, ihrer in Geduld zu harren; sie kommt gewiss und bleibt nicht aus. (Hab. 2,3.) Es gibt ein prüfendes und ein befreiendes Wort auch für uns, und wir müssen uns dem einen geduldig unterziehen, bis das andere kommt. Wie demütig Joseph seine Trübsale ertrug und mit welcher Seelenstärke er der Wiederherstellung seiner beschimpften Ehre entgegenschaute, können wir uns lebhaft vorstellen; noch besser aber ist es, wenn wir selbst in ähnlichen Prüfungen imstande sind, es ihm nachzutun, und wenn wir aus dem Schmelzofen ebenso gründlich geläutert hervorgehen wie er und ebenso trefflich zubereitet, die noch schwerere Probe der Ehre und Macht zu bestehen.

20. Da sandte der König hin und ließ ihn losgeben. Ins Gefängnis gesteckt worden war er von einem Beamten, befreit wurde er durch den König selbst. Vergl. 1. Mose 41,14. Der Herr über Völker hieß ihn auslassen. Das Blatt hatte sich gewendet, so dass Ägyptens stolzer Machthaber ihn vom Gefängnis zum Palast berief. Er hatte, selbst ein Gefangener, Gefangenen ihre Träume ausgelegt; jetzt musste er mit seiner Auslegung einem Herrscher dienen und wurde infolgedessen selbst zum Herrscher erhoben. Wenn Gott seine Gebundenen auf freien Fuß stellen und erhöhen will, so müssen Könige ihm als Schließer dienen.

21. Er setzte ihn zum Herrn über sein Haus. Dabei behielt er sich keine Macht aus, sondern sprach: Allein des königlichen Stuhls will ich höher sein denn du. (1. Mose 41,40) Der Sklaven bedient hatte, wird ein Herr über des Landes Adel. Wie schnell erhöht der HERR seine Auserwählten aus dem Staube, dass er sie setze neben, ja gar über die Fürsten. (Ps. 113,8) Zum Herrscher über alle seine Güter. Er ermächtigte ihn, die Aufspeicherung der sieben reichen Ernten zu leiten und in den kommenden Zeiten des Mangels die Vorräte auszuteilen. In seiner Hand befanden sich die Schlüssel zu allen Schätzen Ägyptens, ja die Kornhäuser der Welt wurden verschlossen und geöffnet nach seinem Gebot. So war er in der denkbar besten Lage, das Haus Israel am Leben zu erhalten, mit dem der Bund geschlossen war. Wie unser Herr Jesus selbst in Ägypten vor der Feindschaft des Herodes behütet wurde, so fand schon viele Zeitalter früher das erkorene Geschlecht dort eine ebenso wertvolle Unterkunft zur Zeit der Not. Gott hat immer einen Zufluchtsort für die Seinen, und wenn die ganze Erde ihnen keine Freistatt mehr gewähren könnte, so würde der HERR selbst ihre Zuflucht sein und sie zu sich aufnehmen, dass sie an seinem Busen ruhen. Wir sind allezeit sicher, am Leben erhalten zu werden, und wenn die ganze Welt Hungers stürbe. Es ist köstlich daran zu denken, dass unser großer Joseph über die Nationen herrscht zum Wohle der Glieder seines Hauses, und es ziemt uns, bei allen das Gemeinwohl treffenden Unglücksfällen in ruhiger Zuversicht zu verharren, weil ja Jesus auf dem Thron der Vorsehung sitzt, als der König aller Könige und der Herr aller Herren, und zwar bis an das Ende dieses Weltlaufs.

22. Dass er seine Fürsten binde nach seinem Belieben. (Grundtext) Er, der gebunden gewesen, bekommt jetzt die Vollmacht zu binden. Statt im Gefängnis gehalten zu werden, hält er aller Gefängnisse Schlüssel in seiner Hand und wirft Leute von höchstem Rang und Würden hinein, wenn die Gerechtigkeit es erfordert. Ohne seinen Willen durfte niemand Hand noch Fuß regen in ganz Ägyptenland. (1. Mose 41,44) Und seine Ältesten Weisheit lehrte. Die Ratsherren des Pharaonenreiches wie die Häupter der Völker lernten von ihm die Regierungsweisheit und beste Staatsklugheit, die Kunst der Fürsorge für das Volk. Joseph war ein hervorragender Meister der Nationalökonomie, und wir bezweifeln nicht, dass er damit die reinste Moral, die gerechteste Rechtslehre und etwas von jener göttlichen Weisheit verband, ohne welche die fähigsten Ratsherren und Regenten in Finsternis bleiben. Das Machtwort des Königs verlieh ihm unbedingte Autorität in den Körperschaften der ausführenden wie der gesetzgebenden Gewalt, und der HERR lehrte ihn, seine Macht mit Besonnenheit zu gebrauchen. Welch verantwortungsvolle Bürden und hohe Würden lasten auf dem Mann, der von seinen Brüdern verstoßen und für zwanzig Silberlinge verkauft worden war! Und welche Herrlichkeiten krönen das Haupt jenes Größeren, des Geweihten unter seinen Brüdern! (1. Mose 49,26)

23. Und Israel zog nach Ägypten. Der bejahrte Erzvater kam dahin, und mit ihm die ganze in stetem Wachsen begriffene Sippe, die seinen Namen trug. Es war nicht leicht, ihn dahin zu bringen. Kaum hätte ihn wohl etwas Geringeres als die Hoffnung, Joseph wiederzusehen, bestimmen können, eine so beschwerliche Reise, weit von den Gräbern seiner Väter weg, zu unternehmen. Aber der Wille Jehovahs wurde ausgeführt und die alttestamentliche Gemeinde in das Land eines Feindes verbracht, wo Gott ihr einen Ort bereitet hatte, dass sie daselbst ernährt würde eine Zeit lang. (Off. 12,6) Und Jakob ward ein Fremdling im Lande Hams. Sem, der den Segen empfangen hatte, kam zu Ham, über den der Fluch ergangen war, um zeitweilig bei ihm zu wohnen. Die Taube war in des Geiers Nest. Gott wollte es so für eine gewisse Zeit, darum war keine Gefahr dabei und alles in Ordnung. Doch sollte es nur ein Aufenthalt, keine Niederlassung für immer sein. Mochte Gosen, der beste Teil des fruchtbaren Ägyptens (1. Mose 47,6.11), noch so schön sein, es war nicht das gelobte Land, auch sollte das Volk nach des HERRN Willen es nicht dafür ansehen. So ist auch für uns die Erde unsere Herberge, aber auch nur eine Herberge; unsre Heimat ist der Himmel. Auch im schönsten Heim auf Erden sollten wir des eingedenk sein, dass wir hier keine bleibende Stätte haben. Es wäre eine schlimme Nachricht für uns, wenn uns bestimmt würde, immerdar in dem Ägypten dieser Welt zu wohnen; denn alle seine Schätze sind nicht wert, mit der Schmach Christi verglichen zu werden.
So erzählt das Lied die Wanderungen und Wechsel des Volkes Gottes, und es passte daher gar wohl als begleitender Gesang beim Hinaufbringen der Bundeslade.


Fußnoten
1. Andre nehmen Eisen als Subjekt (Eisen = Eisenfessel ist dann als fem. gebraucht): Eisen drang in seine Seele (Luther 1524 und alte engl. Übers.) oder eher: Eisen kam über seine Seele, d. h. (Delitzsch:) er hatte in eisernen Ketten Leiden auszustehen, die ihm ans Leben gingen, vergl. Ps. 69,2.


2. Delitzsch u. a. übersetzen: Bis zu der Zeit, da sein Wort eintraf, und
beziehen, da alle vorhergehenden Aussagen von Joseph handeln, dies auf die Erfüllung von Josephs freimütigem Wort von seinen eigenen Traumgesichten (1. Mose 42,9 mit 37,5-9). Andere denken an die Erfüllung seiner Deutung der fremden Träume (1. Mose 41,13 oder 41,54 ff.) und verstehen Prc dann von der Bewährung der Glaubwürdigkeit und Unschuld Josephs, nicht von seiner sittlichen Läuterung.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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24.
Und er ließ sein Volk sehr wachsen
und machte sie mächtiger denn ihre Feinde.
25.
Er verkehrte jener Herz, dass sie seinem Volk gram wurden
und dachten seine Knechte mit List zu dämpfen.
26.
Er sandte seinen Knecht Mose,
Aaron, den er hatte erwählt.
27.
Dieselben taten seine Zeichen unter ihnen
und seine Wunder im Lande Hams.
28.
Er ließ Finsternis kommen und machte es finster;
und sie waren nicht ungehorsam seinen Worten.
29.
Er verwandelte ihr Wasser in Blut
und tötete ihre Fische.
30.
Ihr Land wimmelte Frösche heraus
in den Kammern ihrer Könige.
31.
Er sprach, da kam Ungeziefer,
Stechmücken in all ihr Gebiet.
32.
Er gab ihnen Hagel zum Regen,
Feuerflammen in ihrem Lande;
33.
Und schlug ihre Weinstöcke und Feigenbäume
und zerbrach die Bäume in ihrem Gebiet.
34.
Er sprach, da kamen Heuschrecken
und Käfer ohne Zahl.
35.
Und sie fraßen alles Gras in ihrem Lande
und fraßen die Früchte auf ihrem Felde.
36.
Und schlug alle Erstgeburt in Ägypten,
alle Erstlinge ihrer Kraft.
37.
Und er führte sie aus mit Silber und Gold;
und war kein Gebrechlicher unter ihren Stämmen.
38.
Ägypten ward froh, dass sie auszogen;
denn ihre Furcht war auf sie gefallen.



24. Und er ließ sein Volk sehr wachsen oder wörtl. (Luther 1524): sehr fruchtbar sein. In Gosen scheinen sie sich gleich von Anfang an sehr vermehrt zu haben. Und zwar geschah dies in solchem Maße, dass den Ägyptern vor ihnen angst wurde und sie ihrer Zunahme durch Unterdrückung Einhalt zu tun suchten. Aber der HERR fuhr fort, sie zu segnen, und machte sie mächtiger denn ihre Feinde oder Bedränger. Sowohl an Lebenskraft als an Zahl drohten sie die mächtigere der beiden Rassen zu werden. Dies Wachstum des Volkes wurde durch die tyrannischen Maßregeln nicht nur nicht verhindert, sondern das gerade Gegenteil trat sogar ein, so dass damals das Wort geprägt wurde, das hernach von der Gemeinde Gottes geradezu sprichwörtlich geworden ist: Je mehr sie das Volk drückten, je mehr es sich mehrte. (2. Mose 1,12.) Vergeblich ist’s, es mit Gott oder seinem Volke aufzunehmen.

25. Er verkehrte jener Herz, dass sie seinem Volk gram wurden. Es war Gottes Güte gegen Israel, die das Übelwollen des ägyptischen Hofes erregte, und insofern war der HERR der Urheber desselben. Überdies gebrauchte er diese Stimmung der Ägypter als Mittel, in dem Volke Unbehagen zu wecken und es dadurch bereit zu machen, das Land zu verlassen, an das es augenscheinlich sehr anhänglich geworden war. Insofern verkehrte der HERR die Herzen der Ägypter. Gott kann unmöglich Urheber der Sünde in dem Sinne sein, dass er sittlich verantwortlich wäre für ihr Dasein. Aber das geschieht oft, infolge des der menschlichen Natur innewohnenden Bösen, dass durch das, was der HERR tut, in ungöttlich gesinnten Menschen Gefühle des Hasses erregt werden. Verdient die Sonne etwa Tadel dafür, dass sie, während sie doch das Wachs erweicht, den Lehm hart macht? Oder darf man die Königin des Tages beschuldigen, dass sie die schlechten Ausdünstungen erzeuge, die durch ihre Wärme aus dem mit Peststoffen erfüllten Sumpf gezogen werden? Nur in sehr beschränktem Sinne ist die Sonne schuld an dem üblen Dunst, welchen der Misthaufe ausströmt; wäre er ein Blumenbeet, so würden ihre Strahlen süßen Wohlgeruch aus ihm hervorlocken. Das Böse ist im Menschen, Gott aber wendet es so, dass es guten und heilvollen Zwecken dient, und dafür gebührt ihm die Ehre. - Der Hass nimmt oft die List zum Bundesgenossen; so machten es die Ägypter: sie sannen darauf, an seinen Knechten Arglist zu üben. (Wörtl.) Sie verfuhren mit ihnen auf eine ganz schändliche Art; sie zwangen sie zum Frondienst unter schweren Schindereien, beschlossen auf heimliche Weise ihre Knäblein umzubringen und ordneten schließlich auch öffentlich diese grausame Maßregel an, und das alles in der Absicht, ihrer Vermehrung Einhalt zu tun, damit sie nicht, wo sich ein Krieg erhöbe, sich zu den Feinden schlügen, um ihre Freiheit zu erlangen. Wahrlich, hier waren die Tiefen satanischer Schlauheit und Bosheit erreicht; aber vergeblich erwies sich alle List der Menschen gegen den auserwählten Samen.

26. Er sandte seinen Knecht Mose, Aaron, den er hatte erwählt. Gerade als die Unterdrückung am schlimmsten war, da kam Mose. Zum zweiten Male heißt es hier: er sandte. Derselbe, der Joseph gesandt hatte, schickte auch Mose und seinen redegewandten Bruder. Der HERR hatte die rechten Männer schon in Bereitschaft, und alles, was er zu tun hatte, war, dass er sie nun beauftragte und ans Werk schickte. Sie waren zu zweien, zu gegenseitiger Ermunterung und Hilfe, gerade wie die Apostel und die Siebzig in den Tagen unseres Herrn je zwei und zwei ausgesandt wurden. Die Männer waren verschieden; so diente einer dem andern zur Ergänzung und konnten sie zusammen weit mehr ausrichten, als wenn sie einander genau gleich gewesen wären. Die Hauptsache aber war, dass sie beide gesandt und daher mit göttlicher Vollmacht bekleidet waren.

27. Dieselben taten seine Zeichen unter ihnen und seine Wunder im Lande Hams. Die Wunderzeichen, die durch Mose geschahen, waren nicht seine eigenen, sondern die des HERRN; darum werden sie hier seine Zeichen genannt. Waren sie doch Beweise der Gegenwart und Macht Jehovahs. Die zehn Plagen waren Worte seiner Zeichen (wörtl.3 sie waren sprechende Wunder, welche deutlicher als Worte von der Allmacht Jehovahs, von seinem unbedingten Entschluss, sich Gehorsam zu verschaffen, und von seinem Zorn über Pharaos Halsstarrigkeit Zeugnis ablegten. Nie wurde eine deutlichere, bestimmtere, persönlichere und mächtigere Sprache geführt, und doch bedurfte es zehn dieser Worte, um den beabsichtigten Endzweck zu erreichen. Bei der Verkündigung des Evangeliums gibt es Worte und Zeichen und Wunder; darum kann niemand eine Entschuldigung für seine Unbußfertigkeit vorbringen. Das Reich Gottes sich nahegekommen sehen und dennoch in der Auflehnung beharren, das ist die unselige Sünde derer, die sich verstocken. (Vergl. Lk. 11,20.) Die Menschen sind doch geradezu Wunder an Sündhaftigkeit, welche die Wunder der Gnade sehen und dennoch ungerührt bleiben. So schlecht Pharao war, lud er doch diese Schuld nicht auf sich; denn die Wunderzeichen, welche er zu schauen bekam, waren Wunder des Gerichts und nicht des Erbarmens.

28. Er ließ Finsternis kommen und machte es finster. Das war keine natürliche oder gewöhnliche Finsternis, die in dem die Sonne verfinsternden Staube des Samum ihre volle Erklärung gefunden hätte; vielmehr eine Finsternis, wie man nie zuvor eine erlebt hatte, die ganz außer der Reihe der gewöhnlichen Ereignisse stand. Es war eine schauderhafte, greifbare Finsternis, von der die Leute sich als mit Ketten der Finsternis gebunden fühlten, die sich um sie legte als ein Totenkleid. Es war ein undurchdringliches Dunkel, eine Nacht ohne Sternenschimmer oder Dämmerstrahl, die drei Tage anhielt, eine Finsternis, in der sich niemand zu rühren wagte. Welch eine Lage! Diese Plage wird zuerst erwähnt, obgleich sie in der Reihe nicht die erste war, weil sie ein passendes Bild gibt von der ganzen Zeit der Plagen; das Land befand sich während dieses ganzen Zeitraumes in der Finsternis der Sorge und der Nacht der Sünde. Wenn uns bei dem Gedanken an diese lange schreckliche Nacht graut, so wollen wir doch auch an die dichte Finsternis denken, die noch immer als Folge der Sünde die Heidenlande bedeckt; denn sie ist eine der Hauptplagen, mit denen das Böse sich selbst bestraft. Ach, dass bald der Tag komme, da alle, die im Finstern sitzen, das herrliche Licht sehen! Und sie waren nicht ungehorsam seinen Worten. So gefährlich es für Mose und Aaron war, in des Löwen Höhle zu gehen, und so schwer es ihnen sein mochte, die schrecklichen Aufträge zu erfüllen, so widerstrebten sie doch nicht (wie später am Haderwasser, 4. Mose 20,24), sondern taten, wie ihnen befohlen war. - Andere denken bei den Worten an die Ägypter, welche der Schrecken während der Finsternis gewiss so mürbe machte, dass sie, selbst als das Dunkel sich aufhellte, ängstlich wünschten, dass Israel sich wegmache, und, wenn die Rücksicht auf Pharaos Stolz sie nicht gehindert hätte, sie mit Freuden damals schon eiligst abgefertigt hätten. Ja, Gott kann die Leute zum Gehorsam zwingen und sogar das trotzigste Herz dazu bringen, dass es voll Eifers wird, sich vor seinem Willen zu bücken, aus Furcht, es möchten noch mehr und schrecklichere Plagen kommen. - Oder sollte man den Satz, dessen Deutung, so einfach er an sich ist, große Schwierigkeit macht, etwa auf die Plagen selbst beziehen können, die auf des HERRN Gebot kamen? Finsternis, Hagel, Frösche, Viehseuchen, sie waren ebenso viele gehorsame Diener dessen, der ein Herr ist über alles.

29. Er verwandelte ihr Wasser in Blut und tötete ihre Fische. Sonach handelte es sich nicht nur um die in Ägypten zur Zeit der Überschwemmung gewöhnliche Färbung des Wassers durch rote Erde oder Infusorien, denn das Wasser war den Fischen verderblich. Ihr so hochgeschätzter Nil und all die Kanäle desselben waren gleichermaßen gefärbt und in Blut verwandelt. Das allgemeinste Gottesgeschenk, das sie besaßen, verkehrte sich ihnen jetzt in den schwersten Fluch. Das Wasser ist eine der größten Segensgaben, und je reichlicher es vorhanden ist, desto besser; wie grässlich ist hingegen Blut anzusehen, und ganze Ströme und Seen davon vor Augen zu haben muss entsetzlich sein. Die Fische waren in Ägypten ein Hauptnahrungsmittel, und es war kein geringer Schlag, sie nun tot als weiße Punkte auf der blutroten Flut dahintreiben zu sehen. So schlug die Hand des HERRN Ägypten auf eine Weise, dass alle Schichten des Volks es gewahr wurden und darunter zu leiden hatten.

30. Ihr Land wimmelte Frösche heraus. Die Fische konnten nicht leben, wohl aber die Frösche; ja, diese vermehrten sich auf dem Lande und im Wasser immerzu, bis es von ihnen wimmelte in unberechenbaren Mengen. In den Kammern ihrer Könige. Sie drangen in die feinsten Gemächer des Palastes ein, man fand sie sogar auf den Prunkbetten. Der HERR hatte ihnen gerufen, und sie rückten vor. So lästig und so ekelerregend ihre Schwärme waren, gab es doch keine Rettung vor ihnen; sie schienen aus dem Boden zu wachsen, das Land selbst brachte sie hervor. Ihr immerwährender Anblick, wohin man sich auch wenden mochte, ihr Vorhandensein selbst im Brotteig muss ein Grausen und einen Ekel hervorgerufen haben, wodurch Krankheiten verursacht und das Leben den Menschen zu einer Last gemacht wurde. Dass es selbst in den Privatgemächern des Königs von ihnen wimmelte, war ein Schlag in das Angesicht desselben, den sein Stolz tief gefühlt haben muss. Könige gelten vor Gott nicht mehr als andere Leute, ja weniger als andere, wenn sie in der Auflehnung wider Gott vorangehen. Die Frösche hätten sonst wohl überhand nehmen können - wenn sie nur aus seinen eigenen Gemächern geblieben wären, würde sich der König wohl wenig darum gekümmert haben, denn er war ein Mensch ohne Herz; aber Gott sorgte dafür, dass sich ein ganzes Heer dieser Eindringlinge auf den Palast warf: in den Kammern ihrer Könige waren sie in noch größeren Mengen als sonst zu finden.

31. Er sprach. Seht hier die Macht des göttlichen Wortes! Er brauchte nur zu sprechen, so geschah es: da kam Ungeziefer. Verschiedene Arten von quälenden Insekten (vergl. zu Ps. 78,45 in Bd. II., S. 627) kamen in unermesslichen Schwärmen, ein Durcheinander von beißenden, stechenden, summenden Mücken, Schnaken, Fliegen, Käfern und anderem derartigem Geschmeiß, das das Fleisch der Menschen zu seinem Fraß, zur Brutstätte für seine Eier und zum Sitz eigentümlicher Qual machte. Stechmücken oder (engl. Übers. wie L. 1540:) Läuse in all ihr Gebiet. Dieser unsagbar ekelhaften Formen tierischen Lebens waren es eine Menge, so unzählig wie der Staub der Erde, und sie bedeckten die Leiber der Ägypter, ihre Kleider und alles, was sie aßen. Das Geringste ist imstande, den Menschen zu bezwingen, wenn Gott es befiehlt. Die Kinder Hams hatten die Israeliten verabscheut; jetzt mussten sie vor sich selber Ekel empfinden. Dem ärmsten Bettler konnte man sich eher nahen als den stolzen Ägyptern; sie waren in einen Zustand elendester Unsauberkeit und schmerzhafter Entzündung versetzt. Was für Heere kann doch der HERR aussenden, wenn er seinen Arm einmal zum Kampfe ausgereckt hat! Und mit welchem Hohn überschüttet er stolze Völker, wenn er nicht mit Engelheeren, sondern mit Läusen gegen sie kämpft! Dem Pharao blieb wenig übrig, worauf er stolz sein konnte, als seine eigene Person von den garstigen Schmarotzern überfallen war. Das war eine Maulschelle, die ihm den frechen Mund verschließen und sein trotziges Herz hätte demütigen sollen; aber ach, wenn der Mensch auch über und über besudelt ist, so hält er doch an seinem Dünkel fest, und wenn er der widerlichste Gegenstand auf der Welt ist, tut er doch noch groß. Der Stolz ist in der Tat moralische Verrücktheit.

Fußnote
3. So fassen einige das von andern als bedeutungslos angesehene yr"b:dIi des Grundtexts auf (so noch Fr. W. Schultz 1888). Die meisten hingegen sehen es wie Delitzsch an, der zu Ps. 65,4 sagt: "Das yr"b:dIi ist hier so wenig als Ps. 35,20; Ps. 105,27; Ps. 145,5, vergl. 1. Samuel 10,2; 2. Samuel 11,18 f., bedeutungslos: es zerlegt den Tatbestand in seine einzelnen Fälle und Umstände." - Also hier: Tatsachen der Zeichen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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32. Er gab ihnen Hagel zum Regen. Selten hatten sie sonst Regen; jetzt aber wurden die Schauer zu furchtbaren Hagelwettern, die, von Sturm und Gewittern begleitet, eine alles überwältigende und schrecklich zerstörende Wirkung hatten. Feuerflammen in ihrem Lande. Es blitzte ungemein lebhaft; die Blitze schienen allenthalben am Boden hin und her zu fahren oder in feurigem Flockengestöber vom Himmel zu fallen. So wurden alle Früchte der Bäume und der Ertrag der Äcker entweder zerschlagen oder auf dem Felde draußen verbrannt; und allgemein waren die Herzen von der Furcht in den Staub gebeugt. Kein anderes Naturereignis flößt den meisten Menschen einen solchen Schrecken ein wie ein schweres Gewitter; auch den frechsten Gotteslästerern bebt das Herz, wenn die furchtbare Artillerie des Himmels ihr Feuer auf die Erde eröffnet.

33. Und schlug ihre Weinstöcke und Feigenbäume, sodass die Ernteaussichten gerade für ihre besten Früchte dahin waren und auch die Tragfähigkeit der Bäume für die Zukunft Schaden litt. Alle Erzeugnisse des Landbaues waren vernichtet; diese hier werden nur als die vorzüglichsten, die sie bei Festen sowohl als bei den gewöhnlichen Mahlzeiten verwendeten, besonders erwähnt. Und zerbrach die Bäume in ihrem Gebiet. Von einem Ende Ägyptens zum andern waren die Bäume zerfetzt und zerschlagen durch das schwere Hagelwetter. Gott fährt scharf zu, wenn er es mit stolzen Geistern zu tun hat: da gilt es biegen oder brechen.

34.35. Er sprach, da kamen Heuschrecken und Käfer ohne Zahl. Ein Wort des Feldherrn, und die unabsehbaren Heere stürmten vor. Der Ausdruck hebt treffend hervor, wie unverzüglich Gottes Befehl erfüllt wurde. Das hebräische Wort, das Käfer übersetzt ist, bedeutet wohl Lecker oder Fresser. Unter diesem Insekt, das so genannt ist, weil es alles Grüne im Nu verschlingt, ist wahrscheinlich wieder die Heuschrecke zu verstehen, nur auf einer andern Stufe der Entwicklung, nämlich ehe sie noch die Scheide abgestreift hat, in welcher die Flügel stecken. Dass die Heuschrecken in zahllosen Schwärmen auftreten, ist eine häufig zu beobachtende Tatsache; hier wird es in noch verstärktem Maße der Fall gewesen sein. Ich bin selbst meilenweit durch Heuschreckenschwärme geritten und habe mit eigenen Augen gesehen, wie vollständig sie alles Grüne verzehren. Die Beschreibung ist nicht übertrieben, wenn wir lesen: Und sie fraßen alles Gras in ihrem Lande, und fraßen die Früchte auf ihrem Felde. Nichts bleibt von diesen gefräßigen Tieren verschont; sie erklimmen sogar die Bäume, um jedem Rest von Laub den Garaus zu machen. Hier kamen sie in besonderem Auftrag Gottes; da können wir überzeugt sein, dass sie ihr Werk gründlich taten und nichts als eine trostlose Wüste hinter sich ließen.

36. Und schlug alle Erstgeburt in Ägypten, alle Erstlinge ihrer Kraft. Nun kam der Hauptschlag. Vorher sprach der HERR, jetzt schlägt er; zuerst schlug er nur Weinstöcke, jetzt trifft er die Menschen selbst. Der Stolz der Familien sinkt in einer Nacht dahin, der auserlesenste Teil der Nation, ihre Krone und die Blüte ihres Heeres, die Erben der Reichen und die Hoffnung der Armen, alles stirbt zu Mitternacht. Jetzt war die Scheibe ins Schwarze getroffen; dieser Plage die Stirne zu bieten war unmöglich. Pharao bekommt sie so gut zu fühlen wie die Sklavin am Mühlstein. Er hatte Israel, des HERRN Erstgeborenen, geschlagen; nun zahlt ihm der HERR mit gleicher Münze heim. Welches Jammergeschrei erscholl durch ganz Ägyptenland, als jedes Haus in der Stille der Mitternacht um seinen Erstgeborenen klagte. O Jehovah, du triumphiertest in dieser Stunde und befreitest mit ausgestrecktem Arm dein Volk.

37. Und er führte sie aus mit Silber und Gold. Dies erbaten sie sich von den Ägyptern, vielleicht verlangten sie es sogar; und sie durften dies tun, denn sie waren lange genug beraubt und ausgeplündert worden, und es wäre nicht recht gewesen, wenn sie mit leeren Händen hätten ziehen müssen. Mit Freuden gaben die Ägypter ihre Kleinode und Schätze hin, um damit die Gunst eines Volkes zu gewinnen, das droben im Himmel einen Freund von so furchtbarer Macht hatte. Es bedurfte keines ungebührlichen Zwanges; sie fürchteten sich zu sehr vor ihnen, als dass sie es gewagt hätten, ihnen einen Wunsch abzuschlagen. Die Israeliten waren gezwungen, ihre Häuser und Ländereien dahinten zu lassen; so war es nur gerecht, dass es ihnen ermöglicht wurde, sie in tragbares Eigentum umzusetzen. Und war kein Gebrechlicher (wörtl.: Strauchelnder) unter ihren (Grundtext seinen) Stämmen. Wahrlich ein Wunder! Sie waren ein sehr zahlreiches Heer, doch bedurften sie keines Lazarettes, noch musste auch nur einer im Krankenwagen nachgeführt werden oder bei der Nachhut hintendrein hinken. Armut und Unterdrückung hatten sie nicht geschwächt. Der HERR, ihr Arzt (2. Mose 15,26), hatte sie geheilt. Sie nahmen keine der Krankheiten Ägyptens mit und spürten nichts von der Erschöpfung, welche die Folge harter Sklavenarbeit ist. Wenn Gott seine Leute auf eine weite Reise schickt, macht er sie auch dazu fähig. Auch bei unserer Lebenswallfahrt soll unsere Kraft den Anforderungen jedes Tages entsprechen. Beachten wir den Gegensatz: bei den Ägyptern in jedem Hause ein Toter, und unter Israel keiner, der auch nur gebrechlich gewesen wäre!

38. Ägypten ward froh, dass sie auszogen. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn die Ägypter den Israeliten das Gold und Silber nur geliehen hätten (wie es bei Luther 2. Mose 12, 36 heißt; die berichtigte Ausgabe verbessert: sie waren ihnen willfährig); denn wer sähe wohl gerne seine Schätze von Borgern in ein fernes Land fortgeschleppt? Der Schrecken Gottes lag auf Ägypten, darum fürchteten sie sich auch vor Gottes Volk und bezahlten es gerne dafür, dass es sich wegmachte. Welch eine Wendung, wenn man an die Zeit denkt, da die Kinder Israel des Landes Packesel gewesen waren, der Auskehricht Ägyptens und der Auswurf aller, die verachteten Ziegelstreicher, deren saure Arbeit nur mit Geißel und Stock belohnt wurde. Jetzt werden sie ehrerbietig als Propheten und Priester behandelt. Denn ihre Furcht war auf sie gefallen. Das Volk geriet sogar in abergläubische Angst vor ihnen. So ließen ihre ehemaligen Fronvögte sie unter Freudenrufen und Glückwünschen ihres Weges ziehen. Pharao war zu Schanden gemacht, und das auserwählte Geschlecht befand sich wieder einmal auf der Reise, hin zu der Stätte, die ihnen der HERR in einem unverweslichen Bunde zu eigen gegeben hatte. "Danket dem HERRN, rufet seinen Namen an; verkündigt sein Tun unter den Völkern!"

39.
Er breitete eine Wolke aus zur Decke
und ein Feuer, des Nachts zu leuchten.
40.
Sie baten, da ließ er Wachteln kommen;
und er sättigte sie mit Himmelsbrot.
41.
Er öffnete den Felsen, da flossen Wasser aus,
dass Bäche liefen in der dürren Wüste.
42.
Denn er gedachte an sein heiliges Wort,
das er Abraham, seinem Knechte, hatte geredet.
43.
Also führte er sein Volk aus in Freuden
und seine Auserwählten in Wonne
44.
Und gab ihnen die Länder der Heiden,
da sie die Güter der Völker einnahmen,
45.
auf dass sie halten sollen seine Rechte
und seine Gesetze bewahren.
Hallelujah!




39. Er breitete eine Wolke aus zur Decke. Wann sind je Leute so bevorzugt gewesen? Was würden Reisende in der Wüste jetzt nicht geben für einen solchen Baldachin! Die Sonne konnte sie mit ihren glühenden Strahlen nicht versengen; ihr ganzes Lager war überschattet wie ein König unter seinem Thronhimmel. Nichts schien dem HERRN zu gut zu sein, es seinem auserwählten Volke zu geben; auf alle erdenkliche Weise wurde für ihre Bequemlichkeit gesorgt. Und ein Feuer, des Nachts zu leuchten. Während große Städte in Finsternis gehüllt waren, erfreute sich ihre Zeltstadt einer Beleuchtung, wie sie die moderne Technik mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln nicht herstellen kann. Gott selbst war ihnen Sonne und Schild, ihre Herrlichkeit und ihr Schutz. Konnten sie ungläubig sein, während sie so huldvoll beschattet wurden, oder widerspenstig, da sie um Mitternacht in solchem Lichte wandeln durften? Ach, die Erzählung von ihrer Sünde ist ebenso erstaunlich wie die Geschichte von seiner Liebe. Aber dieser Psalm wählt den schöneren der beiden Gegenstände, er verweilt nur bei der Liebe und Bundestreue Gottes. Danket dem HERRN, denn er ist freundlich! Auch wir in unserem Teil haben alles das in unserem Gott gefunden; auch uns ist er Sonne und Schild gewesen, hat uns vor den Gefahren der Freude wie auch vor den verderblichen Wirkungen des Leides bewahrt. So ist die Verheißung an uns in Erfüllung gegangen: Die Sonne wird dich des Tages nicht stechen noch der Mond des Nachts.

40. Sie baten, aber wie schlecht, wie gottlos war dieses Bitten oder Fordern. (Das Wort wird in beiderlei Sinn gebraucht.) Und dennoch vergab seine Gnade die Sünde ihres Murrens und gewährte, was sie begehrten. Oder dürfen wir es vielleicht so ansehen, dass es unter der murrenden Menge doch einige wenige dankbare Leute gab, die beteten, und dass darum der Segen kam? Da ließ er Wachteln kommen, und er sättigte sie mit Himmelsbrot. Er gab eben sowohl, was sie im Unverstand erbaten, als auch das, was ihnen gut war, und verband so Gericht mit Güte zu ihrer Erziehung. Die Wachteln wurden dem Volke schließlich (4. Mose 11) zum Fluch statt zum Segen wegen seiner Gier und Lüsternheit, aber an sich waren sie ein Beweis ganz besonderer Nachsicht und Gunst; es war ihre eigene Schuld, dass das leckere Fleisch ihnen den Tod brachte. Dem gegenüber war das Manna eine Gabe, die nur Segen und keine Gefahr enthielt; auch sättigte es sie wirklich, was von den Wachteln nicht galt. Dies Brot war himmlisch seinem Ursprung und seiner Art nach und vom Himmel ihnen in Gnaden gewährt; wie schade, dass sie sich nicht anleiten ließen, zum Himmel aufzuschauen, von wo es herkam, und den Gott, der es aus dem Himmel auf sie herabregnen ließ, zu fürchten und zu lieben. So hatten sie unter Gottes Thronhimmel ihre Wohnung und bekamen ihre Speise von seinem eigenen Tisch; niemand sonst hat sich je solcher Kost und solchen Obdachs erfreuen dürfen. Ihr vom Hause Israel, preiset den HERRN!

41. Er öffnete den Felsen, da flossen Wasser aus. Mit Moses Stab und seinem eigenen Wort spaltete der HERR den Felsen in der Wüste; da entsprangen Wasserbäche, dass sie dort in Fülle trinken konnten, wo sie Durstes sterben zu müssen geglaubt hatten. Aus scheinbar sehr ungeeigneten Ursprungsorten kann der allgenugsame Gott seinem Volk das zufließen lassen, was es bedarf; harte Felsen werden auf des HERRN Befehl zu sprudelnden Quellen. Dass Bäche liefen in der dürren Wüste, so dass diejenigen die weiter vom Felsen weg waren, sich nur niederzubeugen brauchten, um sich zu erfrischen. Der Wüstensand pflegt sonst naturgemäß die Wasser aufzusaugen; das geschah jedoch hier nicht, der erfrischende Strom floss vielmehr in der dürren Wüste. Wie wir wissen, stellt der Fels unseren Herrn Jesus dar, von dem eine Quelle lebendigen Wassers ausgeht, die nie erschöpft werden wird, bis der letzte Pilger Kanaan erreicht hat.

42. Denn er gedachte an sein heiliges Wort, das er Abraham, seinem Knechte, hatte geredet, oder: und an Abraham, seinen Knecht. Siehe hier den verborgenen Grund für all diese Gnadenerweisungen. Der Bund und derjenige, um deswillen er aufgerichtet worden, war im Herzen des Allerhöchsten eingegraben. Er gedachte seines Volkes, weil er seines Bundes gedachte. Er konnte diesen gnadenvollen Vertrag nicht verletzen, denn er war ihm sein heiliges Wort. Ein heiliger Gott muss auch sein Versprechen heilig halten. Was uns betrifft, so ruht Gottes Auge auf seinem geliebten Sohn und den Verpflichtungen, die er ihm gegenüber zu unseren Gunsten übernommen hat; dies ist die Quelle und der Ursprung aller jener unzähligen Gnadengaben, die uns bei unseren Wanderungen durch die Wüste des Lebens so reichlich zufließen.

43. Also führte er sein Volk aus in Freuden und seine Auserwählten in Wonne. Heraus aus dem Diensthause und durch die Wüste führte er sie, sich selbst ihrer freuend und auch in ihnen Freude weckend. Sie waren sein Volk, seine Auserwählten; das war es, warum er sich über sie freute. Und er ließ über sie seine Gnade in Strömen kommen, dass auch sie sich seiner freuten als ihres Gottes und ihres ewigen Teiles.

44. Und gab ihnen die Länder der Heiden. Er trieb die Kanaaniter aus und verteilte ihr Land den zwölf Stämmen. Sie mussten zwar darum kämpfen, aber der HERR wirkte so wunderbar mit, dass die Eroberung nicht das Werk ihres Schwertes noch ihres Bogens war; der HERR gab ihnen das Land. Dass sie die (mühsam erworbenen) Güter der Völker einnahmen. Sie wohnten in Häusern, die sie nicht gebaut hatten, und ernteten die Früchte von Weinstöcken und Ölbäumen, die sie nicht gepflanzt hatten. Sie wurden nicht in einer Wüste angesiedelt, die erst hätte urbar gemacht werden müssen, sondern in einem Lande, dessen Fruchtbarkeit sprichwörtlich geworden ist und das von seinen Einwohnern sorgfältig bebaut worden war. Gleich Adam wurden sie in einen Garten gesetzt. Dieser Einzug in das gute Land eignete sich wohl dazu, bei der Überführung der Bundeslade nach Zion gefeiert zu werden.

45. Auf dass sie halten sollen seine Rechte und seine Gesetze bewahren. Das war der praktische Zweck von dem allem. Das erwählte Volk sollte der Wächter der Wahrheit, das Muster der Sittlichkeit, das Vorbild der Hingebung sein; alles war dazu eingerichtet, ihre Lebensumstände so zu gestalten, dass sie der Erfüllung dieser dem Volke anvertrauten Aufgabe günstig seien. Eine hohe Berufung und ehrenvolle Erwählung war ihnen zuteil geworden. Allerdings schloss sie große Verantwortlichkeiten ein; aber sie war doch schon an sich ein auserlesener Vorzug und Segen, für den das Volk innig dankbar zu sein alle Ursache hatte. Darum schließt der Psalm ganz mit Recht mit den jauchzenden und doch zugleich feierlichen Klängen des Hallelujah: Preiset den HERRN! Wenn diese seine Geschichte Israel nicht zum Preise Gottes bewegte, was wäre dann wohl dazu imstande gewesen?
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Jörg
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Erläuterungen und Kernworte


Zum ganzen Psalm. Ein wie Ps. 104 mit Hallelujah schließender Psalm, welcher die Reihe der Hodu-Psalmen eröffnet. Wir nennen so nur Psalmen, welche mit hodu (Danket) beginnen (Ps. 105; 107; 118; 136), sowie Hallelujah-Psalmen die mit hallelujah (Lobet Jehovah) beginnenden (Ps. 106; 111-113; 117; 135; 146-150). Auf diese zwei Psalmenarten oder doch ihre Grundtöne deutet das in Chronika, Esra, Nehemia häufig vorkommende "zu loben und zu danken". Professor Franz Delitzsch † 1890.

Jenes Festlied beim Chronisten ist eine zu bestimmtem Zwecke veranstaltete Zusammenstellung von Teilen schon vorhandener Lieder. Von der Voraussetzung aus, dass die Psalmen sämtlich davidisch seien, weil David die gottesdienstliche Psalmenpoesie geschaffen hat, ist in jenem Festliede der Versuch gemacht, die damalige Eröffnung des sionitischen Kultus in davidischen Psalmenklängen zu vergegenwärtigen. Professor Franz Delitzsch † 1890.

Die Vergleichung der Vers 8-12 mit Vers 44 und Vers 45 zeigt, welcher Grundgedanke dem Dichter vorschwebte: Jahve hat herrlich erfüllt, was er den Vätern verheißen; darum soll auch Israel seinerseits ihm treuen Gehorsam beweisen. - Inhaltlich ordnet sich der Psalm mit Ps. 78 und Ps. 106 eng zusammen, nur ist der Gesichtspunkt der Betrachtung der Heilsgeschichte ein anderer; hier Dank für die megalein tou= qeou= (die Großtaten Gottes, Apg. 2,11) und demgemäß Mahnung zur Treue, dort Hinweis auf Israels vielfachen Undank und demgemäß Warnung und Aufruf zur Buße. - Kurzgef. Kommentar von Lic. H. Keßler 1899.

V. 1. Verkündiget sein Tun unter den Völkern. Gottes Volk wurde nicht in diesen kleinen Winkel der Erde gesetzt, um die wahre Erkenntnis und Anbetung Gottes in die engen Grenzen seines Ländchens einzuschließen; sondern dieses sollte nach Gottes Willen der feste Sitz der Kirche sein, von wo der Schall himmlischer Lehre hinaus unter alle Völker dränge. Darum erwählte er Kanaan, das mitten zwischen den mächtigsten Nationen der Welt lag, dass von da wie von einer Quelle desto leichter die Wahrheit Gottes zu den übrigen Völkern gelangen könne, wie Jesaia sagt: Von Zion wird das Gesetz ausgehen. (Jes. 2,3) H. Moller 1639.

V. 2. Singet ihm. Das Psalmensingen bringt unserer Seele Ruhe, unserm Geist Erholung und öffnet dem Frieden die Pforte unserer Herzen. Es glättet die Wogen, besänftigt den Sturm unserer Leidenschaften, beruhigt das ungestüme Temperament und zügelt die unreine Begierde. Es stiftet Freundschaft, vertreibt die Zwietracht, bringt Feinde zur Versöhnung. Denn wer kann den noch länger als seinen Feind betrachten, mit dem er gemeinsam sein Loblied zum Throne Gottes emporgesandt hat? Der Psalmengesang verscheucht die bösen Geister und lockt die Engel zum Dienst herbei; er ist ein Schild zum Schutz vor den Schrecken der Nacht und bringt Erholung von den Beschwerden des Tages. Dem Kinde ist er ein schützender Engel, dem Manne eine Krone des Ruhmes; den Alten ein stärkender Balsam, den Frauen eine anmutige Zierde. Basil der Große † 379.

Singet ihm, spielet ihm; redet usw. Gesang und Musik einerseits und die Unterhaltung andererseits sind Dinge, durch welche das Gemüt der Menschen viel Gutes empfängt oder auch großen Schaden erleidet. Wer Jehovah und seine wunderbaren Werke und Taten zum Gegenstand beider macht, genießt ein Stück Himmel auf Erden. Und wer in Wahrheit den Heiland liebt, wird stets Lust haben, ihm zu singen und zu spielen und von ihm zu reden. Bischof G. Horne † 1792.

Redet von allen seinen Wundern. Wer hat so viel davon zu rühmen wie wir Christen? Das Christentum ist ganz aus Wundern zusammengewebt, und jeder Teil des Gnadenwerkes in einer Seele ist ein Wunder. Wahrhaft bekehrte Christen können vom Morgen bis zum Abend von Wundern reden, und sie sollten es tun und dadurch andern ihren Wunder wirkenden Gott und Heiland empfehlen. Adam Clarke † 1832.

V. 4. Allewege ist hinzugefügt, damit sie sich nicht einbilden sollten, sie hätten ihre Schuldigkeit getan, wenn sie sich zwei- oder dreimal jährlich bei der Stiftshütte einfänden und die äußerlichen Gebräuche nach dem Gesetz beobachteten. H. Moller 1639.

V. 5. Gedenket. Wie andere es damit haben, weiß ich nicht; ich für mein Teil muss bekennen, dass keine andere Sorge oder Bekümmernis mich so zu plagen vermag, als wenn ich mich der Undankbarkeit gegen meinen so überaus freundlichen Herrn schuldig fühle. Nicht selten kommt es mir als ein so unerklärliches Vergehen vor, dass ich erschrecke, wenn ich diese Worte lese, sofern ich sie als an mich und andere meinesgleichen gerichtet betrachte. Gedenkt doch, ihr Vergesslichen, Gedankenlosen und Undankbaren der Werke Gottes, die er an uns getan hat und die ebenso viele Zeichen und Beweise seiner Güte sind. Was hätte er noch mehr tun können, das er nicht schon getan hat? Giambattista Folengo † 1559.

V. 6. Beachtet die Beziehung, in der ihr zu ihm steht: Ihr seid der Same Abrahams, seines Knechtes; ihr seid in seinem Hause geboren und habt dadurch Anspruch auf die Vorrechte, die seine Knechte genießen, auf seinen Schutz und seine Fürsorge, seid aber auch verbunden, zu tun, was Knechte schuldig sind, eurem Herrn zu dienen, für seine Ehre einzustehen, seinen Befehlen zu gehorchen und euer Möglichstes zur Förderung seiner großen Angelegenheiten zu tun. Matthew Henry † 1714.

V. 8. Er gedenkt ewiglich an seinen Bund. Ob auch Jahrhunderte zwischen der Verheißung und ihrer Erfüllung liegen, so verjähren doch Gottes Zusagen nicht durch die Länge der Zeit. Wenn die Welt sie auch als erloschen und vollständig vergessen betrachtet, behält Gott sie doch so genau wie jemals im Gedächtnis, auf dass er sie erfülle zu seiner Zeit. Jean Calvin † 1564.

V. 11. Das Los, wörtlich: die Schnur (Luther 1524) eures Erbes. Der Ausdruck ist hergenommen von der Art, wie die Alten das Land vermaßen, nämlich mit der Schnur. Daher wird "Messschnur" gebraucht für das mit derselben abgemessene und zugeteilte Stück Land. So heißt es Ps. 16,6 wörtlich: Die Messschnüre sind mir in lieblichen Gegenden gefallen, und der Psalmist fügt erklärend bei: und das Besitztum gefällt mir. Sam. Chandler † 1766

Eures Erbes. Der Wechsel in der Redeweise (von dir zu euer) drückt aus, dass Gott den Bund mit dem Volk im Ganzen machte, wenn er auch die Worte nur zu einzelnen Personen sprach; ganz dementsprechend, was wir vorhin gesehen haben, dass es ein göttlicher Ratschluss, ein ewig gültiges Gesetz war. Allerdings wurde die Verheißung zuerst und vorzüglich den heiligen Patriarchen anvertraut; aber sie ergriffen die ihnen dargebotene Gnade nicht als etwas ihnen allein Zugehöriges, sondern als einen Segen, an dem ihre Nachkommenschaft gemeinsam mit ihnen teilhaben sollte. Jean Calvin † 1564.

V. 12. Wenig, wörtlich: Leute von Zahl, d. h. so wenige, dass sie leicht zu zählen waren, im Gegensatz zu dem, was später von ihren Nachkommen galt, dass sie zahllos waren wie der Sand am Meer. S. Chandler † 1766.

V. 12-15. Man sollte denken, dass alle Welt sich auf sie gestürzt haben würde; aber ihre Rettung war, dass Gott die Macht hat, ein Veto einzulegen. Er ließ keinen Menschen ihnen Schaden tun. Manchen war das Volk Gottes ein Dorn im Auge, sie hatten nicht übel Lust, sich an sie zu machen; und es sind vier Stücke, in denen die Welt ihnen gegenüber sich im Vorteil befand: sie waren wenig an Zahl, gering wie ein Nichts, dazu Ausländer und ohne festen Wohnsitz. Was hinderte die Feinde? Nur des HERRN Einspruch: "Tastet meine Gesalbten nicht an usw." Ein Beispiel davon haben wir 1. Mose 35,5: Als Jakob und seine Familie weiterzogen, kam die Furcht Gottes über die Städte, die um sie her lagen, dass sie den Söhnen Jakobs nicht nachjagten. Sie hatten es im Sinn, ihnen nachzusetzen und die Niedermetzelung der Sichemiten an ihnen zu rächen; aber Gott sagte: "Jagt ihnen nicht nach!", da mussten sie wohl oder übel zu Hause bleiben. Und als das Volk später in Kanaan ansässig war, ermunterte der HERR sie, ganz unbesorgt nach Jerusalem hinaufzuziehen, um dort anzubeten, indem er ihnen versicherte: Niemand soll deines Landes begehren, dieweil du hinauf gehst dreimal im Jahr, zu erscheinen vor dem HERRN, deinem Gott. (2. Mose 34,24.) Gott kann nicht nur die Hände vom Plündern, sondern sogar die Herzen vom Begehren abhalten. Joseph Caryl † 1673.

V. 13. Obgleich häufiges Ziehen von einem Ort zum andern weder wünschenswert noch empfehlenswert ist, so liegt doch bisweilen eine Veranlassung vor, die es rechtfertigt, ja notwendig macht, und dies kann von den besten Menschen dem einen und anderen beschieden sein. Matthew Henry † 1714.

V. 14.15. Wir entnehmen den Worten dreierlei. Erstens, wie lieb und wert die Heiligen dem HERRN sind. Schon an sich, d. h. abgesehen von der persönlichen Heiligkeit ihres Charakters, gelten sie ihm mehr als Könige und Staaten; denn ihr seht, dass er um ihretwillen Könige strafte. Zweitens sehen wir, in welch große Gefahr es Könige und Reiche bringt, wenn sie mit den Heiligen des Höchsten anders als freundlich umgehen. "Rührt sie nicht an!" Es ist, als sagte er: "Ich will doch sehen, ob ihr auch nur einen Finger an sie zu legen wagt", und schließt die Androhung fürchterlichster Strafe ein für den Fall, dass sie es sich trotzdem erdreisten sollten. Und er setzte seinen Befehl in eindrücklichster Weise durch: Er ließ keinen Menschen ihnen Schaden tun. Nicht dass er alles Unrecht und jede Kränkung überhaupt verhindert hätte, denn sie hatten manches Derartige auf ihren Wanderzügen zu erdulden; aber er ließ es nie ungestraft hingehen. Das ist der Sinn dieses Satzes: Ihr wisst, wie er Pharao und sein ganzes Haus mit großen Plagen schlug um des Weibes Abrams willen (1. Mose 12,17). Und ebenso kam der HERR mit Macht über Abimelech, den König zu Gerar, und sein erstes Wort an ihn ist: "Siehe da, du bist des Todes" (1. Mose 20,3), noch ehe er ihm überhaupt sagt, warum oder wofür, wenngleich er hintennach den Grund angibt; er bringt ihn auf die Knie (V. 4) und gebietet ihm, nur ja dem Abraham Genugtuung zu geben und ihm sein Weib wieder zuzuführen (V. 7) - so kam Abimelech noch eben mit heiler Haut davon. Auch wurde im eröffnet, dass er sein Leben nur dem Gebet des Gottesfreundes zu danken habe. "Er ist ein Prophet", sagt der HERR, "lass ihn für dich bitten, so wirst du lebendig bleiben". - Das Dritte ist die Fürsorge und der Schutz, welche Gott ihnen angedeihen ließ. Dies wird ins Licht gestellt 1) durch die geringe Zahl und die ohnmächtige Lage derjenigen, für welche er eintrat; 2) durch das, was er für sie tat: er ließ keinen Menschen, wie groß er auch sein mochte, ihnen ungestraft einen Schaden tun, wie klein dieser auch hätte sein mögen. Obgleich die Philister sie scheel ansahen, erließ Abimelech, innerlich von Gott dazu getrieben, ihretwegen ein Gesetz, wobei er denselben Ausdruck gebrauchte wie unser Psalm: Wer diesen Mann oder sein Weib anrührt, der soll des Todes sterben. (1. Mose 26,11) Thomas Goodwin † 1679.


V. 15. In der mittleren der drei Geschichten von der Bewahrung der Patriarchenfrauen 1. Mose 12; 20; 26, welche der Dichter V. 14 im Sinn hat, erklärt Gott den Patriarchen für einen Propheten (1. Mose 20,7). Hierauf nimmt die eine Benennung meine Propheten Bezug, und die andere, meine Gesalbten, auf 1. Mose 17, wo Abraham zum Vater von Völkern und Königen und Sarai zur Fürstin geweiht wird. Gesalbte heißen sie als gotterkorene Fürsten, und Propheten nicht als Inspirierte (Hupfeld), sondern als Sprecher Gottes (vergl. 2. Mose 7,1 f. mit 2. Mose 4,15 f.), also als Empfänger und Mittler göttlicher Offenbarung, zunächst innerhalb des Kreises ihres Hauses. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

Wir haben hier eine treffende Beschreibung des Volkes Gottes vor uns. Sie sind seine Gesalbten, die des Geistes Erstlinge haben, und sie sind seine Propheten, denen das Wort des Lebens anvertraut ist, damit sie Zeugen seien in der Welt. Ihnen gibt er gewissermaßen einen Geleitsbrief mit durch die Welt, der ihre Sicherheit verbürgt. Sind sie gleich immer nur wenig an Zahl und dazu recht gering geachtet, so sind sie doch in seinen Augen teuer. Sie sind nicht durch äußere Würde, Anzahl und Macht ausgezeichnet, wie etwa Rom die Abzeichen seiner Kirchengemeinschaft recht sichtbar vors Auge stellt. Sie sind mitten unter den Reichen der Welt, aber nicht von ihnen. Sie gehören meist zu den niederen Schichten des Volks, und doch empfangen sie Ehre von Gott. Verachtet von der Welt, aber vor Gott Könige und Priester, verordnet und gesalbt, mit Christo ewiglich zu herrschen. W. Wilson 1860.

V. 16. Und er rief eine Hungersnot, wie ein Herr seinen Knecht ruft, der bereit steht, sein Gebot auszuführen. Ein Gegenstück dazu ist das Wort des HERRN Hes. 36,29: Und will dem Horn rufen, und will es mehren, und will euch keine Teuerung kommen lassen. Vergleiche auch, was der römische Hauptmann von der Krankheit als von einem Knechte Christi spricht, der bereit stehe, auf seinen Ruf zu kommen oder zu gehen, Mt. 8,8.9. A. R. Faußet 1866.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Erläuterungen und Kernworte


V. 18. Seine Seele kam in Eisen. (Grundtext) Die Gefangenschaft ist eine der schwersten Anfechtungen für die Seele. Auch geistlichen Helden wie einem Savonarola und St. Cyran (Du Vergier, † 1643) gehen hier oftmals die Wasser über die Seele. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.

Solange wir es noch nicht selbst empfunden haben, können wir jenes Herzweh nicht verstehen, das bisweilen den stillen Dulder beschleicht, jenes Gefühl der Vereinsamung, jene Mattigkeit der Seele, verursacht durch ausgebliebene Hoffnungen und unerfüllte Wünsche, durch die Selbstsucht der Brüder und die Herzlosigkeit der Welt. Wir fragen uns, wie Joseph sich etwa fragen mochte: Wenn der HERR mit mir wäre, würde ich dann wohl so leiden müssen, nicht nur den Spott der Gebildeten und die Verachtung der Großen, sondern sogar die Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit derer, denen ich gedient habe und die mich nun doch vergessen? Denn wenn auch durch Falschheit und Spott die Knechte des HERRN sich nicht aus dem Geleise bringen lassen, sondern sie ihr Antlitz hart wie Kiesel machen, so empfinden sie dennoch tief, wie viel es sie kostet. Andrew Jukes † 1858.

V. 19. Die Haft (anfänglich so hart) währte wohl über zehn Jahre (vergl. 1. Mose 37,2 mit 1. Mose 41,46), bis endlich Josephs Wort eintraf, nämlich das Wort von seiner in Träumen ihm geoffenbarten Erhöhung (1. Mose 42,9). Nach Ps. 107,20 scheint "sein Wort" das Wort Jahves zu sein, aber von V. 19 b hier wäre dann eine gleich lautende Wendung zu erwarten: es ist Josephs freimütiges Wort von seinen Traumgesichten gemeint, und die Rede Jahves ist die dergestalt an ihn ergangene verheißende Gottesoffenbarung, welche ihn zuvor zu schmelzen, zu prüfen und zu läutern (vergl. 17,3 und öfters) hatte, indem er nicht erhöht werden sollte, ohne im Stande tiefer Erniedrigung nicht wankende Treue und nicht zagende Zuversicht bewährt zu haben. Die göttliche Rede ist als lebendige, wirksame Macht gedacht wie 119,50. - Kommentar von Prof. Fr. Delitzsch † 1890.

Dieser Vers ist der Schlüssel zu der tiefen Bedeutung der rätselhaften Prüfung Josephs und deckt uns zugleich Tiefen im geistlichen Leben der Menschen überhaupt auf. Die Rede des HERRN - die Träume, in welchen Gott dem Joseph seine zukünftige Bestimmung geoffenbart hatte - durchläuterte ihn, prüfte seinen Glauben, bis dass sein (Gottes) Wort kam, bis der Tag der Befreiung anbrach. Betrachten wir einen Augenblick seine Lage, so werden wir den Zweck jener langen Prüfung erkennen. Als ein Jüngling, der in der Stille und Einfachheit des Lebens der Erzväter aufgewachsen war, wurde er von Traumgesichten verfolgt, die ihm von einer großen Zukunft weissagten. Zwar war er nicht imstande, sie deutlich zu verstehen; doch glaubte er, dass sie ihm seine Zukunft andeuteten und Verheißungen Gottes seien. Aber dieses ruhige Hirtenleben war nicht die rechte Vorbereitung für die Erfüllung seiner Bestimmung. Die Erziehung, die aus ihm den Mann machte, welcher den Versuchungen Ägyptens mit seinem Großstadt- und Hofleben und seiner hohen weltlichen Kultur widerstand, die Erziehung, die aus ihm den Herrscher machte, welcher mit klarem Blick zwischen gut und böse zu scheiden sowie den sicheren Kurs in der Stunde nationaler Gefahr zu erkennen vermochte - die konnte er nicht in dem Schatten des väterlichen Zeltes erlangen; dazu bedurfte es der läuternden und stählenden Prüfung, und zwar der Prüfung, die ausging eben von der Verheißung Gottes, an die er glaubte. Darum trat jene große überraschende Wendung in seinem Leben ein, welche allem Anschein nach das, was ihm in jenen Träumen verheißen war, für immer zur Unmöglichkeit machte. Als er nach Ägypten in die Sklaverei verkauft und infolge seiner Treue gegen Gott ins Gefängnis geworfen worden war, da wurde das Wort des HERRN seiner Seele zu einer gewaltigen Prüfung. In der Dunkelheit seiner Gefangenschaft war es schwer, an Gottes Treue zu glauben - war ihm doch sein Unglück aus seinem Gehorsam erwachsen, und schwer, sich die Verheißung immer klar vor Augen zu halten - da seine lange Trübsal sie ihm doch fortwährend als einen eitlen Traum erscheinen lassen wollte. Aber durch die Versuchung gewann er jenen starken Glauben, den der Glanz und die Lust des ägyptischen Hofes nicht zu zerstören die Macht hatte; und als die Stunde der Befreiung schlug, da trat er hervor, gestählt durch die Versuchung zur Erfüllung seiner herrlichen Bestimmung. So war seine Prüfung durch das Wort des HERRN - die Versuchung zum Zweifeln an seiner Wahrheit - eine Schule, in welcher der himmlische Erzieher ihn gerade für die Erfüllung der Verheißung zubereitete.
Es ist das überhaupt eine tiefe geistliche Wahrheit, dass Gottes Verheißungen uns auf die Probe stellen, damit diese Läuterung uns zu ihrer Erfüllung zubereite.

1) Gottes Wort dient dem Menschen zur Läuterung, und zwar zunächst, indem es seinen geheimen Unglauben aufdeckt. Wir kennen unsere Glaubensarmut nicht, bis einmal eine herrliche Verheißung uns dazu antreibt, die Stellung des Glaubens einzunehmen; da wird die Kälte und Glaubenslosigkeit des Herzens plötzlich durch solchen Glaubensblitz beleuchtet; und die Verheißung wird zur Versuchung. Vergleichen wir, was der Schreiber des Hebräerbriefs Kap. 4,12 mit tiefer Einsicht in die Tatsachen der geistlichen Erfahrung sagt. Zum praktischen Verständnis besonders der letzten Worte: "und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens" mag uns dienen, wenn wir darauf achten, wie auch an uns manche Verheißungen zunächst herantreten wie an Joseph, gleich Traumsichten von der Zukunft. Die Seele des Christen bekommt Offenbarungen, ebenso groß und wunderbar wie die, welche der hebräische Jüngling jener alten Zeit bekam, und auch sie sind Weissagungen von dem, was unsere dereinstige Bestimmung ist. Es kommt auch uns eine Zeit, wo wir Gottes Stimme deutlicher als sonst vernehmen und unser großes Erbe vor uns entschleiert wird. Kein Traum der Nacht, kein Geist aus dem Totenreich hat uns besucht; aber einem Geistwesen gleich ist irgendeine göttliche Wahrheit in das Audienzzimmer der Seele eingetreten und hat sie zu hehrem Streben und christusähnlichem Wirken aufgerufen. Da dämmern die Lichtstrahlen der Zukunft an dem Horizont des Lebens auf. Der Sabbat der Ewigkeit mit all seinem Balsamduft und Harfenklang scheint nahe, und hingerissen von seiner Herrlichkeit werden wir zu einem Eifer entzündet, der alles hinzugeben und dranzusetzen bereit ist. Aber ich wende mich an eure eigene Erfahrung, ob es nicht wahr ist, dass solchen Lichtblicken in die Verheißung nur zu schnell Zeiten der Prüfung und Versuchung folgen. Da sagt uns die höhnische Stimme des Unglaubens, dieses ideale Streben sei ja doch umsonst. Der kalte Strom der Gleichgültigkeit macht den glühenden Drang des Herzens erstarren. Wir sind dem Joseph gleich gefangen gelegt, allerdings nicht hinter Kerkermauern, aber gebunden mit den unsichtbaren Banden des Unglaubens; und es wird uns sehr schwer, ein klares, helles Bewusstsein von der Verheißung zu behalten, während wir versucht sind, die Hoffnungen unsrer Sehnsucht lediglich für eitle Träume zu halten. So geschieht es, dass die Verheißung den verborgenen Unglauben der Seele in Tätigkeit versetzt, was jede Verheißung unvermeidlich zu einer Versuchung macht.

Andrerseits lässt Gott die Verheißung zu einer Prüfung für uns werden, um seine erzieherischen Zwecke an uns zu erreichen. Es ist ein Gesetz unsrer Natur, dass der Glaube an Unsichtbares erst dann die tätige Form einer kraftvollen Anstrengung zu seiner Erlangung annimmt, wenn wir versucht werden, daran zu zweifeln. So trieb die große Idee von einem Land drüben über der Wasserwüste des Atlantischen Ozeans die Seele des Kolumbus lange um. Allein sie blieb eine traumhafte Vorstellung, bis Widerspruch und Spott ihn versuchten, sie als einen bloßen Traum zu betrachten; da wurde sie zur kühnen Heldentat, und das Land ward gefunden. So geht es mit allen genialen Männern. Sie eilen ihrer Zeit voran mit ihren Gedanken, die die Welt nicht verstehen kann, aber diese ihre Gedanken bleiben Träume, bis sie von Leiden und Spott auf die Probe gestellt werden; dann erwachen sie zu angestrengter Tat. Daher führt uns Gott in Umstände, in denen wir versucht sind, an seinen Verheißungen zu zweifeln, damit er durch die Läuterung den Glauben zur Kraft erziehe. Es gibt in jedem Leben eine Versuchungswüste, und gleich Christo werden wir oft hineingeführt unmittelbar nach der feierlichen Stunde, da wir die Worte vernehmen durften: "Du bist mein lieber Sohn!", aber wenn wir wieder herauskommen, so sind wir wie Jesus durch das lange, schweigende Ringen mit der Versuchung stark gemacht, den Willen unsres Vaters zu tun.

2) Gott lässt die Stunde der Befreiung schlagen: Bis dass sein Wort kam. Als Gott seine Erziehungsarbeit vollendet hatte, ging Joseph aus der Läuterung hervor, tüchtig für eine Aufgabe, Ägypten im Namen Gottes und zum Besten der Seinen zu regieren. Unsre Befreiung kommt nicht immer in derselben Weise. (Wir können der biblischen Geschichte vier große Methoden entnehmen, wie Gott Befreiung sendet. Bisweilen durch den Tod, wie bei Elia, dem Gott, als die Prüfung zu stark wurde (1. Könige 19,4), Befreiung durch den Feuerwagen (2. Könige 2,11) sandte. Bisweilen, indem er die Höhepunkte der Prüfung zu Höhepunkten des Segens macht. Die drei Jünglinge in Babylon hatten sich auf den schrecklichsten Todeskampf gefasst gemacht, als der Feuerofen zum Paradies wurde. Bisweilen durch einen liebenden Heilandsblick, wie bei Petrus. (Lk. 22,61 f.) Bisweilen, indem er die Prüfung andauern lässt, aber die Kraft vermehrt, sie zu ertragen. So bei Paulus 2. Kor. 12,9: das Leiden verlor nichts von seinem Druck; aber durch das göttliche Wort kam ihm die innere Befreiung.)

3) Gott schafft, dass die Prüfung, die uns aus der Verheißung erwächst, selbst die Erfüllung herbeiführt. So bei Joseph; so bei uns. Versuchungen. Leiden, Kämpfe sind Engel, die uns himmelwärts führen. Und wenn das herrliche Ende kommt, dann werden wir erkennen, dass all die langen kummervollen Anstrengungen, die uns wie Traumgebilde erscheinenden Verheißungen festzuhalten, das feste, entschlossene Nein auf die Versuchungen zum Unglauben, all die Hitze der Läuterung mehr als aufgewogen werden durch die ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit. Edward L. Hull 1867.

Ohne Zweifel wurden Josephs Brüder gedemütigt, aber Joseph doch noch mehr: weil er ein größeres Werk für Gott tun und höher erhoben werden sollte als sie und deshalb auch mehr Ballast bedurfte. Thomas Shepard † 1649.

Josephs Füße wurden in Eisen gezwungen, damit er geschickt werde, hernach desto vorsichtiger in dem Palast zu Zoan aufzutreten. Als dann des HERRN Stunde gekommen war, da steigt er auf denselben Stufen, die ihn in das Verließ hinabgeführt hatten, hinauf, um sich in Pharaos zweiten Wagen zu setzen. Nur wenige Menschen können großes, überraschendes Glück ertragen, ohne stolz und übermütig zu werden, es sei denn, dass sie zuvor durch Drangsale und Demütigungen geschult worden sind. Samuel Lee 1677.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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Erläuterungen und Kernworte


V. 22. Darin leuchten uns auch Strahlen der Weisheit Gottes entgegen, dass er selbst die Fürsten und die Alten Weisheit lernen ließ von einem, der ein Fremdling und ein Sklave war, obgleich die Ägypter sich stets zu rühmen pflegten, Ägypten sei das Heimatland der Weisheit. Corn. Jansen der Ältere † 1576.

V. 23. Ägypten, das Land Hams. Die Ägypter waren ein Zweig der hamitischen Rasse. Sie kamen von Asien durch die syrische Wüste, um sich im Niltal anzusiedeln. Das ist eine durch die Wissenschaft sicher festgestellte Tatsache, und es wird dadurch vollkommen bestätigt, was in der Genesis darüber gesagt ist. F. Lenormant und E. Chevalier 1869.

V. 28. Finsternis. Die Sonne war bei den Ägyptern ein Hauptgegenstand göttlicher Verehrung unter dem Namen Osiris. Der Name Pharao selbst bedeutet nach einigen "Des Landes Sonne" und verleiht dem König den Charakter eines Repräsentanten der Sonne und gibt ihm Anspruch auf göttliche Ehre. Jetzt aber ist sogar das Sonnenlicht verschwunden, und das Chaos der Urzeit scheint wiedergekommen zu sein. So kam durch die Plagen Schmach und Verwirrung über alle Formen des selbsterwählten Gottesdienstes der Ägypter. James G. Murphy 1866.

V. 29. Er verwandelte ihr Wasser in Blut. Der Nil beginnt gegen Ende Juni zu steigen und erreicht Ende September seinen höchsten Stand. Am Anfang des Steigens nimmt sein Wasser eine grünliche Farbe an, schmeckt widerlich, ist ungesund und oft zum Trinken ganz unbrauchbar. Doch wird es bald rot und trüb und bleibt so drei oder mehr Wochen lang. In diesem Zustand ist es wieder gesund und brauchbar. Das Wunder aber, das jetzt geschah, war ganz verschieden von dieser jährlich stattfindenden Veränderung. Denn 1) ereignete es sich nach der Winter-, nicht nach der Sommersonnenwende; 2) die Fische starben, was sonst auf die periodische Veränderung der Farbe nicht erfolgte; 3) der Fluss stank und sein Wasser wurde schädlich, was sonst ja gerade dann aufhörte, wenn die gewöhnliche Röte eintrat; 4) die Plage hörte nach sieben Tagen auf, während die natürliche Röte wenigstens drei Wochen anhält, und 5) die Veränderung trat augenblicklich, nachdem der Befehl ausgesprochen war, vor den Augen Pharaos ein. Es war ein entsetzlicher Schlag. Die süßen Wasser des von den Ägyptern göttlich verehrten Nils waren jetzt eine Flut faulender Materie, von der sie sich mit Ekel abwandten. James G. Murphy 1866.

V. 30. Ihr Land wimmelte Frösche heraus. Dies ist die nächste Naturerscheinung, die bei dem roten Nil vorzugehen pflegt; und auch ihrer bediente sich der HERR, der auch der Gott der Natur ist, um seine Macht vor Pharao und Ägypten zur Geltung zu bringen. Der Nil, seine Arme und die großen Bewässerungskanäle sind alle voll bis zum Rand, und die überreichlich vorhandene Feuchtigkeit erweckt die Frösche des Nils aus ihrem Sommerschlaf zu Leben und Tätigkeit, und zwar in Mengen, die dem, der nie in heißen Ländern gewesen, unvorstellbar sind. Die Belästigung, die man schon in gewöhnlichen Jahren Tag und Nacht von diesen ekelhaften Geschöpfen erfährt, lässt uns einigermaßen ahnen, was für eine Plage das gewesen sein muss, und macht es ganz erklärlich, dass schon im Anfang der Mythenbildung des alten Ägyptens die Göttin Heki, die Froschvertreiberin, geschaffen wurde. William Osburn 1856.

V. 34. Heuschrecken und Käfer. Gott brachte nicht zweimal dieselbe Plage, sondern wenn zu einer weiteren Veranlassung war, so kam wieder eine neue; denn er hat viele Pfeile in seinem Köcher. Matthew Henry † 1714.

Ohne Zahl. Ein Heuschreckenschwarm, der in Indien im Jahre 1825 beobachtet wurde, hatte eine Ausdehnung von 40 englischen Quadratmeilen, zählte in einer Linie wenigstens vierzig Millionen Heuschrecken und warf einen weithin sich erstreckenden Schatten auf die Erde. Ebenso beschreibt auch Major Moore ein ungeheures Heer dieser Tiere, das ganz Mahratta verheerte: "Die Kolonne, die sie bildeten, war fünfhundert Meilen lang und, wenn sie im Flug war, so dicht zusammengedrängt, dass die Sonne verhüllt wurde wie bei einer Sonnenfinsternis, so dass kein Gegenstand einen Schatten warf." Brown gibt in seinen afrikanischen Reisen an, dass eine Fläche von nahezu 2000 Quadratmeilen buchstäblich davon bedeckt gewesen sei, und Kirby und Spence berichten von einem Heuschreckenschwarm, der vier Stunden gebraucht habe, um über den Platz wegzufliegen, auf dem der Beobachter stand. M. Kalisch 1858.

V. 36. Und schlug alle Erstgeburt in Ägypten. Hast du soeben den Schrei gehört? Es ist gerade Mitternacht, und etwas Schreckliches muss in der ägyptischen Wohnung da geschehen sein, denn welch ein entsetzlicher Laut war das! Und horch, wieder ein solcher Aufschrei, und nun hallt es von allen Seiten, Türen fliegen auf, rasende Frauen stürzen auf die Straßen, und indem sie die Häuser der Priester und Ärzte umlagern, schütteln sie nur noch in sprachlosem Schmerz die Häupter und deuten auf die Angesichter ihrer Erstgeborenen, auf die bereits der Tod sein Siegel gedrückt hat. Lichter blitzen an den Toren des Palastes auf und huschen durch die königlichen Gemächer, und wie des Königs Boten durch die Stadt jagen, um die beiden ehrwürdigen hebräischen Brüder in ihrer Wohnung zu suchen, fliegt’s im Flüsterton von Mund zu Mund: "Der Kronprinz ist tot!" Auf, ihr Söhne Jakobs! Hinaus aus dem Diensthause, ihr unterdrückten und vergewaltigten Israeliten! Und in dem Eifer, dieses furchtbare, weil vom Himmel beschirmte Geschlecht wegzutreiben, ladet man ihnen Gold und Juwelen auf und beschenkt sie also noch dafür, dass sie nur gehen! James Hamilton † 1867.

V. 37. Und war kein Gebrechlicher unter ihren Stämmen, als sie auszogen. Vorher gab es solche unter ihnen. So soll auch unter den Heiligen kein Schwacher mehr sein, wenn sie gen Himmel ziehen. John Sheffield 1654.

So falsch ist die Darstellung, die die Feinde der Juden in späteren Zeiten von der Sache gaben, dass sie nämlich alle am Aussatz oder sonst einer ekelhaften Seuche krank gewesen und darum von den Ägyptern aus dem Lande gejagt worden seien. Matthew Henry † 1714.

V. 39. In dem Heere Alexanders des Großen wurde auf dem Marsch ein großer Feuerbrand auf einer Stange vorangetragen als Signal des Hauptquartiers, so dass man bei Nacht das Feuer und bei Tag den Rauch sah. Und man findet das bei den Karawanen Arabiens noch im Gebrauch. Es ist sehr wahrscheinlich, dass man in diesem Lande, wo es so wenig Veränderung gibt, schon in der Zeit des Auszugs diese Gewohnheit hatte. Umso verständlicher musste dem Volke die Bildsprache der Feuersäule sein, dass Jehovah der rechte Heerführer Israels sei und der Himmel das Generalszelt, von dem der Marschbefehl ausgehe. James Millard Neale 1871.


Homiletische Winke



V. 1.
1) Danket dem HERRN für seine bisherigen Gnadentaten. 2) Rufet ihn an um fernere Gnadentaten. 3) Verkündiget auch den Menschen seine ruhmwürdigen Gnadentaten.
V. 1-5.
Ein Kranz heiliger Andachtsübungen: danket - rufet seinen Namen an - verkündiget - singet und spielet - redet - rühmet - freuet euch - suchet - gedenket.
V. 2.
1) Das Vergnügen, zu Gott zu reden: singet ihm, lobet ihn, vergl. Eph. 5,19. 2) Die Pflicht, von Gott zu reden. George Rogers 1878.
V. 3b.
Suchende Seelen sollen sich freuen, dass es einen solchen Gott zu suchen gibt, dass er uns einladet, ihn zu suchen, dass er selbst uns dazu bewegt und befähigt, und verheißt, sich von uns finden zu lassen. Suchende sind zum Verzagen geneigt; aber sie haben der Gründe viel, getrost zu werden.
V. 4.
Ein dreifaches Suchen. Lasst uns suchen 1) den HERRN, um begnadigt zu werden, 2) seine Stärke, um ihm dienen zu können, 3) sein Angesicht, um immer fröhlich zu sein. A. G. Brown 1878.
V. 4b.
Das Antlitz des HERRN zu suchen, die beständige Beschäftigung des Gläubigen.
V. 5.
Wir sollen allezeit im Herzen behalten und bewegen: 1) was Gott getan, 2) was er gesagt hat.
V. 5.8.
Unser Gedächtnis und Gottes Gedächtnis: gedenket - er gedenkt.
V. 7.
Gottes Walten über seinen Auserwählten und über aller Welt.
V. 12.
Trost für die Wenigen. Beide, das vorbildliche und das geistliche Israel, sind zuerst nur wenige. Die Wenigen in der Arche bevölkerten die Welt. Wie manche kleine Vereinigung hat Wunder vollbracht. Christi Gegenwart ist selbst zweien oder dreien verheißen. Gott kommt’s nicht darauf an, durch viel oder wenig zu helfen, usw.
V. 14.15.
Zu diesen Versen findet sich in den Werken Th. Goodwins († 1679) eine treffliche Predigt mit der Überschrift "Der wahre Vorteil Englands", worin er eine gedrängte Übersicht über die Weltgeschichte gibt, um zu zeigen, dass die Nationen, welche Gottes Volk bedrückt und verfolgt haben, unterschiedslos zerschmettert worden sind.
V. 15.
Inwiefern Abraham ein Prophet war, und inwiefern die Gläubigen es sind.
V. 16.
1) Alles kommt auf Gottes Ruf. Er rief dem Überfluss, und er kam; dem Hunger, und er kam; der Gefangenschaft, und sie kam; der Befreiung, und sie kam. 2) Diejenigen Mittel, welche zur Erreichung der göttlichen Ziele mit den Menschen scheinbar die ungeeignetsten sind, sind für Gott oft der geradeste Weg. Er erfüllte dem Samen Abrahams seine Verheißung, ihm Kanaan zu geben, indem er ihn daraus verbannte; die Verheißung, ihn zu erhalten, indem er eine Hungersnot sandte; die Verheißung der Freiheit, indem er Joseph ins Gefängnis, Israel in die Knechtschaft führte. George Rogers 1878.
V. 19.
Die lange Dauer unserer Anfechtungen, die versuchende Kraft der Verheißung und der herrliche Ausgang, der uns zugesichert ist.
Läuterung durchs Wort. Botschaft des Heils II, 273 (Bapt. Verlagshaus, Kassel), C. H. Spurgeon.
V. 24.
Gedeihen des Volkes Gottes ist 1) wünschenswert: Wachstum an Zahl und an Kraft; 2) erreichbar auch unter Verfolgung und Widerstand; 3) göttlich nach seiner Ursache: er ließ sein Volk sehr wachsen; 4) ein befriedigendes Zeugnis, denn das alles trifft nur bei dem Volke Gottes zu.
V. 24b.
In welchen Stücken kann die Gnade die Gläubigen mächtiger machen als ihre Widersacher?
V. 25.
1) Der Hass der Welt gegen die Gemeinde Gottes. 2) Gott lässt es zu, dass dieser Hass sich kundtut. 3) Die List, mit welcher dieser Hass seinen Zweck zu erreichen sucht.
V. 32.
"Er gab ihnen Hagel zum Regen." Gericht an Stelle der Güte.
V. 37a.
Der Reichtum, mit welchem beladen das Volk Gottes auf der Trübsal hervorgeht.
V. 37b.
Und war kein Gebrechlicher unter ihren Stämmen. Dieser begehrenswerte Zustand der Vollkommenheit war unmittelbare Wirkung der göttlichen Heilsgegenwart. Die Umstände, aus denen Israel so unversehrt hervorging, waren harte Arbeit und Verfolgung. Diese Gesundheit befähigte sie, vollzählig Ägypten zu verlassen, die weite Wanderschaft zu unternehmen, Lasten zu tragen, die Feinde zu bekämpfen usw.
V. 39.
1) Die dunkle Wolke der göttlichen Ratschlüsse führt Gottes Volk bei Tag, 2) die lichte Wolke der göttlichen Verheißungen bei Nacht. George Rogers 1878.
V. 39b.
Licht in der Nacht - ein treffliches Thema.
V. 41.
1) Der Fels ein Vorbild der Person Christi: Dieser a) ebenso unscheinbar (Jes. 53,2); b) ebenso fest und unbeweglich (2. Samuel 22,32). 2) Der geschlagene Fels ein Vorbild der Leiden Christi: a) geschlagen von der Rute des Gesetzes, b) getroffen bis ins Herz. 3) Das Wasser, das aus dem Felsen floss, ein Vorbild der Wohltaten Christi, die wie jenes rein, erquickend, unversiegbar und in reicher Fülle strömen. James Bennett 1828.
1) Die herrliche Quelle: Der geöffnete Fels. 2) Der voll fließende Strom: "Da flossen Wasser aus." 3) Die weithin sich ergießende Flut: "in der dürren Wüste."
V. 42.
1) Wie der HERR seiner Verheißung gedenkt. 2) Wie der HERR unserer Person gedenkt. 3) Wie der HERR, auf dies zwiefache Gedenken hin, Wunder wirkt.
V. 45.
Gehorsam gegen Gott der Zweck seiner Gute gegen uns.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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PSALM 106 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Allgemeine Bemerkungen. Dieser Psalm beginnt und endet mit Hallelujah, Preiset den HERRN! Was zwischen diesen beiden Ausdrücken des Lobpreises steht, ist nichts anderes als eine Schilderung der jammervollen Sündenfälle Israels und der außerordentlichen Langmut Gottes; und sicherlich ist es angemessen, den HERRN sowohl am Anfang wie am Schluss unserer Betrachtungen zu preisen, wenn sie Sünde und Gnade zum Gegenstand haben. Dieses heilige Lied beschäftigt sich mit dem geschichtlichen Teil des Alten Testaments, und es gibt ihrer noch viele mit derartigem Inhalt. Das sollte eine genügende Zurechtweisung sein für diejenigen, welche von den geschichtlichen Büchern verächtlich reden; es steht einem Kinde Gottes übel an, gering zu denken von dem, was die Heilige Schrift so häufig zu unserer Belehrung benützt. Welche anderen Schriften hatte denn David außer eben jenen Geschichtsbüchern, die so abschätzig behandelt werden? Und doch schätzte er sie höher als sein täglich Brot und entnahm ihnen den Stoff zu seinen Liedern in dem Hause seiner Wallfahrt.
Die Geschichte Israels wird hier beschrieben mit dem Zweck, die menschliche Sünde zu zeigen, gerade wie der vorhergehende Psalm auf die Verherrlichung der göttlichen Güte abzielte. Der Psalm ist tatsächlich eine nationale Beichte und enthält ein Geständnis der Übertretungen Israels in Ägypten, in der Wüste und in Kanaan, nebst inbrünstiger Bitte um Vergebung, so dass sich der Psalm zum Gebrauch in allen folgenden Geschlechtern eignete, besonders in Zeiten nationaler Knechtschaft. Er wurde wahrscheinlich von David geschrieben - jedenfalls finden sich sein erster und die letzten zwei Verse in jenem heiligen Lied, das David dem Asaph bei der Überführung der Bundeslade übergab. (1. Chr. 16,34-36.)
Während wir diesen heiligen Psalm betrachten, lasst uns in dem alten Volke Gottes stets uns selbst erblicken und unsere eigenen Sünden beklagen, durch die auch wir den Allerhöchsten herausgefordert haben; zugleich aber lasst uns auch seine unendliche Geduld bewundern und ihm Anbetung dafür darbringen. Möge der Heilige Geist diese Beschäftigung weihen zu unsrer Förderung in der Demut und Dankbarkeit!

Einteilung

Lob und Bitte sind in der Einleitung verbunden (V. 1-5). Dann kommt die Geschichte von der Sünde des Volks. Diese Schilderung erstreckt sich bis zu den bittenden und preisenden Schlussworten der letzten zwei Verse. In dem Sündenbekenntnis erwähnt der Psalmist die in Ägypten und am Roten Meer begangenen Sünden (V. 6-12), die Lüsternheit des Volks in der Wüste (V. 13-15), die Empörung gegen Mose und Aaron (V. 16-18), die Verehrung des Goldenen Kalbes (V. 19-23), die Verachtung des Gelobten Landes V. 24-27), die Versündigung mit dem Baal-Peor (V. 28-31) und die Geschichte vom Haderwasser (V. 32-33). Dann bekennt er Israels Verfehlungen seit der Ansiedlung in Kanaan und erwähnt die darauf folgenden Strafen (V. 34-43) zugleich mit Gottes Erbarmen, das alsbald ihnen Rettung verschaffte, wenn sie gedemütigt waren (V. 44-46). Die Vers 47.48 bringen als Schluss noch Gebet und Lobpreisung.

Auslegung



1.
Hallelujah!
Danket dem HERRN; denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.
2.
Wer kann die großen Taten des HERRN ausreden
und alle seine löblichen Werke preisen?
3.
Wohl denen, die das Gebot halten
und tun immerdar recht.
4.
HERR, gedenke mein nach der Gnade, die du deinem Volk verheißen hast;
beweise uns deine Hilfe,
5.
dass wir sehen mögen die Wohlfahrt deiner Auserwählten
und uns freuen, dass es deinem Volk wohlgeht,
und uns rühmen mit deinem Erbteil.




1. Hallelujah, d. h.: preiset Jehovah! Dieses Lied ist für das versammelte Volk bestimmt, und alle werden aufgefordert, sich im Lob Jehovahs zu vereinigen. Es ziemt sich nicht, dass nur etliche wenige des HERRN Preis singen und die Übrigen schweigen, sondern alle sollten zusammenwirken. Wenn David in einer Kirche wäre, wo Quartette und Chöre das ganze Singen besorgen, so würde er sich sicherlich zu der Gemeinde wenden und sagen.: Preiset ihr den HERRN! Die vorliegende Betrachtung handelt zwar von der menschlichen Sünde; aber bei allen Gelegenheiten und Beschäftigungen ist es zeitgemäß und nutzbringend, den HERRN zu preisen.
Danket dem HERRN, denn er ist freundlich. Für uns bedürftige Geschöpfe ist die erste Eigenschaft Gottes, die uns zum Preise stimmt, seine Güte; darum nimmt unser Lobpreis die Form des Dankes an. Dann kommt der Preis des HERRN von Herzen, wenn man ihm Dank sagt für das, was man von seiner Güte empfangen hat. Lasst uns nie säumig sein, dem HERRN den schuldigen Lobpreis zu erstatten. Ihm zu danken ist das Geringste, was wir tun können; so wollen wir das wenigstens nicht vernachlässigen. Und seine Güte (oder Gnade) währet ewiglich. Güte gegen Sünder ist Gnade; darum sollte das Lob der Gnade stets in allen unseren Gesängen hell durchklingen. Da der Mensch nie aufhört, in sich selbst sündig zu sein, ist es ein großer Segen, dass Jehovah nie aufhört, gnädig zu sein. Ein Menschenalter um das andere trägt der HERR seine Gemeinde mit Huld und Langmut, und gegen jedes einzelne Glied derselben ist er in seiner Gnade beständig und zuverlässig immer und ewiglich. Auf engem Raum haben wir hier zwei Beweggründe zum Preise Gottes: "Denn er ist freundlich; denn seine Güte währet ewiglich;" und diese beiden Sätze sind in sich selbst Lobpreisungen. Die beste Sprache der Anbetung ist diejenige, welche in schlichten, klaren Worten einfach die Wahrheit über unseren herrlichen Herrn ausspricht. Es bedarf da keines Blumenschmuckes menschlicher Redekunst oder dichterischen Überschwangs; die nackten Tatsachen sind erhabene Poesie, und sie mit Ehrfurcht zu erzählen, ist schon dem Wesen nach Anbetung. Dieser erste Vers ist der Text zu allem Folgenden; wir sollen nun sehen, wie Gottes Gnade gegen sein erwähltes Volk von Geschlecht zu Geschlecht währte.

2. Wer kann die großen Taten des HERRN ausreden? Welche Menschen- oder Engelszunge vermöchte die erhabenen Erweisungen der Macht Gottes würdig zu schildern? Sie sind unbeschreiblich. Selbst die Augenzeugen konnten sie nicht vollkommen erzählen. Und wer all seinen Ruhm verkündigen? (Wörtl.) Seine Taten erzählen ist dasselbe wie sein Lob kundtun; denn seine eigenen Werke sind seine beste Empfehlung. Wir können nicht ein Zehntel soviel zu seinem Ruhm sagen wie seine eigene Vollkommenheit und seine Taten bereits selber predigen. Die den HERRN preisen, haben einen unbegrenzten Gegenstand, der auch von den umfassendsten Geistern in alle Ewigkeit nicht erschöpft werden wird, ja auch nicht durch die ganze Menge der Erlösten, die doch kein Mensch zählen kann. Auf die Fragen dieses Verses kann niemals eine Antwort erfolgen, die Herausforderung von niemand angenommen werden, es sei denn in dem bescheidenen Maße, das ein heiliges Leben und ein dankbares Herz erreichen kann.

3. Da der HERR so gütig ist und so wert, gepriesen zu werden, so muss es uns eine Wonne sein, ihm zu gehorchen. Wohl denen, die das Recht halten, dem, der immerdar Gerechtigkeit übt. (Grundtext) Mannigfach sind die Segnungen, welche auf die ganze Gemeinschaft derer herabkommen, die den Weg der Gerechtigkeit einhalten, und besonders auf den so seltenen Einzelnen, der immer in allen Stücken dem folgt, was recht ist. Heiligkeit ist Seligkeit. Der Weg der Gerechtigkeit ist der Weg des Friedens. Dennoch verlassen ihn die Menschen und ziehen die Pfade des Seelenmörders vor. Darum steht die nun folgende Geschichte in traurigem Gegensatz zu dem hier geschilderten Glück, weil Israels Weg nicht der des Rechts und der Gerechtigkeit, sondern der Torheit und Ungerechtigkeit war. Während der Psalmist die Vollkommenheiten Gottes betrachtete, wurde er von dem Eindruck erfüllt, dass die Diener eines solchen Wesens glücklich sein müssten; und wenn er dann Umschau hielt und sah, wie es den zwölf Stämmen in alter Zeit wohlergangen war, wenn sie gehorcht hatten, und Not über sie gekommen war, wenn sie gesündigt hatten, wurde er noch völliger von der Wahrheit seines Schlusses überzeugt. O könnten wir doch nur der Sünde los sein, so wären wir auch alles Kummers ledig! Wir wären nicht nur gerecht, sondern würden auch auf Recht halten; wir wären dann nicht damit zufrieden, gelegentlich recht zu handeln, sondern würden zu jeder Zeit Gerechtigkeit üben.

4. HERR, gedenke mein nach der Gnade, die du deinem Volk verheißen hast (wörtl.: mit dem Wohlwollen gegen dein Volk). So unbedeutend ich bin, vergiss doch mein nicht! Denke huldvoll an mich, wie du deiner Auserwählten gedenkst. Mehr kann ich nicht bitten, doch möchte ich auch nicht weniger begehren. Geh mit mir um wie mit dem Geringsten deiner Heiligen, so bin ich’s zufrieden. Es sollte uns genügen, wenn es uns geht wie den übrigen Kindern Gottes. Wenn ein Bileam nicht mehr wünschte, als des Todes der Gerechten zu sterben, so mögen wir wohl zufrieden sein, wenn es uns im Leben und Sterben geht wie ihnen. Bei solcher Gesinnung verginge uns der Wunsch, von Versuchung, Verfolgung und Züchtigung verschont zu bleiben. Sie sind nun einmal das Los der Heiligen; warum sollten sie uns erspart werden?

Soll ich auf duft’gem Rosenpfühl
Zum Himmel schweben auf,
Indes durch Blut und Kampfgewühl
Die andern führt ihr Lauf?

Wir bitten mit den Worten unseres Psalms zugleich um das Süße wie um das Bittere, das sie haben. Ruhte des HERRN Gnadenblick auf ihnen, so können auch wir uns nicht ohne sein freundliches Lächeln beruhigen. Wir möchten weilen, wo sie weilen, uns freuen, wie sie sich freuen, Leid tragen, wie sie Leid tragen, und in allen Dingen für immer eins mit ihnen sein, umschlossen von des HERRN Gnade. Die Worte sind ein liebliches Gebet, ebenso demütig und untertänig wie voll hohen und umfassenden Begehrens; die Bitte passt gleichermaßen für einen sterbenden Schächer und einen lebenden Apostel; lasst uns sie jetzt zu der unsrigen machen. Besuche uns (Grundtext: mich) mit deinem Heil (Luther 1524). Bringe es mir in mein Heim. Kehre bei mir ein in Herz und Haus und gib mir das Heil, das du bereitet hast und allein geben kannst. Wir hören manchmal davon, dass jemand stirbt durch eine Heimsuchung Gottes; aber hier ist einer, der weiß, dass er nur durch die Einkehr Gottes bei ihm leben kann. Jesus sagte von Zachäus: "Heute ist diesem Hause Heil widerfahren", und dies war so, weil er selbst da eingekehrt war. Es gibt kein Heil, das losgelöst vom HERRN bestehen könnte; er muss selbst damit zu uns kommen, sonst erlangen wir es nie. Wir sind zu krank, zu unsrem großen Arzt zu gehen; darum kommt er zu uns. O dass unser großer Bischof eine allgemeine Kirchenvisitation hielte und seiner ganzen Herde seinen Segen spendete. Bisweilen scheint die zweite Bitte dieses Verses uns zu groß; wir fühlen uns nicht wert, dass der HERR unter unser Dach eingehe. Du mich besuchen, HERR? Kann das sein? Darf ich darum bitten? Und dennoch, ich muss die Bitte wagen, denn du allein kannst mir Heil bringen; darum, HERR, flehe ich dich an, komm zu mir und bleibe bei mir immerdar!


5. Dass ich (Grundtext) sehen möge die Wohlfahrt deiner Auserwählten. Sein Verlangen nach Erweisung der göttlichen Huld wurde durch die Hoffnung bestärkt, dass er dann an all dem Guten werde teilnehmen dürfen, das dem Volke Gottes dank seiner Erwählung zufließt. Der Vater hat uns gesegnet mit allerlei geistlichem Segen durch Jesum Christum, da er uns in ihm erwählt hat; und dieser kostbaren Segnungen wünschen wir teilhaftig zu werden durch den heilbringenden Besuch des HERRN. Wir begehren kein anderes Glück zu sehen, zu genießen und zu ergreifen als dasjenige, welches den besonderen Schatz der Heiligen ausmacht. Und mich freuen an der Freude deines Volkes. (Wörtl.) Nachdem der Psalmist um sein Teil an den Gütern der Auserwählten nachgesucht hat, erbittet er sich nun auch Anteil an ihrer Freude: denn von allen Völkern unter dem Himmel sind die Kinder Gottes das glücklichste. Und mich rühmen mit deinem Erbteil. Er wollte Anteil haben an ihrer Ehre ebenso wie an ihrer Freude. Er war entschlossen, seine Ehre da zu finden, wo die Heiligen sie finden. Dem HERRN zu dienen und um seinetwillen Schmach zu tragen ist die Herrlichkeit der Heiligen hienieden -: HERR, gönne mir die Freude, hiervon mein Teil zu bekommen! Bei Gott droben zu sein, selig für immer in Jesu Christo, ist die Herrlichkeit der Heiligen droben: o HERR, lass es dir gefallen, auch dort mir einen Platz zuzuteilen!
Obgleich diese einleitenden Worte des Dankes und der Bitte am Anfange des Psalms stehen, sind sie doch zweifellos das Ergebnis der ihnen folgenden Betrachtungen und können nicht nur als die Vorrede, sondern auch als die Schlussfolgerung des ganzen heiligen Liedes angesehen werden.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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6.
Wir haben gesündigt samt unseren Vätern,
wir haben missgehandelt und sind gottlos gewesen.
7.
Unsre Väter in Ägypten wollten deine Wunder nicht verstehen;
sie gedachten nicht an deine große Güte
und waren ungehorsam am Meer, am Schilfmeere.
8.
Er half ihnen aber um seines Namens willen,
dass er seine Macht beweise.
9.
Und er schalt das Schilfmeer, da ward’s trocken;
und führte sie durch die Tiefen wie in einer Wüste
10.
und half ihnen von der Hand des, der sie hasste,
und erlöste sie von der Hand des Feindes;
11.
und die Wasser ersäuften ihre Widersacher,
dass nicht einer übrig blieb.
12.
Da glaubten sie an seine Worte
und sangen sein Lob.




6. Wir haben gesündigt samt unseren Vätern. Hier beginnt eine lange, ins Einzelne gehende Beichte. Die Sünde zu bekennen ist der geradeste Weg, eine Antwort aus die am Schlusse von V. 4 ausgesprochene Bitte zu erlangen: Gott sucht mit seinem Heil die Seele heim, die anerkennt, eines Heilands zu bedürfen. Dass sie in Gemeinschaft mit ihren Vätern sündigen, kann man von solchen Menschen sagen, die ihren Vätern im Bösen nachahmen, dieselben Ziele verfolgen und ihr ganzes Leben zu einer bloßen Fortsetzung der Torheiten ihrer Vorfahren gestalten. Auch war Israel in der Tat als Volk die ganze Zeit eine Einheit, und die nun beginnende Beichte spricht weniger von der Sünde der Einzelnen als von der Sünde des Volkes in seiner Gesamtheit. Die Einzelnen erfreuten sich nationaler Vorrechte als Glieder des Volkes der Wahl, darum hatten sie auch mitzutragen an der nationalen Schuld. Wir haben missgehandelt und sind gottlos gewesen. So wird das Bekenntnis dreimal wiederholt, ein Zeichen, dass es aufrichtig war und von Herzen kam. Unsere Sünden der Unterlassung, der Schwachheit und des offenen Widerstrebens sollten wir in unserem Bekenntnis deutlich unterscheiden, um eine gebührende Empfindung von der Menge und der Abscheulichkeit unserer Missetaten an den Tag zu legen.

7. Unsre Väter in Ägypten wollten deine Wunder nicht verstehen. Die Israeliten sahen die wunderbaren Plagen, aber sie staunten sie an als Leute, die nichts davon begriffen. Die Liebesabsichten dieser Wunder, die tiefen sittlichen und geistlichen Lehren und die Offenbarungen göttlicher Macht und Gerechtigkeit, die darin lagen, konnten sie nicht erfassen. Der lange Aufenthalt unter Götzendienern hatte den Geistesblick des auserwählten Geschlechts getrübt und die unbarmherzige Sklaverei es heruntergebracht zu geistiger Trägheit und Stumpfheit. Ach, wie viele Wunder Gottes werden auch von uns nicht wahrgenommen oder falsch verstanden! Wir fürchten, die Söhne haben es darin nicht viel weiter gebracht als die Väter. Wir erben von unseren Vätern viel Sünde und wenig Weisheit; sie konnten uns nur hinterlassen, was sie selbst besaßen. Wir ersehen aus unserem Vers, dass der Mangel an Verständnis keine Entschuldigung für die Sünde ist; er bildete vielmehr selbst einen Posten in Israels Schuldliste. Sie gedachten nicht an deine große Güte oder der Fülle deiner Gnaden. Sünden des Verständnisses führen zu Sünden des Gedächtnisses. Was man nicht begriffen hat, vergisst man bald. Hülsen aufzubewahren gibt sich niemand Mühe; weiß man nichts von dem Kern, der darin steckt, so achtet man der Schalen nicht. Israels Sünde war umso schwerer, als der Gnadenerweisungen Gottes eine solche Fülle war und sie sie dennoch vergessen konnten. Es hätten doch einige aus dieser Menge von Wohltaten ihrem Herzen unvergesslich eingeprägt sein sollen; aber wenn die Gnade uns nicht das rechte Verständnis gibt, wird die Natur bald das Andenken an Gottes große Güte auslöschen. Und waren widerspenstig am Meer, am Schilfmeere. Schon gleich am Beginn des Laufs auszubrechen ist ein schlechtes Zeichen für einen Renner. Wer nicht einmal einen guten Anfang macht, von dem kann man schwerlich erwarten, dass er zum guten Ende kommen werde. Noch ist Israel nicht ganz aus Ägypten, da fängt es schon an, Gott zu erzürnen, indem es an seiner Macht es zu befreien und an der treuen Erfüllung seiner Verheißung zweifelt. Das Meer hieß nur rot, aber ihre Sünden waren wirklich scharlachrot.

8. Er half ihnen aber um seines Namens willen, dass er seine Macht kundtäte. Konnte er sonst keinen Grund finden für seine Gnadentaten, so fand er ihn in seiner eigenen Verherrlichung und nahm die Gelegenheit wahr, seine Macht zu entfalten. Verdient Israel es nicht, errettet zu werden, so muss doch Pharaos Stolz zerschmettert werden; darum soll Israel Befreiung erfahren. Der HERR wacht eifrig über seines Namens Ehre. Man soll nie von ihm sagen, dass er sein Volk nicht erretten könne oder wolle, oder dass er den Übermut seiner trotzigen Feinde nicht zu Boden zu schlagen vermöge. Diese Rücksicht auf seine eigene Ehre führt ihn je und je zu Taten der Gnade; darum können wir froh sein, dass er ein eifriger Gott ist.

9. Und er schalt das Schilfmeer, da ward’s trocken. Ein Wörtlein tat’s. Das Meer hörte seine Stimme und gehorchte. Wie oft schilt Gottes Wort uns umsonst! Sind wir nicht unlenksamer als der Ozean? Gott fuhr gleichsam das Meer an: "Was sperrst du meinem Volke den Weg? Ihr Pfad nach Kanaan führt quer durch dein Bett, wie darfst du sie aufhalten?" Das Meer erkannte seinen Herrscher und den königlichen Samen und gab alsbald den Weg frei. Und führte sie durch die Tiefen wie in einer Wüste. Als wandelte es auf den Angern der Wüste, so zog das Volk über den Grund des Meeres, und ihr Zug war nicht verwegen - hieß Er sie doch gehen, noch gefährlich - Er führte sie ja. Auch wir sind unter Gottes Schutz schon durch viel Anfechtungen und Trübsale gegangen und haben dabei, weil wir den HERRN zu unserem Führer hatten, weder Furcht empfunden noch Gefahren erlebt. Wir sind durch die Fluten geführt worden als auf trockenem Land.

10. Und half ihnen von der Hand des, der sie hasste. Pharao lag auf dem Meeresgrund, und Ägyptens Macht war so lahmgelegt, dass Israel durch all die vierzig Jahre seiner Wanderung nie wieder von seinen alten Zwingherren bedroht wurde. Und erlöste sie von der Hand des Feindes. Das war eine Erlösung mit starkem Arm, eines der lehrreichsten Vorbilder auf die Erlösung des Volkes des HERRN von Sünde und Hölle durch die Kraft, die da in uns wirkt.

11. Und die Wasser ersäuften (wörtl. bedeckten) ihre Widersacher, dass nicht einer übrig blieb. Der HERR tut nichts halb. Was er anfängt, führt er durch. Doch machte dies auch Israels Sünde desto größer; sahen sie doch, wie gründlich Gott richtet und wie vollkommen seine Treue ist. Dass das Wasser die Feinde bedeckte, ist ein Vorbild der Vergebung unserer Sünden; sie sind wie ins Meer versenkt, um nie wieder emporzutauchen; und, gelobt sei Gott, es ist nicht eine übrig geblieben, nicht eine einzige Sünde, ob in Gedanken, Worten oder Werken begangen, Jesu Blut hat sie alle bedeckt! Es ist erfüllt, was Micha (7,19) prophezeit hat: Er wird alle unsere Sünden in die Tiefen des Meers werfen.

12. Da glaubten sie an seine Worte; das heißt also: sie glaubten die Verheißung, als sie sie erfüllt sahen, eher nicht. Diese Bemerkung dient nicht zu ihrem Lob, sondern zu ihrer Schande. Leute, die Gottes Wort nicht glauben, bis sie es erfüllt sehen, zählen überhaupt nicht zu den Gläubigen. Wer sollte wohl nicht glauben, wenn die Tatsache ihm ins Angesicht starrt? Das hätten die Ägypter ebenso getan. Und sangen sein Lob. Wie konnten sie auch anders? Ihr Lied war überaus herrlich und ist ein Vorbild des himmlischen Lobgesanges (Off. 15,3); aber so lieblich dieser Gesang war, so kurz war er auch, und als er zu Ende war, begannen sie zu murren. Vom Singen zum Sündigen war es bei Israel kaum ein Schritt. Ihr Singen war gut, solange es währte, aber kaum begonnen war es schon wieder aus.




13.
Aber sie vergaßen bald seiner Werke,
sie warteten nicht seines Rats.
14.
Und sie wurden lüstern in der Wüste
und versuchten Gott in der Einöde.
15.
Er aber gab ihnen ihre Bitte
und sandte ihnen genug, bis ihnen davor ekelte.




13. Aber sie vergaßen bald seiner Werke. Es war ihnen allem Anschein nach darum zu tun, die Gnadentaten des HERRN so schnell wie nur möglich aus dem Gedächtnis zu bekommen; sie beeilten sich, undankbar zu sein. Sie warteten nicht seines Rats. Weder sein Befehlswort noch sein verheißendes Wort warteten sie ab, da sie darauf erpicht waren, ihren eigenen Weg zu gehen und sich selber zu vertrauen. Das ist noch heute ein allgemeiner Fehler bei dem Volk des HERRN; wir lernen es nur sehr langsam, auf des HERRN Wink zu warten und seiner Hilfe zu harren. Bei ihm ist beides, Rat und Stärke; wir aber sind eitel genug, sie bei uns selbst zu suchen. Darum machen wir so böse Irrwege.

14. Und sie wurden lüstern in der Wüste. Auf Gottes Willen wollten sie nicht warten; dagegen brennen sie nun vor Begierde, ihren eigenen Willen zu bekommen. Als sie die zuträglichste und wohlschmeckendste Speise in Fülle hatten, mundete diese ihnen doch nicht lange, sondern sie wurden naschhaft, rümpften verächtlich die Nase über das Engelbrot und mussten durchaus Fleisch haben, das doch in dem heißen Klima und bei ihrem bequemen Leben ungesunde Kost war. Diese Begier hegten sie, bis sie bei ihnen zur Sucht wurde und sie fortriss wie ein wildes Ross seinen Reiter. Für ein Fleischgericht waren sie bereit, ihrem Gott Valet zu sagen und das Land daranzugeben, das von Milch und Honig floss. Welch ein Wunder, dass Gott sie nicht beim Wort nahm! Jedenfalls musste es ihn im höchsten Grad reizen: und sie versuchten Gott in der Einöde. An dem Ort, wo sie vollständig von ihrem Gott abhingen und jeden Tag durch seine unmittelbare Fürsorge ernährt wurden, hatten sie die Vermessenheit ihn herauszufordern. Er sollte die Pläne seiner Weisheit ändern, ihre sinnlichen Gelüste gewähren und Wunder wirken, um ihrem gottlosen Unglauben entgegenzukommen. Der Ewige gibt freilich uns zu Gefallen seine Heiligkeit nicht preis; aber sie gingen so weit wie möglich, um ihn dahin zu bringen. Ihr gottloses Unterfangen schlug fehl nicht wegen irgendetwas Gutem auf ihrer Seite, sondern weil Gott nicht kann versucht werden; Versuchung hat über ihn keine Macht, er weicht weder den Drohungen noch den Versprechungen der Menschen.

15. Da gab er ihnen ihr Begehren. Gott kann eine Bitte im Zorn gewähren und aus Liebe abschlagen. Dass Gott jemand seinen Wunsch erfüllt, beweist noch nicht, dass er bei ihm in Gunst steht; es kommt ganz darauf an, was für ein Wunsch das war. Und (engl. Übers.: aber er) schickte Auszehrung in ihr Inneres. (Grundtext) Ach dieses Aber! Es vergällte ihnen alles. Das Fleisch war Gift für sie, da Gottes Segen nicht darauf ruhte.1 Wie gerne hätte Israel wohl seine Bitte unterlassen, wenn es gewusst hätte, was die Erhörung nach sich ziehen werde. Gebete der Lüsternheit kosten hernach viele Tränen. Wir seufzen und stöhnen vor Ungeduld, bis wir haben, was wir wollen - und dann fängt das Stöhnen erst recht an, weil die Erfüllung unseres Wunsches in schmerzlicher Enttäuschung mündet.


Fußnote
1. Zu der buchstäblichen, aber dem Sinn nach falschen engl. Übersetzung: in ihre Seelen, bemerkt Spurgeon weiter: Mochte das Fleisch ihre Leiber noch so fett machen, es war doch armselige Nahrung, da es die Seele mager machte. Müssen wir Mangel kennen lernen, so gebe Gott, dass es nicht Mangel der Seele sei! Doch kommt dieser meist im Gefolge des zeitlichen Wohllebens. Vermehrter Reichtum bringt vielen einen Zustand zeitlichen Gedeihens, aber geistlicher Aufzehrung. Silber gewinnen und Gold verlieren ist ein trauriger Gewinn; aber Gewinn fürs Fleisch und Verlust im Geiste ist noch viel schlimmer.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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16.
Und sie empörten sich wider Mose im Lager,
wider Aaron, den Heiligen des HERRN.
17.
Die Erde tat sich auf und verschlang Datan
und deckte zu die Rotte Abirams,
18.
und Feuer ward unter ihrer Rotte angezündet,
die Flamme verbrannte die Gottlosen.



16. Und sie empörten sich (eifersüchtig) wider Mose im Lager. Obwohl sie ihm als dem auserwählten Rüstzeug des HERRN alles zu verdanken hatten, missgönnten sie ihm die Autorität, die er doch zu ihrem Heil ausüben musste. Einige zeigten offener ihren aufrührerischen Sinn und wurden die Anführer der Empörung, aber der Geist der Unzufriedenheit war allgemein; darum wird die Auflehnung dem ganzen Volke zur Last gelegt. Wer darf hoffen dem Neid zu entgehen, wenn der sanftmütigste der Menschen (4. Mose 12,3) die Zielscheibe desselben geworden ist? Wie unvernünftig war diese Eifersucht, da Mose der Mann war, der im ganzen Lager am härtesten arbeitete und am meisten zu tragen hatte! Sie hätten von ganzem Herzen zu ihm stehen und ihm seine schwere Bürde zu erleichtern suchen sollen; ihn zu beneiden war lächerlich. Wider Aaron, den Heiligen des HERRN. Durch göttliche Wahl war Aaron ausgesondert, dem HERRN geheiligt zu sein; anstatt nun Gott zu danken, dass seine Gnade ihnen einen Hohenpriester geschenkt hatte, durch dessen Vermittlung ihre Gebete dargebracht werden sollten, benörgelten sie die göttliche Wahl und haderten mit dem Mann, der für sie zu opfern hatte. So war ihnen weder die staatliche noch die kirchliche Ordnung recht; dem Mose wollten sie das Zepter, Aaron die Mitra entreißen. Es ist ein Kennzeichen schlechter Menschen, dass sie auf die Guten neidisch und gegen ihre größten Wohltäter gehässig sind.

17. Die Erde tat sich auf und verschlang Datan und deckte zu die Rotte Abiram. Korah wird nicht erwähnt, weil sein Haus begnadigt wurde, obgleich er selbst umkam. Die Erde konnte nicht länger die Last dieser Empörer und Undankbaren tragen. Gottes Geduld war erschöpft, als sie anfingen, über seine Knecht herzufallen; denn seine Kinder sind ihm sehr teuer. Wer sie antastet, der tastet seinen Augapfel an. Auf Moses Wort hatte das Meer sich zu ihrer Befreiung aufgetan, und nun, da sie ihn erzürnen, tut sich die Erde auf zu ihrem Untergang. Es war Zeit, dass die Schande ihrer Sünde bedeckt wurde und die Erde ihren Mund auftat, um die zu verschlingen, die ihren Mund gegen den HERRN und seine Knechte aufgetan hatten

18. Und Feuer ward unter ihrer Rotte angezündet, die Flamme verbrannte die Gottlosen. Diejenigen Leviten samt ihrem Anhang, die es mit Korah hielten, kamen durch Feuer um; dieser Tod passte so recht für die, welche sich ins Priestertum hinein drängten und somit fremdes Feuer darbrachten. Gott hat mehr denn einen Pfeil in seinem Köcher; Feuer kann die verzehren, die das Erdbeben übrig lässt. Diese schrecklichen Gerichte sind hier erwähnt, um zu zeigen, wie hartnäckig das Volk fortfuhr, sich gegen den HERRN aufzulehnen. Schreckensgerichte waren an ihnen ebenso verloren wie Liebesbeweise; bei ihnen half kein Ziehen und kein Treiben.



19.
Sie machten ein Kalb in Horeb
und beteten an das gegossene Bild
20.
und verwandelten ihre Ehre
in ein Gleichnis eines Ochsen, der Gras frisst.
21.
Sie vergaßen Gottes, ihres Heilands,
der so große Dinge in Ägypten getan hatte,
22.
Wunder im Lande Hams
und schreckliche Werke am Schilfmeer.
23.
Und er sprach, er wollte sie vertilgen,
wo nicht Mose, sein Auserwählter,
in den Riss getreten wäre vor ihm,
seinen Grimm abzuwenden, auf dass er sie nicht gar verderbte.




19. Sie machten ein Kalb in Horeb. An eben dem Ort, wo sie dem HERRN feierlich Gehorsam geschworen hatten, brachen sie das zweite, wenn nicht schon das erste seiner Gebote, indem sie das ägyptische Gottesbild, einen Stier, aufstellten und sich davor niederwarfen. Das Bild des Ochsen wird hier, wie auch sonst oft, verächtlich ein Kalb genannt. Götzenbilder verdienen keine Ehrfurcht. Der Spott ist nie berechtigter, als wenn er sich über einen der vielen Versuche, den unsichtbaren Gott sinnfällig darzustellen, ergießt. Die Israeliten waren in der Tat Narren, als sie meinten, auch nur den geringsten Schimmer der göttlichen Herrlichkeit in einem Bullochsen, ja in dem bloßen Bildnis eines solchen zu sehen. Zu glauben, das Bild eines Stiers könne ein Bild Gottes sein, erforderte wirklich große Leichtgläubigkeit. Und beteten an das gegossene Bild. Ihm erwiesen sie göttliche Ehre und sagten: Das sind deine Götter, oder wohl richtiger: das ist dein Gott, Israel. Das war der helle Wahnwitz. Nach der gleichen Weise meinen auch die Ritualisten (siehe über diese Band I, S. 567 f.), durchaus ihre Bilder haben und ihrer viel machen zu müssen. Für geistliche Gottesverehrung scheinen sie keine Verständnisfähigkeit zu haben; ihr Gottesdienst ist im höchsten Grad sinnlich, er wendet sich an Auge, Ohr und Nase. Ach, dass die Menschen so töricht sind, sich die Tür zu wohlgefälligem Gottesdienst selbst zu versperren und den Weg der Anbetung im Geist und in der Wahrheit, der für unsere Natur ohnehin schon schwer ist, sich noch mehr zu erschweren durch die Steine des Anstoßes, die sie darauf werfen. Wir haben oft genug den Reichtum des römischen Kultus in hohen Worten rühmen hören; aber wenn ein Götzenbild auch aus Gold gemacht ist, ist es deswegen noch nicht um ein Jota weniger verabscheuungswürdig, als wenn es aus Dreck und Unrat gemacht wäre. Die Schönheit der Kunst kann die Hässlichkeit der Sünde nicht verhüllen. Man spricht wohl von der eindrucksvollen Sinnigkeit der Bilder; aber was hat das zu sagen, wenn Gott ihren Gebrauch verbietet? Umsonst wendet man auch ein, es sei aber doch Wärme und Eifer in solchem Gottesdienst. Umso schlimmer; es steigert nur die Übertretung, wenn man mit dem ganzen Herzen bei einer verbotenen Handlung ist.

20. Und verwandelten ihre Ehre in ein Gleichnis eines Ochsen, der Gras frisst. Sie sagten, dass sie damit nur den einen Gott verehren wollten unter einem passenden und ausdrucksvollen Sinnbilde, in welchem den Massen seine große Kraft vergegenwärtigt werde. Sie wiesen wohl auch, wie andere in unseren Tagen, auf die mächtige Belebung des religiösen Eifers hin, die auf diese Rückkehr zu einem prunkvolleren Zeremoniell folgte; denn das Volk drängte sich um Aaron und tanzte vor dem Kalbe mit aller Macht. In Wirklichkeit aber hatten sie den wahren Gott aufgegeben, den anzubeten ihre Ehre gewesen war, und hatten einen Nebenbuhler, nicht ein Bild von ihm aufgestellt; denn wie könnte er mit einem Bullochsen verglichen werden? Der Psalmist spricht darüber voll Verachtung, und mit Recht; Unehrerbietigkeit gegen die Götzen ist die Kehrseite der Ehrfurcht vor Gott. Falsche Götter jeder Art, alle Versuche, den wahren Gott bildlich darzustellen, und überhaupt jede religiöse Verehrung und Anbetung materieller Dinge sind lauter Schandflecke auf dem Angesicht der Erde. Wir sprechen viel zu sachte von diesen unerhörten Gräueln: Gott verabscheut sie, so sollten wir es auch tun. Die Herrlichkeit der geistlichen Gottesverehrung für äußeres Gepränge hinzugeben ist der Gipfel der Verblendung und verdient, danach behandelt zu werden.

21.22. Sie vergaßen Gottes, ihres Heilands. Indem sie auf das Kalb ihr Denken richteten, hatten sie schon Gottes vergessen. Er hatte ihnen geboten, sich kein Bildnis zu machen, und indem sie sich unterstanden, ungehorsam zu sein, vergaßen sie seine Gebote. Überdies müssen sie ganz die wahre Natur Jehovahs aus dem Sinn verloren haben, sonst hätten sie nie ein grasfressendes Tier zu seinem Gleichnis machen können. Manche Leute meinen, sie könnten ihre Sünden und ihren Gott zugleich festhalten, während in Wahrheit, wer sündigt, schon so weit von dem HERRN abgekommen ist, dass er ihn tatsächlich vergessen hat. Der so große Dinge in Ägypten getan hatte. Gott hatte dort alle Götzen überwältigt, und doch vergaßen sie ihn so sehr, dass sie ihn mit jenen verglichen. Konnte ein Ochse Wunder wirken? Konnte ein Goldenes Kalb über Israels Feinde Plagen senden? Es war Unvernunft, solch ein jämmerliches Widerspiel der Gottheit aufzustellen, nachdem sie gesehen hatten, was der wahre Gott in Wirklichkeit vermag. Wunder im Lande Hams und schreckliche Werke am Schilfmeer. Sie hatten verschiedene Reihen von Wundern gesehen; der HERR tat nicht kärglich mit Beweisen seiner ewigen Macht und Gottheit. Und doch genügte es ihnen nicht, ihn auf die von ihm verordnete Weise anzubeten; sie mussten durchaus eine Liturgie eigener Erfindung haben, ein kunstvolles Ritual, nach dem alten ägyptischen Muster ausgearbeitet, und einen greifbaren Gegenstand der Verehrung, der ihnen hülfe, Jehovah anzubeten. Das war genug, den HERRN herauszufordern; wie oft aber auch in unserem eigenen Lande sein Unwille erregt wird, kann gar niemand sagen.

23. Und er sprach, er wollte sie vertilgen. Die Drohung der Vertilgung kam zuletzt. Zur Strafe für die erste Sünde in der Wüste sandte er Auszehrung in ihr Inneres, für die zweite rottete er die Schuldigen aus, die Flamme fraß die Gottlosen; für die dritte drohte er sie zu vertilgen; für die vierte erhob er seine Hand wider sie und hätte sie beinahe niedergeschlagen (V. 26); für die fünfte schlug er sie wirklich: da brach die Plage unter sie (V. 29), und so wurde die Strafe in dem Maße ihres Beharrens in der Sünde schwerer. Das ist beachtenswert und sollte jedem zur Warnung dienen, der in seinen Missetaten fortfährt. Gott versucht’s mit Worten, ehe er mit Streichen kommt: er sprach, er wollte sie vertilgen; aber mit seinen Worten ist nicht zu spaßen, denn es ist ihm ernst damit und er hat die Macht sie auszuführen. Wo nicht Mose, sein Auserwählter, in den Riss getreten wäre vor ihm. Gleich einem Helden, der kühn die Mauer deckt, die schon dem Feind eine Bresche bietet, durch welche das Verderben sich über die Stadt zu ergießen droht, so hielt Mose die rächende Gerechtigkeit mit seinen Gebeten auf. Mose hatte großen Einfluss bei Gott. Er war ein besonderes Vorbild unseres Herrn, der ähnlich wie Mose hier genannt wird "mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat." Wie der auserkorene Erlöser zwischen dem HERRN und einer sündigen Menschheit ins Mittel trat, so stellte sich hier Mose zwischen Jehovah und sein ihn erzürnendes Volk. Diese Geschichte, wie Mose selbst sie erzählt, ist höchst anziehend und lehrreich und dient sehr dazu, die Güte des HERRN zu verherrlichen, der sich so von seinem heftigen Grimm abbringen ließ. In selbstlosem Liebesdrang und edlem Verzicht auf die ihm und seinem Hause angebotenen Vorrechte legte der große Gesetzgeber bei dem HERRN Fürsprache ein, seinen Grimm abzuwenden, auf dass er sie nicht gar verderbte. Seht, was die Fürbitte eines Gerechten vermag! So mächtig Israels Sünde war, die Rache herauszufordern, war das Gebet doch noch mächtiger, sie abzuwenden. Wie eifrig sollten wir bei dem HERRN für diese schuldbeladene Welt eintreten, und sonderlich für sein eigenes untreues Volk! Wer wollte nicht eine so wirksame Macht zu einem so heilvollen Zwecke ausüben? Der HERR hört noch auf die Stimme eines Menschen; sollen sich denn unsre Stimmen nicht oft hören lassen in der Fürbitte für eine sündige Menschheit?
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer David Ps106

Beitrag von Jörg »



24.
Und sie verachteten das liebe Land,
sie glaubten seinem Wort nicht
25.
und murrten in ihren Hütten;
sie gehorchten der Stimme des HERRN nicht.
26.
Und er hob auf seine Hand wider sie,
dass er sie niederschlüge in der Wüste
27.
und würfe ihren Samen unter die Heiden
und zerstreute sie in die Länder.



24. Und sie verachteten das wonnige Land. (Grundtext) Sie sprachen verächtlich davon, während es doch das Kleinod unter den Ländern war. Sie hielten es nicht für der Mühe wert, es zu erstreben und zu erobern; sie sprachen sogar von Ägypten, dem Lande, wo sie in eisernen Fesseln der Sklaverei geschmachtet hatten, so, als zögen sie es Kanaan vor, dem Lande, da Milch und Honig floss. Es ist ein schlechtes Zeichen für einen Christen, wenn er anfängt, von dem Himmel und himmlischen Dingen gering zu denken; das zeigt, dass es in seinem Innern nicht mehr stimmt, dass sein Sinn verkehrt ist. Überdies ist es eine schwere Beleidigung für den HERRN, das zu verachten, was er so hoch schätzt, dass er es in seiner unendlichen Liebe für seine Auserwählten vorbehält. Irdische Dinge den himmlischen Segnungen vorziehen heißt Ägypten für Kanaan wählen, das Land der Knechtschaft statt des Landes der Verheißung. Sie glaubten seinem Wort nicht. Das ist die Grundsünde, die Wurzel alles andern Bösen. Glauben wir Gottes Wort nicht, so werden wir natürlich auch die Gaben, die es verheißt, nicht achten. Sie konnten nicht hineinkommen um des Unglaubens willen (Hebr. 3,19) - das war der Schlüssel, der die Pforte vor ihnen zuschloss. Wenn Pilger nach der himmlischen Stadt dem Herrn des Weges misstrauen, so werden sie bald auch von der Ruhe, die ihrer am Ende der Reise wartet, geringschätzig denken, und dies ist das sicherste Mittel, sie zu schlechten Wanderern zu machen. Der Unglaube Israels verlangte (5. Mose 1,22) Kundschafter, das Land zu erforschen; der Bericht, den diese brachten, war vermischter Art, und daraus sprosste eine neue Unglaubenssaat auf mit höchst beklagenswerten Folgen.

25. Und murrten in ihren Hütten. Vom Unglauben zum Murren ist nur ein kleiner, leichter Schritt. Sie fingen sogar an zu weinen und zu jammern (4. Mose 14,1), wo sie doch allen Grund hatten zu frohlocken. Das Murren ist eine schwere Sünde, nicht eine bloße Schwachheit; es schließt Unglauben, Hochmut, Empörung, ja ein ganzes Heer von Sünden ein. Diese Sünde hat zwar anscheinend eine Tugend an sich: die Häuslichkeit, denn die Jammerbasen üben ihr klägliches Gewerbe gewöhnlich in ihren Hütten aus; aber es ist dort ebenso schlimm, als wenn es auf offener Straße geschähe, und kränkt den HERRN nicht minder. Sie gehorchten der Stimme des HERRN nicht. Mit ihrem Gemurre machten sie so viel Lärm, dass sie für ihren besten Freund kein Ohr mehr hatten. Murrende Leute haben immer ein schlechtes Gehör.

26.27. Und er hob auf seine Hand (zum Schwur) wider sie, dass er sie niederschlüge in der Wüste. Er schwor in seinem Zorn, sie sollten nicht zu seiner Ruhe kommen. Er begann an ihnen Gericht zu üben; da fing alsbald das Sterben unter ihnen an. Gott braucht nur seine Hand wider einen Menschen aufzuheben, so hat seine Stunde geschlagen; schrecklich fällt, wen Jehovah niederwirft. Und würfe ihren Samen unter die Heiden und zerstreute sie in die Länder. Da er voraussah, dass ihre Nachkommen ihre Sünde wiederholen würden, erklärte er feierlich, er werde sie der Gefangenschaft und dem Schwert übergeben. Diejenigen, die in der Wüste hinstarben, waren in gewissem Sinne verbannt aus dem Land der Verheißung und, von vielen feindlichen Stämmen umringt, tatsächlich in fremdem Lande; fern von dem Erbland ihrer Väter sterben zu müssen, war ein gerechtes und schweres Gericht, das sie durch ihre Empörung reichlich verdient hatten. Unser eigener Mangel an Gemeinschaft mit Gott und die Zwistigkeiten in unseren Gemeinden sind zweifellos oft göttliche Züchtigungen für die Sünden, aus denen sie erwachsen. Ehren wir den HERRN nicht, so können wir auch nicht erwarten, dass er uns ehre. Unsere hoch gepriesene Freiheit wird sich bald in jämmerliche Knechtschaft, unser Adel in Gefangenschaft verwandeln, wenn wir unserer Abhängigkeit vom HERRN vergessen und seine Gnade geringachten. Unser Singen wird sich in Seufzen verkehren und unser Jubel in Jammer, wenn wir dem HERRN zuwider wandeln.


28.
Und sie hingen sich an den Baal-Peor
und aßen von den Opfern der toten Götzen
29.
und erzürnten ihn mit ihrem Tun;
da brach auch die Plage unter sie.
30.
Da trat herzu Pinehas und schlichtete die Sache;
da ward der Plage gesteuert;
31.
und ward ihm gerechnet zur Gerechtigkeit
für und für ewiglich.





28. Und sie hingen sich an den Baal-Peor. Der selbsterwählte Formendienst führte zur Anbetung falscher Götter. Wenn wir eine falsche Weise des Gottesdienstes erwählen, werden wir in nicht allzu ferner Zeit auch einen falschen Gott erwählen. Baal-Peor, dieser Gräuel der Moabiter, war ein Götze, in dessen Dienst die Frauen ihren Leib der schamlosesten Fleischeslust preisgaben, wie dies auch in dem Namen des Götzen wie in dem hier gebrauchten Zeitwort (vergl. dazu 1. Kor. 6,16) angedeutet sein mag. Und so tief sank das Volk des heiligen Gottes! Und aßen von den Opfern der Toten, d. i. der toten Götzen. Zu den wüsten Gelagen, womit die Baalsdiener ihren verabscheuungswürdigen Götzendienst feierten, kamen auch die Israeliten und ließen sich sogar in den inneren Kreis der eigentlichen Götzenanbeter aufnehmen, indem sie an den Opfern teilnahmen, wiewohl die Götter nur tote Götzen waren. Vielleicht beteiligten sie sich auch an Totenbeschwörungen, die bezweckten, einen Verkehr mit abgeschiedenen Geistern herzustellen, und wollten so das Siegel der göttlichen Vorsehung brechen und in die geheimen Kammern eindringen, die Gott verschlossen hat. Menschenkinder, die es leid geworden sind, den lebendigen Gott zu suchen, haben je und je eine Neigung zu schwarzen Künsten gezeigt und Umgang mit Dämonen und Geistern angestrebt. Welch kräftigen Irrtümern werden oft solche preisgegeben, die die Furcht Gottes von sich werfen! Diese Bemerkung ist leider heute ebenso nötig wie in alten Tagen.

29. Und erzürnten ihn mit ihrem Tun; da brach auch die Plage unter sie. Solche öffentliche Ausschweifung und unverhohlene Abgötterei waren zu stark, um übersehen werden zu können. Diesmal schrien die Übertretungen nach rächendem Gericht, und dies erfolgte alsbald. Vierundzwanzigtausend Menschenleben gingen an einer tödlichen Krankheit zu Grunde, die plötzlich ausbrach und das ganze Lager zu ergreifen drohte. Die neue Sünde beschwor auch eine für sie neue Krankheit über sie herauf. Wenn die Menschen ihre Erfindungsgabe dazu anwenden, Sünden zu ersinnen, so säumt auch Gott nicht, Strafen dafür zu erfinden. Ihre Laster waren eine sittliche Pest; darum wurden sie mit einer Pest an ihrem Leibe heimgesucht. So zahlt Gott mit gleicher Münze heim.

30. Da trat herzu Pinehas und vollzog Gericht (Grundtext); da ward der Plage gesteuert. Gott hat auch in den schlimmsten Zeiten seine Streiter, die auf den Kampfplatz treten, wenn der Augenblick für sie gekommen ist. Seine gerechte Entrüstung riss den Pinehas hin zu einer schnellen Straftat an zwei offenbaren Missetätern. Sein ehrenhafter Sinn konnte es nicht ertragen, dass öffentlich Unzucht getrieben werde, und das zu einer Zeit, da ganz Israel vor der Hütte des Stifts weinte. (4. Mose 25,6.) Solch dreiste Verhöhnung Gottes und alles Gesetzes konnte er nicht gewähren lassen; so durchbohrte er mit seinem scharfen Speer die beiden Schuldigen mitten in ihrer Tat. Heiliger Zorn war’s, der ihn entflammte, nicht Feindseligkeit gegen die eine oder andere der Personen, welche er tötete. Die Umstände waren so außergewöhnlich und die Sünde so frech, dass es für einen Mann von öffentlichem Beruf eine schwere Verfehlung gewesen wäre, wenn er ruhig zugesehen hätte, wie Gott in dieser Weise verhöhnt und Israel verunreinigt wurde. Pinehas war nicht von diesem Schlag Leute; er war kein Wetterhahn oder Beschöniger der Sünde. Sein Herz hing fest an Gottes Rechtsordnungen, und sein ganzes Wesen glühte von Eifer für Gottes Ehre. Darum nahm er, obwohl er ein Priester war und seinem Amt nach somit nicht verpflichtet, selbst das Gericht zu vollziehen, die unwillkommene Aufgabe auf sich. Und obwohl beide Übertreter fürstlicher Abstammung waren, achtete er doch kein Ansehen der Person, sondern übte an ihnen Gericht, wie wenn sie die Geringsten im Volke gewesen wären. Weil diese kühne und entschiedene Tat bewies, dass es noch aufrichtige Seelen in Israel gab, war sie so angenehm vor Gott, dass die tödliche Heimsuchung nicht weiter ging. Er schlichtete die Sache, wie Luther, mit dem Blick auf den Erfolg, übersetzt. Zweier Tod hatte genügt, das Leben Hunderttausender zu retten.

31. Und ward ihm gerechnet zur Gerechtigkeit für und für (wörtl.: von Geschlecht zu Geschlecht) ewiglich. Bis herab auf die Zeit, da dieser Psalm geschrieben wurde, stand das Haus Pinehas in Israel in Ehren. Seine Treue hatte eine kühne Tat verrichtet, und seine Gerechtigkeit wurde vom HERRN dadurch, dass das Priestertum dauernd in seiner Familie verblieb, bezeugt und geehrt. Er war von so reinen Beweggründen geleitet, dass das, was sonst eine Bluttat gewesen wäre, vor Gott gerechtfertigt war, ja sogar als vollgültiger Beweis dafür galt, dass Pinehas ein Gerechter war. Nicht Ehrgeiz oder persönliche Rachsucht oder selbstsüchtige Leidenschaft oder auch religiöser Fanatismus beseelten den Gottesmann; sondern Eifer um Gott, Empörung über unverhüllte Unflätigkeit und echter Patriotismus drängten ihn zu seiner Tat. Wieder einmal haben wir Ursache, die Gnade Gottes zu beachten, dass er, als sein Befehl schon ergangen und sein Gericht im Vollzug begriffen war, seine Hand wieder zurückzog auf die Bitte eines Mannes hin; er fand darin sozusagen eine Entschuldigung für seine Gnade gegenüber seiner Gerechtigkeit, die augenblickliche Rache zu fordern schien.


32.
Und sie erzürnten ihn am Haderwasser,
und Mose ging es übel um ihretwillen.

33.
Denn sie betrübten ihm sein Herz,
dass ihm etliche Worte entfuhren.



32. Und sie erzürnten ihn (wörtl. erregten den Grimm) am Haderwasser. Wird es nicht endlich aufhören? Die Verhältnisse werden anders, ihr Verhalten nicht! Schon einmal hatten sie wegen Wassermangels gemurrt, wo ein Gebet die Wüste bald in einen See verwandelt hätte; jetzt aber tun sie es wieder, obwohl sie damals die göttliche Güte erfahren haben. Das machte ihren Frevel zwiefach, ja siebenfach schwer und Gottes Zorn umso furchtbarer. Und Mose ging es übel um ihretwillen. Mose ward zuletzt erschöpft; er begann zornig zu werden auf sie und jede Hoffnung zu verlieren, dass sie je anders werden würden. Können wir uns darüber wundern, da er ein Mensch war und nicht Gott? Nachdem er sie vierzig Jahre getragen hatte, riss dem sanften Mann die Geduld, seine Selbstbeherrschung brach zusammen, und er zeigte unheiligen Zorn; darum ward ihm nicht gestattet, das Land zu betreten, das er so sehnlich zu ererben wünschte. Wohl durfte er vom Berge Pisga einen herrlichen Blick tun über das gute Land in seiner ganzen Ausdehnung (5. Mose 34,1-3), aber der Eintritt wurde ihm verwehrt; so ging es ihm übel. Ihre Sünde reizte ihn, aber er musste die Folgen tragen. So klar es sein mag, dass andere schuldiger sind als wir, so sollten wir doch immer des eingedenk bleiben, dass uns das nicht schützt, sondern ein jeglicher seine eigene Last tragen wird. (Gal. 6,5.)

33. Denn sie betrübten ihm sein Herz,2 dass ihm etliche Worte entfuhren, wörtl.: und er redete unbedacht mit seinen Lippen. Im Vergleich mit den Sünden anderer Leute erscheint diese Verfehlung geringfügig. Aber es war Moses Sünde, des auserwählten Dieners Gottes, der so viel von Gottes Wesen und Walten gesehen und erfahren hatte; darum konnte sie nicht übersehen werden. Er redete nicht gotteslästerlich oder boshaft, sondern nur übereilt und ohne Bedacht. Aber das ist ein bedenklicher Fehler bei einem Gesetzgeber, und sonderlich bei einem solchen, der im Namen Gottes sprach. Diese Stelle ist uns eine der furchtbarsten in der Bibel. Fürwahr, wir dienen einem eifrigen Gott! Dennoch ist er nicht ein harter Herr von rücksichtsloser Strenge; solche Meinung dürfen wir von ihm nicht hegen. Aber wir müssen umso eifriger und argwöhnischer über uns selbst wachen, dass wir umso vorsichtiger wandeln, umso bedachtsamer sprechen, da wir einem solchen Herrn dienen. Auch das wollen wir uns merken, wie sorgfältig wir zu sein haben in der Art und Weise, wie wir den Dienern am Evangelium begegnen, da wir durch Erregung ihres Geistes sie zu unziemlichem Verhalten treiben können, das Gottes Züchtigung über sie bringen würde. Unzufriedene und streitsüchtige Leute lassen sich wenig von den Gefahren träumen, in die sie ihre Seelsorger durch ihr widriges Benehmen bringen.


Fußnote
2. Grundtext: Denn sie hatten seinem Geiste widerstrebt. Dies kann nach ständigem Sprachgebrauch wohl nur auf die Versündigung des Volkes gegen Gottes Geist bezogen werden, vergl. Jes. 63,10.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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