Gute Frage, dies wird auch unter "Reformierten" unterschiedlich gesehen. Insbesondere Postmills bevorzugen die Sicht, dass hier Christus gemeint sei oder aber der Siegeszug des Evangeliums oder der Gemeinde.Joschie hat geschrieben:Ich bin jetzt bei Offenbarung 6 angekommen und da habe ich eine Frage. Dort wird von den 4 Reitern berichtet. Der 1. ist der auf dem weißen Pferd, es ist der einzige ohne Vernichtung! Ist dieser ein Gegenstück zu Christus oder Christus?
Folgende Argumente scheinen diese Position zu stützen:
1. Es könnte eine Anspielung auf Ps 45,3-5 sein,
2. Parallelen zu Offb 19,11-16 und 14,14, ferner zu 3,21; 5,5; 17,14
3. Auch in seiner Endzeitrede spricht der Herr Jesus von der weltweiten Evangeliumsverkündigung
4. "Weiß" hat in der Offb sosnt immer eine positive Bedeutung
5. Im Gegensatz zu den anderen drei Reitern ist mit dem ersten kein Wehe verbunden
Die Sichtweise, dass der Reiter auf dem weißen Pferd negativ zu sehen ist, hat aber die imho überzeugenderen Argumente:
1. Es ist Christus, das Lamm, der die Siegel öffnet, warum sollte er sich selbst als einen der Reiter freisetzen? Außerdem "wurde" dem Reiter "gegeben", was ausdrückt, dass er der Souveränität Gottes untersteht. Christus hat aber bereits alle Macht im Himmel und auf Erden, ihm braucht und kann keine Gewalt mehr gegeben werden, denn es gibt keine, die er nicht hätte.
2. Das Wesen aller 7 Siegel und aller 4 Reiter ist Schaden. Die vier Reiter haben eine gemeinschaftliche Identität. Man beachte dazu den stark parallelen Aufbau dieser 4 Beschreibungen. Vgl. die vier Pferde aus Sach 6,1-8 - der atl. Hintergrund - auch sie gehören wesensmäßig zusammen, vgl. auch Hes 14,21 mit Offb 6,8b
3. In 5Mo 32,23-26 gibt es "vier Bundes-Gerichte", die ebenfalls einen atl. Hintergrund bilden
4. Die Ereignisse, die die Reiter über die Erde bringen, unterliegen der Souveränität Gottes (man beachte das in der Offb. immer wiederkehrende "ihnen wurde gegeben"). Diese Souveräntiät Gottes darin ist aber ohne weiteres nicht offensichtlich, denn es handelt sich ja um Schrecknisse etc., sondern es ist gerade Zweck der Offb., diese souveräne Herrschaft Gottes auch in den Drangsalen aufzuzeigen, um die Gläubigen in der Not und Verzweiflung zu trösten: Es ist Christus, der über allen Erprobungen und Leiden der Christen steht.
5. Die vier Reiter bilden eine logische Abfolge: Eroberung führt zu politischen Unruhen, die Hungersnot und schließlich Tod bringen.
6. Auch in der als Parallelstelle zu beachtenden Endzeitrede Jesu bilden diese einzelnen Schrecknisse ein zusammenhängendes Szenario (Mt 24,5-8 par.), die antichristliche Verführung ist auch dort an erster Stelle.
7. Auch das Tier "erobert" (11,7; 13,7)
8. Das Antichristliche imitiiert Christus (Offb 12-13)
9. In Offb 9,7 sind es eindeutig dämonische Wesen, die als "Pferde" beschrieben werden, ebenfalls mit "Kronen", auch ihnen "wurde gegeben ..."
10. Der erste und der vierte Reiter scheinen jeweils eine zusammenfassende Funktion zu haben
Damit scheint mit dem ersten Reiter also etwas Teuflisches gemeint sein, nämlich:
1. Der Antichrist bzw. das Tier aus dem Meer
2a. Allgemein: Regierungen, die Christenverfolgung betreiben
2b. Konkret: Eine bestimmte Regierung / politische Macht (vorgeschlagen wurden z.B. die Parther oder das Römische Reich)
3. Diener des Teufels im Allgemeinen
4. Mit seinen Attributen Bogen und Krone entspricht der Reiter dem Götzenmythos Apollo. Dieser "Gott" war in Kleinasien, insbesonere Smyrna und Thyatira, bekannt als "Gott" der Inspiration und heidnischen Weissagung. Wenn dies der richtige Hintergrund ist, dann repräsentiert der Reiter die Macht der falschen Propheten und Messiase.
(wieder mal Dank an Gregory Beale für seinen Kommentar ...)
Grüße, Werner