Der Abendmahlsstreit in der Reformationszeit
Der Ausdruck Abendmahlsstreit bezeichnet im engeren Sinn den Konflikt zwischen den Reformatoren Martin Luther und Ulrich Zwingli sowie ihren beiderseitigen Anhängern um das Sakramentsverständnis des Abendmahls.
Nachdem Zwingli in Zürich im Herbst 1524 in einem offenen Brief seinen Standpunkt deutlich gemacht hatte, unterstützte ihn Johannes Oekolampad von Basel aus mit einer im September 1525 erschienenen Schrift. Die lutherischen Theologen um Johannes Brenz in Schwäbisch Hall antworteten mit ihrem Syngramma. 1526-1529 wechselten Luther und Zwingli sowie deren Anhänger auf beiden Seiten (Oekolampad, Johannes Bugenhagen) eine Reihe von Streitschriften.
1529 traf sich Zwingli mit Luther und Landgraf Philipp von Hessen. Er war - was die Rechtfertigungslehre betraf - mit Luther einig. Eine Rechtfertigung vor Gott sei nicht durch gute Werke zu erlangen, sondern allein durch den Glauben an den einen Gott und den Sühnetod Christi. Bei dem Treffen in Marburg (Marburger Religionsgespräch) zeigte sich jedoch, dass die Kontroverse um das Abendmahlsverständnis nicht überwunden werden konnte. Luther sah im Abendmahl das tiefste Erlebnis der sichtbar gewordenen Gnade Gottes. Denn in der Einsetzung des Abendmahls komme es zur praedicatio identica, zu „Leibsbrot“ und „Blutswein“, wie Luther es in seiner Schrift Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis 1528 formuliert. In, mit und unter Brot und Wein werde der wahre Leib und das wahre Blut Christi ausgeteilt und mit dem Mund empfangen (Realpräsenz). Der humanistisch geprägte Zwingli sah im Abendmahl und seinen Elementen allein eine symbolhafte Kraft, die lediglich die Erinnerung an den Auferstandenen wecken sollte. Nur im gläubigen Gedenken der Gemeinde sei Christus auf geistliche Weise gegenwärtig. Gemeinsam abgelehnter Ausgangspunkt beider war jedoch die katholische Lehre der Transsubstantiation, nach der Wein und Brot sich während der Abendmahlsfeier tatsächlich und dauerhaft in Blut und Fleisch Jesu verwandeln.
Nach Zwinglis Tod 1531 wurden neue Versuche unternommen, den Streit zu überwinden, auch um gegenüber den Altgläubigen zu einem breiten Bündnis gelangen zu können (Schmalkaldischer Bund). Vor allem Martin Bucer und Philipp Melanchthon bemühten sich um einen Ausgleich. Es gelang aber nur, mit der Wittenberger Konkordie 1536 die Vertreter der sogenannten „oberdeutschen“ Reformation in das lutherische Lager zu integrieren. Die von Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger angeführten Schweizer evangelischen Kantone blieben vom Schmalkaldischen Bund ausgeschlossen.
Der Genfer Reformator Jean Calvin lehnte Zwinglis Auffassung ab, dass es beim Abendmahl vor allem auf das Handeln der Gemeinde ankomme. Nach seiner Lehre sind Brot und Wein Gnadenmittel, durch die der Gläubige Christus und in ihm die Fülle der Gnadengaben empfängt. Nur die Gleichsetzung der Elemente mit Christi Leib und Blut bestritt Calvin, weil Christi Leib materiell im Himmel anwesend sei. Luther akzeptierte Calvins Auffassung zunächst. 1549 einigte sich aber Calvin mit Bullinger im Consensus Tigurinus und näherte sich dabei der zwinglianischen Abendmahlslehre an.
Die Confessio Augustana 1530
Als Grundlage der „Confessio Augustana“ dienten die von Luther verfassten Schwabacher Artikel, ein Bekenntnis der lutherischen Reformation gegen Ulrich Zwingli, und die Torgauer Artikel. Die Schrift ist zeitgleich sowohl auf Latein als auch auf Deutsch verfasst worden, wobei es Unterschiede in den beiden Fassungen gibt. Melanchthon arbeitete an der lateinischen Fassung stilistisch bis zur letzten Minute und passte den 10. Artikel über das Abendmahl in seinem Sinne an.
Consensus Tigurinus 1549
Als Consensus Tigurinus (wörtlich: „Zürcher Übereinkunft“) wird die von Heinrich Bullinger und Johannes Calvin 1549 geschlossene Einigung über das Abendmahl bezeichnet, durch die es zur Annäherung der zwinglianischen und der calvinistischen Reformation in der Schweiz und somit zu einem einheitlichen schweizerischen Reformiertentum kam.
Die Gegenreformation und die Uneinigkeit mit den Lutheranern nötigten die Zwinglianer und die Calvinisten sich innerreformiert zu einigen. In einem Briefwechsel zwischen 1547 und 1549 hatten sich Bullinger und Calvin in der Abendmahlsfrage darauf geeinigt, „Das ist mein Leib“ als „Das bedeutet mein Leib“ zu verstehen. Das Dokument, das neben Bullinger und Calvin auch Wilhelm Farel unterschrieben hat, umfasst 26 Artikel. Darin werden in den Artikeln 21, 24 und 26 die „päpstlichen Irrlehren“ (Transsubstantiation, Realpräsenz und Anbetung der Elemente) und in den Artikeln 24 und 25 die lutherischen Lehren der Konsubstantation und der Allgegenwart verworfen. Für die Schweizer Reformation war der Konsens sehr wichtig, da er das reformierte Lager einte – so schlossen sich auch die anderen reformierten Städte dem Consensus Tigurinus an.
Als weiteren Beitrag dazu: Dr. theol.A. Zahn
Zwinglis Verdienste um die biblische Abendmahlslehre.