Hallo Norbert,
Ich möchte gerne auf einige Dinge, die du geschrieben hast, antworten. Bevor ich das tue, erachte ich es doch als notwendig festzustellen, dass es mir hier um das geht, was du schreibst und glaubst, nicht um deine Person. Ich werde einiges von dem, was dir teuer ist, heftig angreifen und es wird dir überhaupt nicht gefallen. Und vielleicht wirst du mich für verblendet halten. Glaube mir aber bitte, dass es mir genauso wie dir darum geht Gottes Wort zu verstehen und aus meiner Erkenntnis die richtige Praxis abzuleiten. Bzw. in diesem Fall eher die falsche Praxis nicht abzuleiten.
Du hast geschrieben:
Norbert hat geschrieben:
der erfüllten Prophetie (z. B. die Staatsgründung Israel
An diesem Punkt hängt ja alles. Deswegen greife ich den heraus. Ist die Gründung des Staates Israel 1948 Erfüllung biblischer Prophetie und von großer, endzeitlicher Bedeutung oder nicht. Ich – und da bin ich nicht alleine – glaube das nicht. Ich werde später wieder auf diesen Punkt zurückkommen.
Du hast geschrieben:
Norbert hat geschrieben:
Aber ist es für IHN ein Problem, wenn den verheißenen Messias ablehnt?
Ähm, ich glaube schon, dass das für Gott ein Problem ist. Denn:
" Jesus antwortete ihm: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich." (Joh. 14,6)
" Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen (= einzigen) Sohn hingegeben hat, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben." (Joh. 3,16)
" So gibt es also jetzt keine Verurteilung mehr für die, welche in Christus Jesus sind" (Römer 8,1)
" und in keinem andern ist die Rettung (oder: das Heil) zu finden; denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem (oder: durch den) wir gerettet werden sollen." (Apg. 4,12)
„Euch Heiden(christen) aber sage ich: Gerade weil ich Heidenapostel bin, tue ich meinem Dienst um so größere Ehre an, 14 (wenn ich bemüht bin) ob ich vielleicht meine Volksgenossen zur Nacheiferung zu reizen und (wenigstens) einige von ihnen zu retten vermag.“ (Röm. 11, 13+14)
Zitiert aus Menge Bibel
Es gibt ja schon Punkte, in denen die Schrift nicht so klar ist und die dann auch von Christen heftig debattiert werden. Aber dieser Punkt scheint mir SONNENKLAR:
Wer nicht an den Herrn Jesus glaubt und auf sein stellvertretendes Sterben vertraut, geht VERLOREN. Ob Jude oder Heide spielt keine Rolle. Deswegen ist ja Paulus so betrübt um seine ungläubigen Mitjuden:
„ich trage schweren Kummer und unaufhörlichen Schmerz in meinem Herzen.“ Röm. 9, 2. Weil er weiß, dass sie verloren gehen und deswegen schreibt er in Römer 11, dass er sie zur Nacheiferung reizen möchte, um wenigstens einige von ihnen zu retten. Retten heißt, dass sie sonst verloren sind!!
Und eigentlich scheint mir, dass die Schrift bezeugt, dass es noch NIE einen anderen Weg des Heils gegeben hat, als den auf Gott und den verheißenen Messias zu vertrauen:
Da glaubte Abram dem HERRN, und das rechnete dieser ihm als Gerechtigkeit an (1. Mose 15, 6)
„denn nicht alle, die aus Israel stammen, sind Israel, 7 und nicht alle sind schon deshalb, weil sie Abrahams Same (d.h. leibliche Nachkommen) sind, auch seine Kinder; sondern (1.Mose 21,12): »In (= nach) Isaak soll dir Nachkommenschaft genannt werden.« 8 Das will ich sagen: Nicht die leiblichen Kinder (Abrahams) sind damit auch Gottes Kinder, sondern (nur) die Kinder der Verheißung werden als Nachkommenschaft (Abrahams) gerechnet.“ (Römer 9, 6b -8)
Deswegen haben wir als Kinder in der Jungschar gesungen: „Vater Abraham hat viele Kinder. Ich bin eins von ihnen und eins bist du …“ obwohl keiner von uns jüdisch war. Wir konnten es singen, weil wir Kinder des Glaubens sind und damit Teil des Volkes Gottes, d.h. der Gemeinde der alt- und neutestamentlichen Gläubigen. Gottes Heil galt schon immer ALLEN Menschen, unabhängig von der Ethnie. Er hat sich heilsgeschichtlich für eine bestimmte Zeit auf das Volk Israel „konzentriert“ aber auch für die Juden galt, dass Gott von ihnen Glauben forderte.
„Was folgt nun daraus? Dieses: Heiden, die nicht nach Gerechtigkeit trachteten, haben Gerechtigkeit erlangt, nämlich die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt; 31 Israel dagegen, das nach der vom Gesetz geforderten Gerechtigkeit trachtete, hat das vom Gesetz gesteckte Ziel (der Rechtfertigung) nicht erreicht. 32 Warum nicht? Weil sie es nicht auf dem Glaubensweg, sondern es mit Werken haben erreichen wollen: da haben sie sich am Stein des Anstoßes gestoßen, 33 von dem geschrieben steht (Jes 28,16; 8,14): »Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Ärgernisses (oder: des Strauchelns = zum Fallen); und wer auf ihn sein Vertrauen setzt (oder: an ihn glaubt), wird nicht zuschanden (oder: enttäuscht) werden.“ (Römer 9, 30 - 32)
Außerdem war auch diese „Konzentration“ auf die Juden nicht ausschließlich, wie wir an Melchisedek und Ruth sehen können.
Mit dem Kommen Jesu und dem von ihm vollbrachten Werk der Erlösung und der Ausgießung des heiligen Geistes an Pfingsten nun, wendet sich der Erlösungswille Gottes wieder der gesamten Menschheit zu:
„Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde" (Apg. 1,8 )
Das heißt NICHT, dass die Gemeinde Israel als Volk Gottes ersetzt, sondern dass das EIGENTLICHE Volk Gottes, die Gemeinde der Gläubigen jetzt vermehrt auch Gläubige aus den Heiden enthalten wird. Neben den jüdischen Gläubigen. So verstanden, gehört ein nicht an Jesum den Messias gläubiger Jude NICHT zum Volk Gottes.
Wovon spricht nun Paulus in Römer 11:
„25 Ich will euch nämlich, meine Brüder, über dieses Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht in vermeintlicher Klugheit auf eigene Gedanken verfallt: Verstockung ist über einen Teil der Israeliten gekommen bis zu der Zeit, da die Vollzahl der Heiden (in die Gemeinde Gottes) eingegangen sein wird; 26 und auf diese Weise wird Israel in seiner Gesamtheit gerettet werden, wie geschrieben steht (Jes 59,20-21; 27,9): »Aus Zion wird der Retter (oder: Erlöser) kommen; er wird Jakob von allem gottlosen Wesen frei machen; 27 und darin wird sich ihnen der von mir herbeigeführte Bund zeigen, wenn ich ihre Sünden wegnehme (oder: tilge).“
Er spricht von seiner Hoffnung, dass die jetzt noch verstockten Israeliten zukünftig AUCH – genauso wie die Heidenchristen – zum Glauben an den Herrn Jesus als den Messias kommen werden. Von einer Rückkehr in das Land Palästina schreibt er hier überhaupt nichts und das würde auch gar keinen Sinn machen. Denn Paulus weiß: Was die Juden brauchen, ist errettender Glaube an den Herrn Jesus. Der Wohnort ist völlig gleichgültig und tut überhaupt nichts dazu. D.h. mit Paulus sollen wir hoffen und beten, dass möglichst viele Juden zum Glauben an Jesus kommen, ob sie in Tel Aviv, New York oder Hannover wohnen.
Nun zurück zu Stamm Manasse, dessen angebliche Mitglieder in Indien gefunden wurden und von denen jetzt einige nach Israel auswandern konnten. Was nutzt das denen? Nada, niesta, niente. Solange sie nicht an Jesum gläubig werden, gehen sie verloren. Ob in Israel oder in Indien. Und da sie ja schon christlich waren – in welcher Form auch immer – BEVOR sie sich zum Judentum bekehrten, finde ich die ganze Geschichte kein Grund zur Freude sondern zum Trauern. Und Paulus stimmt mir hier zu (Römer 9,2 ). Sie sind durch ihre Bekehrung zum jüdischen Glauben wieder ein gutes Stück weg vom errettenden Glauben an den Herrn Jesus gekommen und werden verloren gehen, so Gott nicht Gnade schenkt und sie wieder zum Glauben an Jesus kommen lässt.
Nun zurück zur Gründung des Staates Israel.
Dass es überhaupt zur Gründung dieses Staates kam, hat viele Ursachen, aber eine sehr wichtige ist sicher die Entstehung und Verbreitung des christlichen Zionismus in Groß-britannien. Nicht nur hatte dieser Wechselwirkungen mit dem Jüdischen Zionismus, der die ideologische Grundlage zur Staatsgründung Israels bildete, der christliche Zionisums hatte auch direkten Einfluss auf politische Kreise in Großbritannien und steht hinter der Balfourdeklaration:
Balfourdeklaration
2. November 1917
Verehrter Lord Rothschild, ich bin sehr erfreut, Ihnen im Namen der Regierung Seiner
Majestät die folgende Erklärung der Sympathie mit den jüdisch-zionistischen Bestrebungen
übermitteln zu können, die dem Kabinett vorgelegt und gebilligt worden ist:
,,Die Regierung Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen
Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses
Zieles zu erleichtern, wobei, wohlverstanden, nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und
religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina oder die
Rechte und den politischen Status der Juden in anderen Ländern in Frage stellen könnten. Ich
wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Erklärung zur Kenntnis der Zionistischen
Weltorganisation bringen würden."
Ihr ergebender
Arthur Balfour
Ich empfehle in diesem Zusammenhang die sehr interessante Ausführungen über die Geschichte des christlichen Zionismus in Christian Zionism: Road-Map to Armageddon? by Stephen R. Sizer . Leider wieder nur auf Englisch. Tatsache ist, dass es sehr einflussreiche Persönlichkeiten – wie Balfour – gab, die aufgrund ihrer Glaubensüberzeugungen ihren Einfluss nutzten, um das – was sie glaubten, das Gott prophetisch verheißen hatte – Realität werden zu lassen. In anderen Worten sie setzten sich dafür ein, dass das geschieht, was sie glaubten, dass Gott verheißen hat.
D.h. sie haben gesagt: „Ich glaube, dass Gott das und das tun will. Er hat es prophetisch verheißen.“ Und dann sind sie hingegangen und haben daraufhin gewirkt, dass es auch wirklich geschieht. Das gleiche passiert heute auch wieder. Ich komme gleich darauf zurück.
Der christliche Zionismus hat verschiedene Wurzeln und Ausprägungen. Aber immer stärker und heute dominant ist der Einfluss des Dispensationalismus. Was genau dieser lehrt, kannst du, Norbert, uns wohl genauer sagen, aber ich möchte nur zwei Aspekte der praktischen Wirksamkeit des Dispensationalismus herausgreifen:
1. Die Unterstützung der Auswanderung von Juden – vor allem aus dem Gebiet der ehemaligen SU – nach Israel. Unter – und nur das kritisiere ich – BEWUSSTEM Verzicht auf Evangelisation. Noch mal: wer nicht an Jesus den Messias glaubt, geht verloren, ob in Tel Aviv oder Kasachstan.
2. Die Unterstützung der extremen politischen Rechten in Israel. Der israelische Ministerpräsident Olmert hat gestern der Zeitung Haaretz ein Interview gegeben. Siehe
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 68,00.html
Israels Ministerpräsident Ehud Olmert drängt auf eine Zwei-Staaten-Einigung: Wenn es Israel nicht gelingen sollte, eine solche Lösung zu vereinbaren und es statt dessen versuchte, die Palästinenser zu integrieren, werde es zu einem Kampf um gleiche Rechte komme, sagte Olmert der Zeitung "Haaretz". "Sobald das geschieht, ist der Staat Israel am Ende."
Es lohnt sich auch das Original zu lesen:
http://www.haaretz.com/hasen/spages/929439.html
"If the day comes when the two-state solution collapses, and we face a South African-style struggle for equal voting rights (also for the Palestinians in the territories), then, as soon as that happens, the State of Israel is finished," Prime Minister Ehud Olmert told Haaretz Wednesday… "The Jewish organizations, which were our power base in America, will be the first to come out against us," Olmert said, "because they will say they cannot support a state that does not support democracy and equal voting rights for all its residents."
Olmert ist ein weiser Mann und ich wünsche ihm viel Erfolg. Hat er den, wird er allerdings die Dispensationalisten zum Feind haben, denn dann wird er Land aufgeben müssen, dass derer Meinung nach zu Israel gehören soll/muss. Und einen neuen Tempel wird es dann so schnell auch nicht geben.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass es meiner Meinung nach gute historische, politische und kulturelle Gründe gibt pro-israelisch zu sein. Und ich möchte auch sagen, dass ich in den Dispensationalisten KEINE Freunde Israels und auch keine Freunde der Juden sehe. Dispensationalismus ist einfach nur schlechte Theologie. Genauso schlecht und genauso antijüdisch wie der Antisemitismus. Er hält Juden davon ab zum christlichen Glauben und damit zum Heil zu kommen UND er treibt Israel regelrecht in Richtung eines Armageddon. Hoffen wir nur, dass es hier nicht auch zu einer sich – durch aktives Daraufhinwirken - selbsterfüllenden Prophetie kommt.