Mehrheitstext oder Nestle-Aland

Alte, geschlossene Beitragsfolgen

Moderator: Jörg

Übersetzungen mit welcher Grundlage bevorzugt Ihr?

Mehrheitstext
14
78%
Nestle-Aland
4
22%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 18

Gast

Mehrheitstext oder Nestle-Aland

Beitrag von Gast »

Hallo Ihr Lieben,

bevorzugt Ihr den Mehrheitstext oder eher Nestle-Aland?

Ein Statement zum Textus Receptus findet Ihr hier:

http://www.fudickars.de/count_textus.php (PDF)

Viele Grüße und Gottes Segen

Markus

joasch
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Zur "Textus Receptus"-Diskussion

Beitrag von joasch »

Hallo zusammen,

über obigen Link gibt es die Schrift von Rudolf Ebertshäuser "Der überlieferte Text des Neuen Testaments und die heutigen Bibelübersetzungen" (PDF, 291 KB). Hierzu möchte ich ein paar Beiträge aus "Bibel und Gemeinde" empfehlen (z.T. PDF, z.T. HTML):

http://www.bibelbund.christen.net/registersach.htm#st

Dort die Links zum Stichwort "Textkritik" und "Textus Receptus" anklicken.

Liebe Grüße
Joachim

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ThomasR
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Textus Receptus Links

Beitrag von ThomasR »

Hallo, hier ein paar Textus Receptus Links

http://www.bibelportal.de/links/textus-receptus.html

ThomasR
Gottes Segen
ThomasR

http://www.Bibelportal.de

Tob
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Beitrag von Tob »

Hallo Markus,

die Umfrage ist eine gute Idee.

Allerdings gibt es 3 bedeutende griechische Grundtexte. In einem anderen Forum hatte ich da folgendes geschrieben. Aus Zeitgründen werde ich dies nun hier nur kopieren:
1. Den Text der Reformation, Textus Receptus (Luther 1545, 1998, Schlachter 2000)

2. Den kritischen Text, Nestle Aland (Luther 1984, HfA, Gute Nachricht, Rev. Elberfelder, ...)

3. Den Mehrheitstext oder byzantinischen Text
Ferner schrieb ich:
Gewisse Schwächen des Textus Receptus (Apg 8,37 findet praktisch keine Unterstützung in den Manuskipten; zumindest ein Teil der Offenbarung ist aus der Lateinischen Vulgata übernommen worden), finden wir im Mehrheitstext nicht. Deshalb bevorzuge ich den Mehrheitstext, obwohl ich trotzdem den TR sehr schätze.
Die unrevidierte Elberfelder Übersetzung ist die deutsche Bibelausgabe, die meines Wissens am ehesten dem Mehrheitstext entspricht.
Mir ist es trotz der Ähnlichkeit und der 'Verwandtschaft' wichtig, die beiden Texte (Mehrheitstext und Textus Receptus) nicht zu verwechseln.
Der kritische Text (Nestle-Aland) fällt auch schon aufgrund seiner geistlichen Ausrichtung in eine andere Kategorie.

Vielleicht kannst Du Dir ja Überlegen, Deine Umfrage entsprechend abzuändern.

Viele Grüße

Tob

Gast

Textus Receptus

Beitrag von Gast »

Hallo Tob,

danke für Deinen Beitrag. Ich habe die Umfrage bewusst so gewählt und den Textus receptus nicht extra aufgeführt, da der TR eindeutig zur Mehrheitstextlinie gehört. Der TR ist jedoch sicherlich als Spezialfall des MT ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Punkt in diesem Thread.

Ich persönlich kann die Ausführungen von Bruder Ebertshäuser aus meinem Link im Startposting als Meinung übernehmen. Zumal die Textkritik m. E. eine große Gefahr darstellt.

Viele Grüße und Gottes Segen

Markus

joasch
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Antwort auf R. Ebertshäusers Schrift zum Download

Beitrag von joasch »

Hallo Leute,

zu der Schrift „Der überlieferte Text des Neuen Testaments und die heutigen Bibelübersetzungen“ von Rudolf Ebertshäuser habe ich eine Entgegnung ins Netz gestellt (komplett überarbeitete und erweiterte Neufassung meiner bisher in „Bibel und Gemeinde“ veröffentlichten Beiträge; nur zum persönlichen Gebrauch).

Download-Adresse:
http://home.sdirekt-net.de/jschmitsdorf ... /tr_na.pdf

Dateigröße: 246 KB

PDF-Version: 1.4 (Adobe Acrobat Reader (TM) Version 5.0 oder höher empfohlen)


Liebe Grüße mit 1.Thes 5,21

Joachim

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User1211
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Beitrag von User1211 »

Ich habe mal eine unbedarfte Frage:

Was soll mit der Abstimmung/Umfrage bewirkt werden? Ich meine, bis jetzt haben sich 9 Personen daran beteiligt, was kaum als represäntativ bezeichnet werden dürfte (selbst wenn man es auf dieses Forum beschränkt, da sich selbst dann nur 8,3% aller bis jetzt registrieren User beteiligt haben). Und was soll mit dem irgendwann "feststehende" Ergebnis gemacht werden?

Ich verfolge als Unkundiger, was die ursprünglichen biblischen Texte angeht, aber dennoch recht interessiert die hier stattfindende Diskussion. Eine Beteiligung verbietet sich mir jedoch, da ich kein Griechisch kann und somit nur vom Hören-Sagen her mitdiskutieren könnte. Meine Erfahrung aus anderen Foren und E-Mail-Listen zeigt jedoch, dass man kaum zu einem Konsens kommen wird. Ich hoffe und bete, dass diese Diskussion daher nicht im Streit endet (auch wenn davon bis jetzt noch nichts zu sehen ist)!!
Lieben Gruß
Thorsten

Gast

Beitrag von Gast »

Hallo,

nun, die eigentliche Problematik bei diesem Thema ist sehr grundlegend, hat aber wenig bis nichts mit Griechisch-Kenntnissen zu tun. Warum? Weil nach den erhaltenen Abschriften und deren Einordnung in verschiedene Überlieferungslinien gefragt wird, die dann letztendlich für eine Übersetzung herhalten müssen. Die Übersetzung an sich ist ein eigenes Thema. Ganz grob gesagt unterscheidet man 1) Mehrheitstextlinie inkl. TR und 2) NA. Sehr hilfreich ist es, einige geschichtliche Zusammenhänge zu erkennen, wie Bruder Ebertshäuser in seinem Referat treffend ausführt.

Viele Grüße und Gottes Segen

Markus

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User1211
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Beitrag von User1211 »

Hallo Markus,

vielen Dank für die Antwort, mit der Du die Intention die hinter diesem Thread steht deutlich machst. Dennoch möchte ich nochmals meine erste Frage wiederholen:
User1211 hat geschrieben:Was soll mit der Abstimmung/Umfrage bewirkt werden?
Was versprichst Du dir von der gegebenen Anzahl von Antworten? Wenn ich es in den bisherigen Diskussionen über dieses Problem richtig verstanden habe, so gibt es befürworter sowohl für den Mehrheitstext, den TR und N/A. Zu einem Kosens ist man darüber augenscheinlich noch nicht gekommen, da es immer neue Übersetzungen gibt, die sowohl auf dem einen, als auch auf dem anderen Text basieren.
Lieben Gruß
Thorsten

joasch
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Beitrag von joasch »

Markus hat geschrieben:die eigentliche Problematik bei diesem Thema ist sehr grundlegend
In der Tat, geht es doch um Gottes Wort.
Markus hat geschrieben:hat aber wenig bis nichts mit Griechisch-Kenntnissen zu tun.
O doch, sehr wohl. Schon einen Blick in meine Antwort auf Ebertshäuser geworfen?
Markus hat geschrieben:Warum? Weil nach den erhaltenen Abschriften und deren Einordnung in verschiedene Überlieferungslinien gefragt wird [...]
... und dazu reicht es meist nicht, nur Übersetzungen zu vergleichen. Siehe das in meiner o.g. Arbeit erwähnte Buch von Martin Heide, Der einzig wahre Bibeltext?. M. Heide hat sich mehrere Monate intensiv direkt mit den griechischen Hss. des NT befaßt. Das Ergebnis war, daß er seine frühere Bewertung des Mehrheitstextes revidieren mußte.
Markus hat geschrieben:Sehr hilfreich ist es, einige geschichtliche Zusammenhänge zu erkennen, wie Bruder Ebertshäuser in seinem Referat treffend ausführt.
Durchaus; doch Br. Ebertshäusers Ausführungen sind leider alles andere als zutreffend. Seinen Eifer für Gottes Wort in allen Ehren, aber bei seinem Steckenpferd "Textus Receptus" er einfach daneben.

Liebe Grüße
Joachim

Gast

Beitrag von Gast »

joasch hat geschrieben:
Markus hat geschrieben:hat aber wenig bis nichts mit Griechisch-Kenntnissen zu tun.
O doch, sehr wohl. Schon einen Blick in meine Antwort auf Ebertshäuser geworfen?
Ja. In Deiner Antwort kommen die üblichen, bereits bekannten Argumente gegen den TR zum Tragen, die von Bruder Ebertshäuser in seinem Referat bereits beantwortet werden.

Da Herr Ebertshäuser selbst Bibelübersetzer ist, dürftest Du Dich hier wohl kaum mit Deinen Griechisch-Kenntnissen schmücken können. Du stellst gerne heraus, dass Du Griechisch kannst.

Mir klingt dahingegen im Ohr "aber Ihr alle seit Brüder".

Viele Grüße

Markus, der kein Griechisch können braucht, da bereits die Bibel tausendfach übersetzt wurde, überall als Interlinear verfügbar ist und er an den Originaltexten von Platon und Aristoteles kein Interesse hat.

joasch
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Es komme mir keiner mit Tatsachen...?!?

Beitrag von joasch »

Lieber Markus,

beim Lesen Deiner Antwort kam mir Lukas 7,31f in den Sinn:
„Mit wem soll ich nun die Menschen dieser Generation vergleichen? Und wem ähneln sie? 32 Sie ähneln Kindern, die auf dem Markt sitzen und einander zurufen: ‘Wir haben für euch Flöte gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben euch Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht geweint.’“

Sorry, aber mir scheint, man kann auch Dir nichts recht machen. Einerseits unterstellst Du mir, ich hätte keine Ahnung (aber klar, mein Abschlußexamen habe ich in einer Cornflakes-Packung gefunden :lol: );* weise ich andererseits am Rande darauf hin, daß ich mir durchaus ein Urteil zur Sache erlauben kann, wirfst Du mir vor, ich würde gegen das Wort „Ihr aber seid alle Brüder“ verstoßen.** Verweise ich darauf, daß zur Abwägung verschiedener Lesarten Kenntnisse der biblischen Sprachen nötig sind, paßt Dir auch das nicht: Du behauptest, es auch so besser wissen zu können, gibst aber gleichzeitig zu, von der Materie keine Ahnung zu haben.

Wie hättest Du es denn gerne?

Br. Ebertshäuser ist meines Wissens kein Übersetzer der Schlachter 2000 (Du kannst ihn ja selbst fragen, die Anschrift seines „ESRA-Schriftendienstes“ steht am Ende seiner Broschüre), sondern hat als Lektor dafür gesorgt, daß die Übersetzung des NT dem TR folgte (wie ich gehört habe, waren die Übersetzer darüber nicht begeistert). Br. Ebertshäuser ist weder Altsprachler noch Theologe. Seine Ansichten zum TR hat er aus einschlägiger Literatur aus den USA übernommen. Er gibt ja die Quellen in seinen Schriften an, doch diese sind leider die denkbar schlechtesten.***

Hingegen hat Martin Heide (ein bibeltreuer, gläubiger Christ ist und dazu promovierter Altsprachler, bei der Schlachter 2000 für die Übersetzung des AT hauptverantwortlich) in seinem bereits von mir erwähnten Buch „Der einzig wahre Bibeltext?“ sehr klar und fachlich fundiert aufgezeigt, warum sowohl TR als auch MT vom Urtext des NT an einigen Stellen abweichen. Aber das hältst Du ja alles für widerlegt...

In der Hoffnung, hiermit nicht vergeblich geredet zu haben, grüßt Dich

Joachim


* Wie äußerte sich Thomas Schirrmacher einmal recht treffend zu Anschuldigungen, die gegen ihn in einem Internet-Forum erhoben wurden? „Immer wenn ich mal reinschaue, bin ich erstaunt, was Sie so alles über mich wissen, was ich selbst noch nicht weiß.“ (Quelle: http://www.bibelkreis.ch/forum/frage1100.htm)

** Nach dieser Logik müßtest Du jegliche Gemeindeleitung verwerfen. Warum und wozu aber sieht das NT vor, daß die örtliche Gemeinde von qualifizierten Ältesten geführt wird, also alle Gemeindeglieder zwar „Brüder“, aber eben nicht alle gleich sind? So berechtigt die Ablehnung einer Entmündigung der Gemeindeglieder durch einen „Klerus“ ist, so muß man aber auch berücksichtigen, daß es nun einmal Kinder, junge Männer und Väter in Christus gibt (vgl. 1Jo 2,12ff). Arme Gemeinde, deren Kurs von geistlichen Babys bestimmt wird!

*** Wer Englisch kann, dem möchte ich dazu folgende Internetseiten empfehlen: http://www.kjvonly.org und http://www.bible.org

Gast

Re: Es komme mir keiner mit Tatsachen...?!?

Beitrag von Gast »

Danke fürs Gespräch.

sbrowa
Beiträge: 1
Registriert: 28.04.2005 13:48

Beitrag von sbrowa »

Lieber Joachim, liebe Mitlesenden!

Zuerst möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Stephan Browa. Ich bin 32 Jahre alt, verheiratet und von Beruf Heilerziehungspfleger. Meine Frau und ich besuchen (und dienen in) eine(r) kleine(n) christliche(n) Versammlung in Adelberg (Württemberg). Zu meinem Hintergrund: Ich habe 1997 eine Pastorenausbildung bei den Methodisten in Reutlingen begonnen, und nach einem Jahr (unter anderem wegen Weigerung der Anerkennung der Bibel- und Literarkritik) wieder beendet. Danach war ich für (fast) ein weiters Jahr am Seminar TABOR in Marburg. Mein Weggang dort war teils durch Aufzug der Bibelkritik (Ausbildung von Frauen zum Lehr-und Verkündigungsdienst) und teils durch Anwendung von psychologischen Modellen und Praktiken (z.B. Bibliodrama, Gruppendynamik etc.) in der Gemeindeseelsorge begründet.

So, aber nun zum Thema!
Durch die Beschäftigung mit der Philosophie (Fach in RT am Seminar) und der Kirchengeschichte (dito), kam ich zu ganz ähnlichen Überzeugungen wie Bruder Ebertshäuser.
Bislang konnte mir noch niemand plausibel die Ablehnung der Bibelkritik auf der einen Seite, die Akzeptanz der Textkritk auf der anderen Seite erklären! Wie Du ja durch Dein Studium an der FTA selber weisst, schöpfen beide aus der Aufklärung und dem damit verbundenen Rationalismus (= "Vergöttlichung" des verfinsterten Verstandes). Nun meine ich, dass die Gründe die z.B. zur Ablehnung der Authentizität eines Bibelbuches wegen "nicht vorhandener" außerbiblischen Bestätigung führen, (z.B. Pentateuch sei nicht historisch...) GENAUSO rationell, logisch und "wissenschaftlich" sind, wie die Ratifizierung einer Handschrift in Bezug auf ihr Alter (z.B. Codex Sinaiticus) - oder liege ich da falsch?
Ich für meinen Teil will deswegen eigentlich gar nicht recht auf dem "Parkett" der Wissenschaft auftreten sondern "unwissenschaftliche" Argumente für den reformatorischen Text (Textus Receptus) betonen.
Für mich ist das wichtigste Argument für den TR die kirchengeschichtliche Wirkung, die er durch die fast 400 Jahre seit der Reformation hatte.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Gott seinen Kindern auf der ganzen Welt nur eine "abscheuliche Handschrift" für mehrere Jahrhunderte zukommen ließ, um sie dann ab Anfang des 20. Jahrhunderts durch die "ungläubige" Wissenschaft "bereinigen" zu lassen.
Was meinst Du, (Ihr)?

Übrigens kenne (und schätze!!) ich sowohl Bruder Rudolph Ebertshäuser als auch Bruder Martin Heide. Letzterer hat unsere Traupredigt gehalten...

Liebe Grüße,
Stephan

joasch
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Beitrag von joasch »

Hallo Stephan,

Du schreibst:
sbrowa hat geschrieben:Durch die Beschäftigung mit der Philosophie (Fach in RT am Seminar) und der Kirchengeschichte (dito), kam ich zu ganz ähnlichen Überzeugungen wie Bruder Ebertshäuser.
Kenntnisse der Kirchengeschichte sind durchaus hilfreich bei der Abwägung der einzelnen Manuskripte. Ohne Vergleich der Handschriften selbst aber hilft alle Philosophie nichts. Die alten Griechen waren nicht dumm, aber ihr Philosophieren hat sich oft als Torheit entpuppt, weil sie zwar über die Dinge nachdachten, aber ihre Theorien selten in der Praxis auf die Probe stellten. (Archimedes entdeckte das Prinzip der Wasserverdrängung bekanntlich nicht im Studierstübchen, sondern in der Badewanne.)
Ebensowenig kann man sich durch bloße Theorien ein klares Bild über die handschriftliche Überlieferung des NT machen; man muß sich schon die Quellen selbst anschauen.
sbrowa hat geschrieben:Bislang konnte mir noch niemand plausibel die Ablehnung der Bibelkritik auf der einen Seite, die Akzeptanz der Textkritk auf der anderen Seite erklären!
Dann will ich’s noch mal versuchen: Bibelkritik und Textkritik sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Bibelkritik ist die Anmaßung des Menschen, über Gottes Wort zu Gericht sitzen zu wollen, Textkritik ist der Versuch, die ursprüngliche Gestalt eines Textes durch Vergleich der vorliegenden Textzeugen zu ermitteln.

Wo der Textkritiker sein Ergebnis von vorgefertigten Theorien bestimmen läßt, läuft er Gefahr, die Fakten zu vernachlässigen (siehe etwa Westcotts und Horts Annahme eines „westlichen“ Textes oder die angebliche „Lukianische Rezension“, was heute beides in der Textkritik nicht mehr vertreten wird).
sbrowa hat geschrieben:[Bibelkritik und Textkritik] schöpfen beide aus der Aufklärung und dem damit verbundenen Rationalismus (= "Vergöttlichung" des verfinsterten Verstandes).
Ganz und gar nicht! „Wissenschaft“ im eigentlichen Sinne ist doch das, was man aufgrund von Forschung und Wissen feststellen kann, kurz: sachgemäße Erforschung des jeweiligen Erkenntnisgegenstandes. Voraussetzung für die neuzeitliche Wissenschaft war das christliche Weltbild, d.h. daß Gott alles in seiner Weisheit in guter Ordnung geschaffen hat. Diesbezüglich war das Mittelalter nicht ganz so finster, wie man oft glaubt, denn viele bedeutende Erfindungen wurden schon im Mittelalter gemacht. Durch die Reformation kam es zu einer erneuten wissenschaftlichen Blüte, da hierdurch die Vorherrschaft der griechischen Philosophen (siehe oben...) gebrochen wurde.

Wenn „Wissenschaft“ aber so weit gekommen ist, daß der Verstand vergötzt wird, ist sie keine Wissenschaft mehr, sondern blinde Dogmatik. Die Bibel fordert uns durchaus heraus, den Verstand zu benutzen (1Kor 14,20), natürlich unter Beachtung seiner Grenzen.
sbrowa hat geschrieben:Nun meine ich, dass die Gründe die z.B. zur Ablehnung der Authentizität eines Bibelbuches wegen "nicht vorhandener" außerbiblischen Bestätigung führen, (z.B. Pentateuch sei nicht historisch...) GENAUSO rationell, logisch und "wissenschaftlich" sind, wie die Ratifizierung einer Handschrift in Bezug auf ihr Alter (z.B. Codex Sinaiticus) - oder liege ich da falsch?
Hm – ja. Das eine hat mit dem anderen etwa so viel zu tun wie ein Frosch mit der Raumfahrt. $:) Es stimmt einfach nicht, daß alle neuzeitlichen Textkritiker „böse Ungläubige“ gewesen wären. Ich nenne nur Bengel, Tischendorf, Tregelles. Es ist auch eine merkwürdige Logik, den Nestle-Aland-Text zu verwerfen, weil viele, die daran gearbeitet haben, nicht Evangelikale sind oder waren, aber andererseits den Text eines Erasmus geradezu abgöttisch zu verehren, obwohl Erasmus ein strammer Katholik war (siehe unten).
sbrowa hat geschrieben:Ich für meinen Teil will deswegen eigentlich gar nicht recht auf dem "Parkett" der Wissenschaft auftreten sondern "unwissenschaftliche" Argumente für den reformatorischen Text (Textus Receptus) betonen.
Nun – genau das ist ja das Problem! Wie sollen wir denn feststellen, was der Wortlaut des Urtextes ist, wenn nicht anders als durch sachgemäße Untersuchung der vorhandenen Handschriften?
sbrowa hat geschrieben:Für mich ist das wichtigste Argument für den TR die kirchengeschichtliche Wirkung, die er durch die fast 400 Jahre seit der Reformation hatte.
Meinst Du, die Bibel hätte eine andere Wirkung gehabt, wenn Erasmus seinem griechischen NT den Codex Vaticanus zugrundegelegt hätte? Das wage ich zu bezweifeln. Die Bibelübersetzungen Wyclifs und der Waldenser beruhen auf der lateinischen Vulgata, weil damals im Westen keine griechischen Handschriften zur Verfügung standen. Gott löste durch sie jeweils eine Erweckung aus. Heißt das nun, daß wir deshalb nur noch die Vulgata benutzen sollten?

Oder schau auf die Missionsfelder von heute. Während hierzulande geistlich Eiszeit herrscht (trotz des derzeitigen TR-Revivals in manchen Kreisen), haben sich in den letzten Jahrzehnten Angehörige bislang unerreichter Völker bekehrt – durch Bibelübersetzungen, die auf dem „bösen“ Nestle-Aland-Text beruhen!

Warum ist das so? Weil trotz aller Unterschiede in Einzelheiten insgesamt die Botschaft des Evangeliums von allen Handschriften und Textausgaben unverfälscht überliefert wird! (Und deshalb erscheint mir die ganze Aufregung auch ziemlich überflüssig.)
sbrowa hat geschrieben:Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Gott seinen Kindern auf der ganzen Welt nur eine "abscheuliche Handschrift" für mehrere Jahrhunderte zukommen ließ, um sie dann ab Anfang des 20. Jahrhunderts durch die "ungläubige" Wissenschaft "bereinigen" zu lassen.
Pardon, man kann’s auch umdrehen: Warum enthielt Gott seinen Kindern auf der ganzen Welt 1500 Jahre lang den TR vor, der so überhaupt erst durch Erasmus zustande kam? Sein Text weicht nämlich sowohl vom Mehrheitstext als auch von den älteren alexandrinischen Handschriften ab. Erasmus kann man ebenfalls einen „ungläubigen Wissenschaftler“ nennen (vom evangelischen Standpunkt aus): Er hielt an den Irrlehren Roms fest und bekämpfte die Reformation in seinen Schriften.
sbrowa hat geschrieben:Übrigens kenne (und schätze!!) ich sowohl Bruder Rudolph Ebertshäuser als auch Bruder Martin Heide.
Dito. Wenn ich R. Ebertshäusers Ansichten zum TR widerspreche, heißt das deshalb ja nicht, daß ich ihn als Person und Bruder nicht schätzen würde (auch wenn mir ehrlich gesagt die Diskussion langsam auf den Wecker geht). Man muß halt zwischen Sachkritik und Kritik an Personen unterscheiden – leider fällt das heute immer mehr Menschen schwer, auch den Frommen... (*seufz*)

Freundliche Grüße
Joachim

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