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Psalm 127

Verfasst: 23.10.2025 05:01
von Jörg
2. Es ist umsonst, dass ihr früh aufstehet und hernach lange sitzet1 und esset euer Brot mit Sorgen (Grundtext: das Brot der Mühsale essend, d. h. im Schweiß des Angesichts, unter Not und Mühen errungenes Brot, vergl. 1. Mose 3,17-19). Weil an Gottes Segen alles gelegen ist, ist alles ungläubige Sorgen und Grämen völlig nutzlose Selbstquälerei. Wir sind verpflichtet, treuen Fleiß anzuwenden, denn diesen segnet der HERR; aber wir sollen uns nicht durch den Sorgengeist in Unruhe bringen lassen, denn das verunehrt den HERRN und kann uns niemals seine Huld verschaffen, von der doch alles abhängt. Wie manche versagen sich die nötige Ruhe; der früheste Morgen findet sie schon auf, bevor sie recht ausgeruht haben, und der Abend sieht sie noch lange, lange sich plagen, nachdem die Abendglocke den Tag ausgeläutet hat. Sie stehen in Gefahr, sich früh dem Schlaf des Todes auszuliefern, indem sie den nächtlichen Schlaf, der neue Lebenskräfte bringt, vernachlässigen. Auch ist, dass sie sich den Schlaf abbrechen, nicht das einzige Anzeichen ihrer die Kräfte aufreibenden Selbstquälerei. Manche schränken sich auch in der Nahrung aufs äußerste ein, essen die geringste Speise, und davon so wenig wie möglich, und diese trockenen Bissen spülen sie hinunter mit den salzigen Tränen des Harmes, denn es quält sie beständig die Furcht, es werde ihnen noch am täglichen Brot völlig mangeln. So ist ihre Speise mit harter Arbeit erworben, kärglich bemessen und kaum jemals mit ein wenig Freude und Lebensgenuss gewürzt, sondern stets von Kummer und Sorge vergällt; und das alles, weil sie kein Gottvertrauen haben und an nichts anderem Freude finden, als am Aufhäufen des Geldes, das ihr einziger Trost, ihre einzige Zuversicht ist. Nicht also, nein wahrlich, nicht also will der HERR, dass seine Kinder leben. Sein Wille ist, dass sie als Prinzen von königlichem Geblüt ein frohes, glückliches Leben voll innerer Ruhe führen. Es geziemt ihnen, sich ein ausreichendes Maß von Ruhe zu gönnen und dem Leibe die ihm zukommende Nahrung zu geben, denn das dient zu ihrer Gesundheit. Es ist selbstverständlich, dass ein rechter Christ nie faul oder unmäßig sein wird; geschähe es doch, so wird er dafür zu leiden haben. Aber er wird es nicht für nötig noch für recht halten, ohne Ruh und Rast sich abzuarbeiten oder aus Geiz zu darben. Der Glaube macht das Gemüt heiter und verbannt die Unruhegeister, die uns bei Tag und Nacht den Frieden rauben wollen.

Denn seinen Freunden gibt er’s schlafend. Schön ist die Übersetzung der LXX und Vulg., die durch die englische und andere Übersetzungen auch uns wohlbekannt geworden ist: Da er seinen Geliebten Schlaf gibt. Wie wahr ist es, dass der HERR den Seinen durch den Glauben die Gnade verleiht, in ihm zu ruhen in glücklicher Freiheit von Sorgen. Seinen Geliebten gibt Gott sicher das Beste, was sie nur wünschen können, auch die köstliche Gabe des erquickenden Schlummers. Er schenkt ihnen, dass sie ihre Sorgen beiseitelegen, ihre Nöte vergessen und alle ihre Angelegenheiten in voller Glaubensruhe Gott überlassen können. So erquicken sie sich in süßer Rast am Busen ihres himmlischen Vaters. Solcher Schlaf ist besser als Reichtum und Ehren. Erinnern wir uns, wie Jesus inmitten des Tosens des Meeressturmes schlief. Die Jünger, die wettergebräunten Fischer, kamen in die größte Bestürzung, aber er schlief. Er wusste sich in des Vaters Hut, darum war er so ruhig im Gemüt, dass die Wogen ihn in Schlummer wiegten. Auch uns würde öfter Ähnliches geschehen, wenn wir nur ihm ähnlicher wären!
Doch, so schön diese Übersetzung ist und so wahr der Sinn an sich, so spricht der Zusammenhang doch für Luthers Auffassung. Nur ist das erste Wort des Sätzleins nicht mit denn, sondern mit so zu übersetzen: So gibt er seinen Geliebten im Schlaf. (Grundtext) Dies So weist auf das Vorhergehende zurück, im Sinne von ebenso reichlich oder eben dasselbe, nämlich wie das, was ihr durch euer Mühen und Sorgen erringen wollt, wobei ihr den Blick auf Gott verliert. Wie manchen schon hat der Neid verzehrt, wenn er wahrnehmen musste, dass er mit all seinem rastlosen Schaffen und Scharren, bei Tag und Nacht, am Werktag und Sonntag, doch nicht weiter komme als andere, die von solchem Wühlen nichts wissen wollen, die sich nach treuem Tagewerk auch ein Feierstündchen gönnen und wohl gar noch Zeit finden, am Morgen oder Mittag einige stille Augenblicke der Gemeinschaft mit Gott und seinem Wort zu widmen. Ja, und wie viele könnten es sehen, wenn sie nur Augen dafür hätten, dass sie gerade deshalb so wenig Erfolg oder bei allem äußeren Erfolg doch ein so unglückliches Leben haben, weil ihnen die Ruhe des Glaubens fehlt. Dem Salomo gab Gott das Begehren seines Herzens, und noch mehr dazu, während er schlief (1. Könige 3,5-15).

Sind wir selber durch des HERRN Gnade innerlich frei geworden, dass wir uns nicht mehr mit dem Hasten und Sorgen des Unglaubens verzehren und zerplagen, so werden auch unsere Untergebenen davon Nutzen haben und desto williger und freudiger ihre Pflichten erfüllen. Wir hoffen sehr, dass es den Werkleuten, die an dem salomonischen Tempel bauten, vergönnt war, mit ruhiger Stetigkeit und freudig zu arbeiten. Solch ein Haus ward doch gewiss nicht von unwilligen Arbeitern erbaut. Wir können uns nicht denken, dass sie am Morgen schon vor dem Hahnenschrei mit dem Stecken des Treibers zur Arbeit gehetzt wurden und man sie am Abend zwang, ihr Werk bis tief in die Nacht hinein auszudehnen. Nein, wir sind viel eher bereit zu glauben, dass sie mit ruhigem Fleiße ihre Arbeit tun, zur rechten Zeit ruhen und ihr Brot mit Freuden essen durften. So jedenfalls sollte der geistliche Tempel aufgerichtet werden - wiewohl, um die Wahrheit zu sagen, die Werkleute an diesem Bau nur zu sehr geneigt sind, sich mit hastiger Vielgeschäftigkeit zu beladen, den Herrn des Baues aus den Augen zu verlieren und sich einzubilden, dass die Vollendung des Baues von ihnen allein abhänge. Wieviel glücklicher könnten wir doch sein, wenn wir das Haus des HERRN dem Herrn des Hauses anvertrauen wollten! Und was noch weit wichtiger ist, wieviel besser würde unser Bauen und unser Wachen geschehen, wenn wir unsere Zuversicht dabei völliger auf den HERRN setzten, der doch beides, der Erbauer und der Hüter seiner Gemeinde ist!

3. Siehe, Kinder sind eine Gabe des HERRN. Dies weist auf eine andere Weise hin, in der der Mensch sich ein Haus baut, nämlich indem er Nachkommen hinterlässt, die seinen Namen und seine Familie am Leben erhalten auf Erden. Wird ihm dies versagt, was hat es dann, vom gemein-menschlichen Standpunkt aus, für einen Sinn, dass er sich ein Vermögen erwirbt? Zu welchem Zwecke baut er sich ein Haus, wenn er doch niemand in seiner Wirtschaft hat, der nach ihm darin wirtschaften kann? Was nützt es, dass er der Besitzer weiter Ländereien ist, wenn er keinen Erben hat? (Vergl. 1. Mose 15,2.) Und doch ist in dieser Sache der Mensch völlig ohnmächtig ohne den HERRN. Der große Napoleon konnte mit all den sündigen Bemühungen, die er in diesem Stücke machte, sich keine Dynastie gründen. Hunderte von reichen Leuten würden ihr halbes Vermögen und mehr dafür hingeben, wenn sie das Schreien eines Kindleins hören könnten, das die Frucht ihres Leibes wäre. Ja, Kinder sind ein Erbteil, das dem Menschen vom HERRN selbst aus seiner Fülle geschenkt werden muss, sonst stirbt er kinderlos, und es wird somit das Haus seiner Familie ungebaut bleiben.

Und Leibesfrucht ist ein Geschenk, wörtlich ein Lohn; doch ist dies Wort nicht im rechtlichen Sinne gemeint, sondern als freie Belohnung, so wie es sich auch im ersten Versgliede nicht um ein Erbgut im erbrechtlichen Sinne, sondern um ein nach dem freien Willen des Gebers zugewendetes Vermächtnis oder Schenkgut handelt. - Der HERR gibt die Kinder nicht als eine Strafe oder eine Last, sondern als eine Erweisung seiner Gunst. Sie sind ein Zeichen und Pfand des Segens, wenn wir Eltern es nur verstehen, sie recht als Gabe vom HERRN anzunehmen und sie für den HERRN zu erziehen. Ein "zweifelhafter Segen" sind sie nur, weil wir so zweifelhafte Persönlichkeiten sind. Wo es recht steht in der menschlichen Gesellschaft, da werden die Kinder nicht als eine Bürde, sondern als ein Erbe betrachtet, und werden sie nicht mit Seufzen, sondern mit Freuden empfangen als ein Lohn. Wird uns in manchen Gegenden unseres Vaterlandes der Raum zu enge, so dass uns die schnelle Vermehrung der Bevölkerung in Verlegenheit bringt, so wollen wir uns dessen erinnern, dass es doch auch in unseren Grenzen noch manchen dünn bevölkerten Landstrich gibt, wo große Aufgaben der fleißigen Hand warten, und nicht nur das, sondern dass der HERR uns nirgendwo einen Befehl gegeben hat, in den engen Schranken unserer alten Welt zu bleiben, sondern dass er will, dass die Menschen die Erde füllen (1. Mose 1,28), also auch die noch immer fast unermesslichen Gebiete bevölkern, die der Axt und des Pfluges harren. Aber auch in unserer alten Welt und trotz all der Beengungen, die das beschränkte Einkommen uns auferlegt, sind unser bester Besitz unsere Kinder, für die wir Gott täglich danken wollen.


Fußnote
1. So auch Delitzsch. Andere übersetzen: und spät euch setzet (um zu ruhen, die Abendmahlzeit einzunehmen usw.). Wörtl. heißt es: die ihr das Sitzen hinzögert. Ob dabei an das Sitzen bei der Arbeit oder an das Niedersitzen zur Erholung gedacht ist, mag, wie Keßler bemerkt, unentschieden bleiben müssen; für den Sinn ist es von wenig Belang.

Psalm 127

Verfasst: 26.10.2025 09:04
von Jörg
4. Wie Pfeile in der Hand eines Helden, also sind Söhne der Jugend. (Grundtext) Söhne, die in der Jugendkraft erzeugt sind - das ist der Sinn des hebräischen Ausdruckes -sind gemeiniglich kräftiger als Söhne des Alters (1. Mose 37,3), und sie werden unter Gottes Segen der Trost des Vaters in den Jahren, da er zu altern beginnt, weil sie dann schon in der Blüte des Lebens stehen. Ein Kriegsmann freut sich seiner Pfeile, die dahinfliegen können, wohin er selber nicht zu gelangen vermag. Brave Söhne sind ihres Vaters Pfeile, die behende auf das Ziel losgehen, auf das die Väter ihr Augenmerk gerichtet haben. Was für erstaunliche Dinge kann ein wackerer Mann vollbringen, wenn er treue Kinder hat, die seine edlen Wünsche und Pläne zu den ihrigen machen und sich ganz dem Streben hingeben, sie zu verwirklichen! Zu dem Ende müssen wir aber unsere Kinder in der Hand haben, wenn sie noch Kinder sind, sonst werden sie, wenn sie heranwachsen, schwerlich jemals uns die erwünschte Hilfe sein, und wir müssen suchen, solange sie noch jung sind, sie gerade zu ziehen und zu schärfen, dass sie Pfeile werden, sie möchten sich sonst im späteren Leben als krumm und unbrauchbar erweisen. O dass der HERR uns mit treuen, gehorsamen und liebewarmen Nachkommen beglücke! Wir werden in ihnen unsere besten Freunde und Helfer finden. Dann werden wir sie zu unserem Trost und unserer Freude ins Leben hinauseilen sehen, wenn wir vom ersten Anfang an darauf bedacht sind, dass sie die rechte Richtung bekommen.

5. Wohl dem (Manne), der seinen Köcher derselben voll hat. Leute, die kinderlos sind, beklagen die Tatsache; solche, die nur wenige Kinder haben, sehen diese bald aus dem Elternhause scheiden, und ach wie still wird dann das Haus, und das Leben hat für das einsame Paar den größten Reiz verloren. Eltern, die zahlreiche wohlerzogene Kinder haben, sind im Ganzen am glücklichsten. Natürlich bedeutet eine große Kinderschar auch eine große Zahl von Sorgen und Prüfungen; kann man diesen aber mit Gottvertrauen begegnen und ist die Gnade des HERRN in der Familie wirksam, so bedeutet eine Menge Kinder auch eine Menge Liebe und einen Haufen Freude aller Art. Der Verfasser dieser Auslegung kann als Ergebnis seiner Erfahrungen und Beobachtungen bezeugen, dass er das meiste Unglück in solchen Ehen getroffen hat, die kinderlos blieben. Er selber weiß sich dem HERRN zu tiefem Dank verbunden, dass der ihm zwei Söhne geschenkt hat, die zu den besten gehören, die es gibt; aber da sie beide herangewachsen sind und er kein Kind mehr daheim hat, so fühlt er, ohne eine Spur von Murren oder auch nur das Begehren, dass sein Los ein anderes gewesen sein möchte, doch, dass es hätte ein Segen sein können, eine zahlreichere Familie zu haben, und er stimmt daher dem Psalmdichter in dessen hier ausgesprochenem Urteil von Herzen bei. Er hat eine Familie gekannt, in der wohl zwölf Töchter und drei Söhne waren, und er erwartet auf Erden niemals Augenzeuge eines größeren häuslichen Glückes zu werden, als es diesen Eltern beschert war, die an jedem ihrer Kinder ungetrübte Freude hatten, wie auch wiederum die Kinder sich der Eltern und eines des anderen freuten. Wenn die Söhne und Töchter Pfeile sind, dann ist es gut, den Köcher derselben voll zu haben; sind’s aber nur Stöcke, krumm und knorrig und zu allem Guten unbrauchbar, dann freilich je weniger desto besser! Werden hier die Helden glücklich gepriesen, die ihren Köcher mit solchen Pfeilen gefüllt haben, so liegt allerdings andererseits kein Grund vor, daran zu zweifeln, dass es auch glückliche Leute auf Erden gibt, die gar keinen Köcher haben; manches ruhige Leben bedarf solcher kriegsmäßigen Ausrüstung nicht. Ferner kann ein Köcher klein und doch voll sein; dann passt die Glücklichpreisung des Psalmdichters doch. Auf jeden Fall ist gewiss, dass, so wie niemand davon lebt, dass er viele Güter hat, so auch niemandes Lebensglück damit schon ohne weiteres gesichert ist, dass er eine große Kinderschar sein Eigen nennen kann. HERR, segne du unsere Kinder, dass sie uns und andern ein Segen werden!

Die werden nicht zu Schanden, wenn sie mit ihren Feinden handeln im Tor. Die Väter vieler treuer Söhne können ihren Widersachern wie auf dem Kampfplatz, so auch im Rechtshandel kühn entgegentreten. Niemand wird so leicht mit einem Manne anbinden, der einen Kreis braver Söhne um sich als Garde sammeln kann. Eines solchen Mannes Stimme hat Gewicht, dessen Söhne seinen Worten dadurch Nachdruck geben, dass sie entschlossen sind, des Vaters Wünsche und Pläne durchzuführen. Das ist ja ein Stück vom Abrahamssegen, ein wichtiger Teil der alten Bundesverheißung: Dein Same soll besitzen die Tore seiner Feinde (1. Mose 22,17), und im einen oder andern Sinne ist diese Zusage allen den Freunden, den Geliebten des HERRN (V. 2) gewiss. Feiert der Herr Jesus nicht tatsächlich in seinem Samen solche Triumphe? Nehmen wir unser Psalmwort im buchstäblichen Sinne, so kommt der Vorzug, von dem es spricht, ganz vom HERRN; denn ohne seinen Willen würde es an den Kindern fehlen, mit denen das Haus der Familie erbaut wird, und ohne seine Gnade würden die Eltern keine wohlgeratenen Kinder haben, die ihre Stärke sein könnten. Sind wir darin völlig abhängig vom HERRN, so lasst uns doch auch alles andere in den gleichen treuen Händen lassen. Er wird unsere Sache führen und unsere treuen Bemühungen segnen, so dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit und uns durch unseren stillen und sanften Geist als des Herrn Freunde erweisen. Wir haben keinen Grund zu irgendwelchem Zweifel, dass Gott, wenn er uns Kinder als freie Belohnung, als Liebesgeschenk gibt, uns auch die Nahrung und Kleidung senden wird, deren diese, wie er ja weiß, bedürfen. Wer der Vater einer Schar von geistlichen Kindern ist, der ist ganz ohne Frage ein glücklicher Mann. Er kann allen, die sich ihm entgegenstellen, Antwort geben, indem er auf Seelen hinweist, die durch seinen Dienst gerettet sind. (Vergl. 1. Kor. 9,2.3) Errettete Seelen sind recht eigentlich ein Erbteil, vom HERRN geschenkt, und der Lohn der hingebenden Arbeit des Verkündigers. Durch solche wird unter der Machtwirkung des Heiligen Geistes die Stadt der Gemeinde des HERRN sowohl auferbaut als bewacht, und der HERR hat die Ehre davon.

Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Ich halte es auch dafür, dass dieser Psalm des Salomons sei; denn wir sehen in allen Büchern des Salomons, dass er gemeiniglich die Dinge lehret, welche zu Erhaltung der Regimente gehören, und handelt selten den Hauptartikel, damit sein Vater David viel zu tun hat, nämlich von der Gerechtigkeit oder von dem Herrn Christo, sondern lehret die Dinge, damit er zu schaffen gehabt und dazu er von Gott gesetzt und berufen war, nämlich wie man Land und Leute regieren soll. Dies aber lehret er auf solche Weise, dass kein Philosophus noch Gelehrter, ja auch kein Mensch nie nicht also davon geredet oder geschrieben hat. Denn er alle Regimente auf den Glauben führet und lehret, dass alle Weisheit, Land und Leute zu regieren und alles, was in denen Regimenten und in der Haushaltung vorgenommen wird, von Gott einen Anfang, Regierung und Erhaltung haben muss, welche die andern alle, so davon geschrieben (Aristoteles, Plato, Cicero usw.), nicht getan haben. Die selbigen, wiewohl sie feine und köstliche Gesetze machen, Weise und Wege anzeigen, wie man Land und Leute regieren solle, und ein jeglicher Hausvater seine Haushaltung wohl und ordentlich anstellen möge, jedoch wissen sie nicht, wo man das nehmen solle, dass dasjenige, so man klüglich und wohlbedacht und weislich vorgeschlagen, einen glückseligen Fortgang haben möge. Derohalben es ihnen oft widerfähret, dass ihre klugen Anschläge den Krebsgang gehen und zu Wasser werden. Martin Luther 1531.

Der Psalm ist auch der anderwärtigen Erkenntnis und Erfahrung des Salomo gemäß und geht besonders aus dem nämlichen Sinn, aus welchem das Predigerbuch geflossen ist, nämlich den Menschen zur Mäßigkeit und Nüchternheit in allem seinem Vornehmen zu bringen, durch den ernstlichen Bedacht, wie es in allen Ständen nicht auf Fleiß, Kunst und natürliche Klugheit ankomme, sondern auf Gottes Segen und Vorsehung, weswegen man sich ja sein Vertrauen auf den HERRN nicht durch allzu viele und unmäßige Geschäftigkeit verderben oder bei vorkommenden Schwierigkeiten verdrossen, aber auch bei gutem Fortgang nicht auf sich selbst einbildlich werden soll. Karl Heinrich Rieger † 1791.

Der Psalm ist zunächst für solche bestimmt, die von der Bedeutung menschlicher Anstrengungen zu hoch halten, ein Fehler, der besonders leicht die Glücklichen beschleicht. Doch ist er zugleich, indem er den göttlichen Segen als die alleinige Quelle des Heiles bezeichnet, reich an Trost für die Unglücklichen, in ihrer Tätigkeit Gelähmten. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.

Der doch wohl nachexilische Psalm trägt die Art der Weisheitssprüche an sich; kein Wunder, dass sich in den Proverbien mancherlei Paralleles findet (Spr. 10,22; 23,24 f. u. a.). Die gesamte Spruchpoesie Israels knüpfte an den Namen Salomos an; von hier aus erklärt sich das "von Salomo" der Überschrift, welches übrigens bei LXX fehlt, hinlänglich. - Im Munde von Jerusalemspilgern gewann das Ganze vielleicht noch eine speziellere Färbung: Jerusalem das Haus und die Stadt, die Jahves Segen bedürfen; Israel die Familie, die Kindersegen bedarf, erbittet und empfängt. Lic. H. Keßler 1899.